Er dachte darüber nach. Er seufzte. »Also gut, aber ganz beiläufig, okay? Ich nehme euch beide zusammen ins Bild.« »In Unschuld vereint«, sagte ich dankbar.
»Immer schnell von Begriff.«
Er sah auf die Uhr. »Wie wär’s nach dem Lincoln? In einer Stunde. Wenn ich mit dem Trainer und dem Jockey des Siegers und mit seinen Besitzern gesprochen habe, falls die hier sind. Da könnten wir’s einschieben. Ich sage meinem Regisseur Bescheid. Weißt du noch, wo die Kamera steht, Thomas? Dahin kommt ihr nach dem Lincoln. Und Thomas, ich hab was gut bei dir.«
»Zwei Plätze für die Premiere«, sagte ich. »Ohne dich gibt’s vielleicht keine.«
»Vier Plätze.«
»Eine ganze Reihe«, sagte ich.
»Abgemacht.«
Greg sah Nash an. »Wie ist dieser überdrehte Hanswurst von einem unfähigen Diktator denn wirklich so als Regisseur?«
»Schlimmer«, sagte Nash.
Wir machten das Interview, Nash und ich Seite an Seite. Greg stellte uns den Zuschauern vor, fragte, ob Nash auf den Sieger des Lincoln - Gallico - gesetzt habe, gratulierte ihm und sagte, Nash habe hoffentlich einen angenehmen Aufenthalt in Großbritannien.
Nash sagte: »Ich drehe einen Film hier. Das ist sehr angenehm.«
Er nickte leutselig. Und ganz nebenbei, wie Greg es gewünscht hatte, fügte er noch ein paar Einzelheiten an, ließ aber keinen Zuschauer darüber im Zweifel, daß der Turffilm, den wir in Newmarket drehten, eine runde Sache war.
»Hab ich da nicht einen unhöflichen Bericht gelesen?« gab Greg spöttisch das Stichwort.
»Ja«, stimmte Nash zu und nickte. »Man hat mir Worte in den Mund gelegt, die ich nie gesagt habe. Was ist daran neu? Man soll nicht immer glauben, was in der Zeitung steht.«
»Sie spielen einen Trainer, ja?«
Greg stellte die Fragen, die wir ihm vorgegeben hatten, so als wären sie ihm gerade eingefallen. »Wie klappt’s denn mit dem Reiten?«
»Ich kann mich im Sattel halten«, lächelte Nash. »Ich kann nicht reiten wie Thomas.«
»Reiten Sie im Film?« fragte Greg mich hilfsbereit.
»Das tut er nicht«, sagte Nash, »aber manchmal steigt er aufs Pferd und jagt im Galopp über die Heide. Dafür schlage ich ihn im Golf.«
Die Zuneigung in seinem Ton sagte mehr als tausend Worte. Greg brachte das Interview gutmütig zu Ende und reichte die Zuschauer zu Hause gekonnt an den Führring-kommentator weiter, der die Teilnehmer des nächsten Rennens präsentierte.
»Danke«, sagte ich, »vielen Dank.«
»Eine Sitzreihe«, nickte er. »Denk dran.«
Er schwieg und fügte zynisch hinzu: »Spielst du Golf, Thomas?«
»Nein.«
»Ich kann ihn jederzeit schlagen«, bekräftigte Nash.
»Was für ein Duo!« meinte Greg.
O’Hara hatte sich das Interview in der Londoner Zentrale des Fernsehsenders angeschaut, und er klingelte mich an, ehe ich ein ruhiges Plätzchen gefunden hatte, um mit ihm Verbindung aufzunehmen.
»Ausgezeichnet«, sagte er fast lachend. »Brüderliche Eintracht auf der ganzen Linie. Da bleibt kein Auge trok-ken.«
»Ob es funktioniert?«
»Und ob das funktioniert!«
»Kommt es auch rechtzeitig in die Besprechung?«
»Hören Sie auf mit dem Zähneklappern. Die Leute hier waren wirklich hilfsbereit. Mit dem Honorar könnte man zwar ein Hubble-Teleskop ins All hieven, aber unsere Häuptlinge sehen die Aufzeichnung bei ihren Frühstücksflocken.«
»Danke, O’Hara.«
»Geben Sie mir Nash.«
Ich reichte das Telefon weiter und sah zu, wie Nash einige Male nickte und Jas von sich gab.
»Ja, natürlich hat er mir meinen Text eingeflüstert«, sagte Nash, »und er hat seinen Bekannten dazu gebracht, die richtigen Fragen zu stellen. Wie? Weiß der Geier. Die alte Jockeyverbindung, nehme ich an.«
Auch die letzten Rennen gingen vorbei, und nachdem wir unseren Gastgebern gedankt hatten, flogen wir nach Newmarket zurück, ohne von O’Hara noch einmal gehört zu haben. Vormittag in Los Angeles. Was trieben die Häuptlinge?
