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Ich nannte Ziggy den Zeitraum. »Die Pferde müßten heute in vierundzwanzig Tagen hier am Strand sein. Oder aber vierzehn Tage später, in achtunddreißig Tagen. Okay?«

»Ich verstehe«, sagte er.

»Ich schicke einen Agenten nach Norwegen, der die Pferde und den Transport besorgt. Würden Sie ihn begleiten, damit wir auch wirklich die Pferde bekommen, die wir brauchen?«

Er nickte. »Am besten zehn«, sagte er. »Oder zwölf.«

»Schauen sie mal, was Sie finden.«

Moncrieff stand auf und beendete das Frühstück zugunsten der Kunst. Ferne waagerechte Wolkenstreifen woben ein grelleres Rot in den noch grauen Himmel, und während er Kamerageschwindigkeit und Brennweite einstellte, färbten die Streifen sich scharlachrot, orange und golden, bis der ganze Himmel eine atemberaubende Symphonie glühender Farben war, das Vorspiel zur täglichen lebenserhaltenden Drehung der Erde.

Ich hatte den Sonnenaufgang immer gemocht, schon immer neue Kraft durch ihn getankt. Mein Leben lang hatte ich mich betrogen gefühlt, wenn ich den Tagesanbruch verschlief. Die urzeitliche Wintersonnenwende auf der unwirtlichen Ebene von Salisbury hatte mir als Kind schon eine Gänsehaut bereitet, lange bevor ich wußte, warum; und die Anbetung des Sonnenaufgangs war für mich seit jeher der verständlichste Kult der Naturvölker.

Die glühende Kugel erhob sich über den Horizont, und ihr Licht stach uns in die Augen. Die leuchtenden Wolkenstreifen wurden blaßgrau. Die Sonne selbst verlor zwar etwas von ihrem Zauber, aber sie zog einen leuchtenden Pfad über die gekräuselte Meeresoberfläche, und Moncrieff filmte mit ruhigem Atem zufrieden weiter. Nach und nach hörten er und ich im Wind ein tiefes, rhythmisches Summen, das wie eine uralte traurige Melodie klang: und mit einemmal begriffen wir beide und lachten.

Ziggy sang.

Die Küste hier war gefährlich, denn so flach sie aussah, einige Meilen draußen in der See verliefen massive Sandbänke parallel zum Strand; unsichtbare Unterwassergefahren, die den Ahnungslosen zum Verhängnis wurden. Die Friedhöfe in den Küstendörfern waren übersät mit Gedenksteinen für Seeleute, die hier verunglückt waren, als es noch keine genaue Tiefenregistrierung gab.

Zuviel Hintergrundmusik, dachte ich, würde die atmosphärische Eigenart dieser historischen Küste zerstören. Wir brauchten nur den Wind, die Wellen, das Klappern der Pferdehufe und vielleicht Ziggys Lied aus seiner fernen Heimat oder auch eine wehmütige Melodie aus Norwegen, die einem nicht aus dem Kopf ging. Es sollte ja ein Traum sein: Wer hätte schon jemals ganze Orchester im Traum gehört?

Ganz befriedigt ließen wir drei uns nach Newmarket zurückfahren, wo uns in der Hotelhalle die graue Wirklichkeit in der unwillkommenen Gestalt des Herrn Autor, Howard Tyler, empfing.

Howard war nicht zerknirscht, sondern wütend. Die runden Brillengläser blitzten, als wären sie ebenfalls zornig. Der pedantische kleine Mund kräuselte sich unter der Last verletzter Gefühle und ungerechter Behandlung. Howard, der große Schriftsteller, konnte Wutanfälle kriegen wie ein Kleinkind.

Moncrieff löste sich bei seinem Anblick in Luft auf. Ziggy, ganz mit sich selbst beschäftigt, machte sich zu Fuß zur Heide und zu den Pferden auf. Howard verstellte mir berstend vor Empörung den Weg.

»O’Hara sagt, das Studio will mich wegen Vertragsbruch drankriegen!« beklagte er sich. »Das ist nicht fair.«

»Aber Sie haben doch den Vertrag gebrochen«, gab ich zu bedenken.

»Habe ich nicht!«

»Wo hat denn der Drumbeat seine Ansichten her?«

Howard öffnete seine Babylippen und schloß sie wieder.

