Выбрать главу

Es war ein Befehl. Ich sagte okay. Ich war dankbar, noch im Geschäft zu sein. Er sagte: »Bis bald, alter Knabe«, und ich sagte: »Danke, O’Hara«, und er fügte eine letzte Bemerkung an: »Howard bekommt die Krallen ordentlich gestutzt. So ein blöder Hund.«

»Na also«, meinte Nash lächelnd, als ich den Apparat abschaltete. »Was zu trinken? Kommen Sie, essen Sie mit mir.«

Nash ließ sich die Mahlzeiten meist in seiner Suite servieren und aß allein. Im Gegensatz zu den meisten Schauspielern hatte er eine einzelgängerische Ader, der er hier, in Abwesenheit seiner Frau, freien Lauf ließ. Überrascht, aber auch froh, selbst nicht allein essen zu müssen, blieb ich also zum Dinner - Suppe, Lamm, Weißwein -, und das war ein Schritt hin zu einer definitiven Freundschaft, die ich vierzehn Tage vorher für wenig wahrscheinlich gehalten hätte.

Entspannt nach den Mühen des Tages, entschloß ich mich, kurz bei Dorothea vorbeizufahren, um zu sehen, ob sie irgend etwas brauchte, bevor ich mich wieder mit Moncrieff traf, um die Arbeitsgänge am nächsten Morgen auf der Heide zu besprechen.

Ich erwartete ein ruhiges Trauerhaus vorzufinden. Statt dessen sah ich, als ich ankam, blitzende Lichter, einen Polizeiwagen und einen Krankenwagen.

Kapitel 6

Ein Polizist versperrte mir den betonierten Fußweg. »Was ist passiert?« fragte ich.

»Gehen Sie bitte zurück, Sir.«

Er war jung, kräftig, geschäftsmäßig und hatte wenig Verständnis für unbekannte Vertreter der Allgemeinheit. Seine Aufgabe war es, eine kleine Gruppe von Schaulustigen weit genug vom Geschehen fernzuhalten.

Ich versuchte es noch einmal. »Die Leute, die hier wohnen, sind Freunde von mir.«

»Bleiben Sie bitte zurück, Sir.«

Er sah mich kaum an, ungewollt eindrucksvoll, eine solide physische Schranke, die ich nicht anzugreifen gedachte.

Ich zog mich durch die Schar der Schaulustigen zurück und benutzte meinen ständigen Begleiter, das Mobiltelefon, um Dorotheas Nummer anzurufen. Erst nach sehr langer Zeit, wie mir schien, meldete sich die gequälte Stimme einer Frau: »Hallo?«

»Dorothea?« sagte ich. »Hier ist Thomas.«

»Oh. Ach nein, hier ist Betty. Wo sind Sie, Thomas? Können Sie herkommen?«

Ich erklärte, daß ich draußen stand, aber nicht hereingelassen wurde, und Sekunden später kam sie hastig den Weg hinunter, um mich zu holen. Der massige Polizeibe-

amte trat achselzuckend zur Seite, als habe er seine Schuldigkeit getan, und ich eilte mit Betty zur Eingangstür.

»Was ist passiert?« fragte ich sie.

»Jemand ist eingebrochen. Es ist schrecklich. sie haben Dorothea beinah umgebracht. wie konnten sie nur? Dr. Gill ist gerade erst gekommen, und die Polizei auch, und alles ist voll Blut, und sie machen Fotos, es ist einfach unglaublich.«

Wir gingen ins Haus, und im Innern sah es aus, als wäre ein Tornado durchgefegt.

Valentines Schlafzimmer gleich neben der Haustür war ramponiert: Schubladen lagen ausgekippt auf dem Fußboden, auf ihrem verstreuten Inhalt. Der Kl ei der schrank stand offen und war leer. Bilder waren von den Wänden gerissen, ihre Rahmen zerbrochen. Matratzen und Kissen waren aufgeschlitzt, die Füllungen quollen heraus.

»So sieht’s hier überall aus«, jammerte Betty. »Auch in den Badezimmern und der Küche. Ich muß wieder zu Dorothea. ich habe Angst, sie stirbt.«

Sie ließ mich stehen und verschwand in Dorotheas Schlafzimmer, und ich ging zögernd um eine große Lache angetrockneten Blutes im Flur herum und folgte ihr.

Ich hätte nicht zu befürchten brauchen, daß ich stören könnte - das Zimmer war voller Leute. Robbie Gill verdeckte mir weitgehend die Sicht auf Dorothea, die stumm, mit Schuhen an den Füßen, Strümpfen an den Beinen, auf ihrem zersäbelten Bett lag. Zwei Sanitäter mit einer fahrbaren Trage nahmen den halben verfügbaren Raum ein. Eine uniformierte Polizistin und ein Fotograf waren an der Arbeit. Betty zwängte sich durch das Gedränge und winkte mir, ihr zu folgen.