»Regen Sie sich ab«, sagte Nash.
Sein Chauffeur brachte uns mit dem Rolls zum Bedford Lodge, wo Nash dann vorschlug, ich solle mit zu ihm kommen, damit wir beide hören könnten, was O’Hara zu berichten hatte.
Die Filmgesellschaft hatte vier komfortable Suiten im Hotel belegt; die beste für Nash, eine für Silva, eine für mich und eine (oft leere) für O’Hara oder sonstige Häuptlinge. Moncrieff und Howard hatten Zimmer im Hotel; der Rest der annähernd sechzig Mitarbeiter des Films, Dekorateure, Kostümleute, Maskenbildner, Techniker, der Produktionsstab, die Assistenten und Kuriere, alle mittelbar am Projekt Beteiligten waren in diversen anderen Hotels, Motels und Pensionen untergebracht. Die meisten Stallburschen wohnten in einer Herberge. Der Reitmeister/Hilfstrainer fuhr heim zu seiner Frau. Die logistische Versorgung der Truppe mit Essen und Arbeit im Rahmen gewerkschaftlicher Bestimmungen war gottlob nicht meine Aufgabe.
Nashs Zimmer blickten auf freundliche Gärten hinaus und waren mit großen Sesseln ausgestattet, in denen man die müden Knochen entspannen konnte, nachdem man stundenlang so getan hatte, als sei man jemand anders, oder vielmehr stundenlang herumgehangen hatte, um hin und wieder vielleicht fünf Minuten lang so zu tun. Moncrieff und ich mochten pausenlos fieberhaft beschäftigt sein - Schauspieler standen herum und langweilten sich, bis wir wieder einmal soweit waren. Schauspieler mit ihren langen Ruhepausen wurden müde, Moncrieff und ich dagegen nicht.
Nash ließ sich in seinen Lieblingssessel sinken und sah ungefähr zum vierhundertsten Mal auf die Uhr.
Fünf Stunden waren um. Beinah sechs. Ich hatte die meiste Zeit hindurch geschwitzt.
Mein Mobiltelefon summte. Mein Mund wurde trocken. Summ, summ.
»Gehen Sie dran!« befahl Nash ungehalten, als er sah, wie ich zögerte.
Ich sagte: »Hallo.«
Mehr ein Krächzen.
»Thomas?« sagte O’Hara. »Sie sind nicht gefeuert.«
Schweigen.
»Thomas? Haben Sie gehört? Machen Sie mit dem Film weiter.«
»Ich, ehm.«
»Zum Donnerwetter! Ist Nash da?«
Ich reichte das Telefon dem grünen Licht, das die Neuigkeit sehr gefaßt aufnahm. »Also, das möchte ich meinen. Ja, natürlich war er beunruhigt, er ist auch nur ein Mensch.«
Er gab mir den Apparat wieder. O’Hara sagte: »Es gibt ein paar Bedingungen. Ich soll mich mehr in Newmarket aufhalten und Ihnen auf die Finger schauen. Eins von den hohen Tieren kommt zu Besuch, um sich zu vergewissern, daß ihr Geld sinnvoll ausgegeben wird. Die haben viel zu lange darüber gequasselt, wer an Ihrer Stelle Regie führen soll. Aber Ihr Fernsehspot gab dann den Ausschlag. Nash hat sie überzeugt. Sie glauben nach wie vor, daß er nicht irren kann. Wenn es Nash recht ist, behalten sie Sie.«
»Danke.«
»Ich komme morgen wieder nach Newmarket. Das ist verdammt ärgerlich, denn ich hatte vor, nach L. A. zu fliegen, aber na ja. Wie Sie schon sagten, es geht auch um meinen Kopf. Was machen Sie morgen früh?«
»Pferde bewegen auf der Heide.«
»Und Nash?«
»Sitzt im Sattel und schaut zu. Am Nachmittag schaffen wir die Pferde zur Rennbahn Huntingdon. Montag stellen und proben wir die Massenszenen beim Pferderennen. Ein Teil der Crew zieht in Motels bei Huntingdon um, aber Nash und ich und einige andere bleiben in Newmarket wohnen.«
»Wie weit ist das?«
»Nur knapp vierzig Meilen. Wo möchten Sie übernachten?«
»Newmarket.«:
Kein Zögern. »Nehmen Sie sich einen Fahrer, Thomas. Ich möchte nicht, daß Sie bei Ihren vielen Arbeitsstunden am Steuer einschlafen.«
»Ich fahre gern selbst, und so weit ist es ja nicht.«
»Nehmen Sie sich einen Fahrer.«