»Ihr Vertrag«, erinnerte ich ihn, »untersagt Ihnen, mit Außenstehenden über den Film zu sprechen. Ich habe Sie darauf hingewiesen.«

»Aber O’Hara kann mich doch nicht verklagen!«

Ich seufzte. »Sie haben mit einem großen Geschäftsunternehmen abgeschlossen, nicht mit O’Hara persönlich. Das Unternehmen hat eiskalte Anwälte, deren Aufgabe es ist, noch aus den geringfügigsten Vertragsbrüchen soviel Geld wie möglich herauszuschlagen. Das sind keine netten, verständnisvollen Jungs, die Ihnen nachsichtig auf die Schulter klopfen. Die kommen auf Ersatzansprüche, die Ihnen nicht im Traum einfallen würden. Sie haben ein offenes Ohr für Ihr loses Mundwerk gefunden, und ob Sie dem Einspielergebnis damit wirklich geschadet haben oder nicht, man wird so vorgehen, als hätten Sie das Studio Millionen gekostet, und man wird bemüht sein, Ihnen jeden vertraglich zugesicherten Penny wieder abzuknöpfen, und wenn Sie wirklich Pech haben, noch mehr.«

Endlich schien ihm aufzugehen, daß seine Nörgelei ihn teuer zu stehen kommen konnte.

»Dann tun Sie was«, verlangte er. »Sagen Sie ihnen, daß nichts passiert ist.«

»Sie hätten mich um ein Haar nicht nur um diesen Job, sondern überhaupt um alle Arbeit gebracht.«

»Ich habe doch nur gesagt.«, er brach ab.

»Sie haben nur gesagt, ich sei ein überdrehter kleiner Diktator, der das Geld des Studios verschwendet.«

»Ach. das habe ich nicht so gemeint.«

»Das ist fast noch schlimmer.«

»Ja, aber. Sie haben mein Buch verstümmelt. Und als Autor habe ich moralische Rechte.«

Weil er das so triumphierend vorbrachte, statt auch nur die geringste Reue zu zeigen, klang meine Erwiderung vielleicht brutaler, als ich es sonst zugelassen hätte.

Mit schwindender Geduld sagte ich: »Das moralische Recht erlaubt einem Autor, Einspruch gegen wertmindernde Änderungen an seinem Werk zu erheben. Er kann auf seine moralischen Rechte aber auch verzichten, das ist in Verträgen zwischen Drehbuchautoren und Filmgesellschaften stets mitenthalten. Oft wird dem Autor das Recht eingeräumt, als Verfasser ungenannt zu bleiben, doch da man in Ihrem Fall, Howard, gerade für den Namen zahlt, haben Sie auch auf dieses Recht verzichtet.«

Verblüfft fragte er: »Woher wissen Sie das?«

»Ich durfte Ihren Vertrag einsehen. Ich mußte ja wissen, woran wir miteinander sind.«

»Wann?« fragte er. »Wann haben Sie ihn gesehen?«

»Bevor ich selbst den Vertrag unterschrieben habe.«

»Heißt das. vor Wochen schon?« »Vor drei Monaten oder mehr.«

Er sah einigermaßen verwirrt aus. »Was. was kann ich denn dann machen?«

»Beten«, sagte ich trocken. »Aber vor allem könnten Sie mal sagen, mit wem Sie gesprochen haben. Sie könnten mir sagen, wie Sie mit dem >Sterngeflüster<-Schreiber in Kontakt getreten sind. An wen haben Sie sich gewendet?«

»Aber ich.«

Er schien den Tränen nah. »An niemanden. Ich meine, ich hab’s nicht dem Drumbeat erzählt. Wirklich nicht.«

»Wem denn?«

»Bloß einer Freundin.«

»Einer Freundin? Und die Freundin hat’s dem Drumbeat erzählt?«

Er sagte unglücklich: »Ich nehme es an.«

Wir hatten die ganze Zeit in der Halle gestanden, mitten im Montagmorgenbetrieb. Jetzt winkte ich ihn zum Gesellschaftsraum hinüber, und wir suchten uns zwei freie Sessel.

»Ich möchte einen Kaffee«, sagte er und hielt nach einem Kellner Ausschau.

»Trinken Sie den nachher, ich habe keine Zeit. Mit wem haben Sie gesprochen?«

»Das sollte ich, glaube ich, nicht sagen.«

Ich hätte ihn am liebsten geschüttelt. »Howard, ich werfe Sie den Studiowölfen vor. Und außerdem verklage ich Sie persönlich wegen Verleumdung.«

»Sie sagte, Fragen seien nicht verleumderisch.«

»Wer immer sie ist, da liegt sie mindestens halb daneben. Ich möchte weder Zeit noch Energie mit einer Klage gegen Sie verschwenden, Howard, aber wenn Sie nicht ganz schnell mit ein paar Antworten rüberkommen, haben Sie morgen einen Anwaltsbrief in der Post.«