Robbie Gill, der aufschaute und mich sah, nickte zur Begrüßung und trat einen Schritt zurück mit dem Ergebnis, daß ich Dorothea ganz sehen konnte und Übelkeit und ohnmächtige Wut mich überkamen.

Sie war voll Blut, verquollen und bewußtlos, mit schweren Schnittwunden an Wange und Stirn und einem roten Etwas an der Stelle ihres Mundes.

»Ihr rechter Arm ist gebrochen«, diktierte Robbie Gill der mitschreibenden Polizistin. »Sie hat innere Verletzungen.«

Er schwieg. Selbst für einen Arzt war das zuviel. Dorotheas Kleidung war aufgeschlitzt, die alten Brüste und der Bauch entblößt; zwei Schnittwunden an ihrem Leib bluteten stark, die eine war so tief, daß ein Eingeweidewulst aus der Bauchdecke heraustrat, eine hell schimmernde, schwellende Insel in einem nassen roten Meer. Der Blutgeruch war überwältigend.

Robbie Gill nahm steriles Verbandszeug aus seiner Tasche und bat alle außer der Polizistin, den Raum zu verlassen. Die Beamtin sah mehr als bleich aus, blieb aber auf ihrem Posten, während wir anderen schweigend gehorchten.

Betty zitterte, mit Tränen auf den Wangen.

»Ich bin noch mal vorbeigekommen, um nachzusehen, ob sie sich auch was zu essen gemacht hatte. Sie vernachlässigt sich, seit Valentine nicht mehr da ist. Ich bin durch die Hintertür rein, in die Küche, und alles war demoliert. ganz schrecklich. und dann hab ich sie gefunden, sie lag auf dem Flur in ihrem Blut, ich dachte, sie sei tot. Ich habe Dr. Gill angerufen, weil seine Nummer direkt neben dem Telefon in der Küche lag, und er hat die Polizei und den Krankenwagen mitgebracht. und sie haben sie ins Schlafzimmer gelegt. Ob sie wieder gesund wird?«

Die Angst schüttelte sie. »Sie darf nicht sterben, so nicht. Wie kann jemand so etwas tun?«

Ich hatte mir ähnlich böse oder noch schlimmere Szenen ausgemalt und sie gefilmt, aber wir hatten meist in Öl gelösten Lippenstift als Blut verwendet - nicht zu dünn, nicht zu dick - und als Eingeweide aufgeblasene Wursthaut, und hatten graugeschminkte Gesichter mit Schweiß aus dem Zerstäuber besprüht. Neue Leute kamen, anscheinend Kriminalbeamte. Betty und ich zogen uns in Dorotheas Wohnzimmer zurück, dessen chaotischer Zustand wiederum über alles Verständnis ging.

»Wie kann jemand das machen?« wiederholte Betty dumpf. »Wie kommt einer dazu?«

»Hatte sie irgend etwas Wertvolles?« fragte ich.

»Ach, woher denn? Nur ihre kleinen Nippsachen. Souvenirs und Modeschmuck. Sogar das Foto von ihrer Hochzeit mit Bill haben sie zerrissen. Wie kann man nur?«

Sie hob die Stücke eines Fotorahmens auf und beweinte das Leid ihrer Freundin. »Und ihre schöne rosa Vase. die ist zerschmissen. Sie hing an der Vase.«

Ich starrte auf die rosa Scherben, ging dann auf ein Knie nieder und suchte vergeblich den Teppich ab. »Ich habe den Schlüssel in die rosa Vase in meinem Wohnzimmer gelegt.«

Dorotheas Stimme war mir deutlich in Erinnerung. Der Schlüssel zu Valentines Arbeitszimmer, versteckt, damit ihr Sohn Paul sich nicht an den Büchern vergriff.

Bitter, aber wortlos fluchend ging ich durch den Flur und stieß die nur angelehnte Tür des Arbeitszimmers auf. Der Schlüssel steckte im Schloß. Valentines Heiligtum war so verwüstet wie das übrige Haus; alles Zerbrechliche war zerbrochen, alles weniger Feste zerschnitten, all seine Fotos zerstört.

Sämtliche Bücher waren verschwunden.

Ich öffnete den Schrank, in dem er die Alben mit seinen gesammelten Zeitungsartikeln aufbewahrt hatte.

Sämtliche Regale waren leer.

Betty legte mir zitternd die Hand auf den Arm und sagte: »Dorothea hat mir erzählt, daß Valentine Ihnen seine Bücher vermachen wollte. Wo sind die denn jetzt?«

Bei Paul, dachte ich automatisch. Aber er konnte seiner Mutter nicht solche Verletzungen beigebracht haben. Ein aufgeblasener, großspuriger Mensch, das war er, ja; aber nicht dermaßen bösartig.

Ich fragte Betty: »Wo ist Paul - ihr Sohn?«