Выбрать главу

Sie kniff die Augen zusammen, stand auf, ging festen Schrittes aus dem Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.

Ihre Mutter hüstelte mit unversöhnlichem Mißtrauen und sagte: »Darf ich fragen, weshalb Sie ein Foto von meiner Schwester haben möchten?«

»Es wäre nützlich, weil ich dann darauf achten könnte, daß die Schauspielerin, die sie im Film darstellt, ihr nicht ähnlich sieht.

Wenn Ihre Schwester zum Beispiel rothaarig war, könnten wir der Schauspielerin eine schwarze Perücke aufsetzen.«

Es war, als müßte man ihr jede Antwort einzeln abringen. Schließlich sagte sie: »Meine Schwester hatte von

Natur aus unauffällig braune Haare. Das gefiel ihr nicht, und sie hat sie in allen erdenklichen Tönen gefärbt. Einmal gab es eine heftige Auseinandersetzung mit meinem Mann, als sie mit einem grünen Bürstenschnitt hier auftauchte.«

Es gelang mir, ein Lächeln zu unterdrücken. »Allerhand«, sagte ich.

»Mir ist egal, was Sie über Sonia sagen«, fuhr sie fort, »aber es stört mich doch sehr, daß Sie meinen Mann und seine Leistungen herabsetzen. Blöd im Kopf! Er war niemals blöd im Kopf. Er war ein vernünftiger und kluger Mensch von makellosem Ruf.«

Und ich brauchte auch nicht zu rätseln, wie er wohl ausgesehen hatte, denn silbergerahmte Fotos von Rupert Vis-borough in wechselndem Alter waren fast überall im Raum verteilt. Er war gutaussehend, rechtschaffen und humorlos gewesen: kein Schalk in den Augen. Ich dachte ein wenig schuldbewußt, daß ich aus Cibber etwas machte, was Visborough niemals gewesen war: ein wilder Stier, der durchdreht bis zur Selbstzerstörung.

Die Wohnzimmertür öffnete sich, und es war nicht Alison, sondern ein wenig anziehender Mann in Reitjacke und Reithose, der hereinkam, als wäre er hier zu Hause, und ein Tablett mit Gläsern und einer einzelnen Flasche Whisky ansteuerte. Er schenkte sich ein Glas Whisky ein und nahm einen Schluck, bevor er mich musterte und auf die Vorstellung wartete.

»Roddy«, sagte Audrey Visborough dann auch automatisch, »das ist Thomas Lyon, der den vermaledeiten Film dreht.«

Roddy Visborough hatte sein Glas vorm Gesicht, so daß ich seinen Ausdruck nicht sehen konnte, aber sein Körper versteifte sich vor Unmut. Es war, wie ich merkte, der

Dressurreiter von der Trainingskoppeclass="underline" ein mittelgroßer Mann, weder dick noch dünn, ohne Ausstrahlung, mit schütterem graubraunem Haar, angehend kahl.

Er ließ das Glas auf Brusthöhe sinken und sagte beleidigend: »Hauen Sie ab.«

Das »ab« hörte sich wie Ahab an.

Audrey Visborough erhob nicht den mindesten Protest. Sie bemerkte lediglich: »Mr. Lyon geht gleich.«

Ihr Sohn kippte den Rest seines Whisky pur hinunter und schenkte sich nach. »Was wollen Sie hier?« sagte er. »Sie regen meine Mutter auf.«

»Ich wollte etwas für Howard Tyler in Ordnung bringen«, erwiderte ich.

»Ach, der.«

Roddy Visborough lächelte verstohlen. »Scheint scharf auf Alison zu sein. Was er bloß an ihr findet?«

Seine Mutter äußerte sich nicht.

Ich dachte bei mir, daß Howard in Alison eine starke Frau mit einer realistischen, nicht allzu rosigen Auffassung vom Leben sah. Es hatte schon unwahrscheinlichere Beziehungen gegeben. Alison selbst kam mit einem weißen Umschlag wieder, den sie mir hinhielt. Ich dankte ihr. Sie nickte verhalten und wandte sich an ihren Bruder: »Wie war die Reitstunde?«

»Die Kleine ist doof.«

»Wir brauchen die Kundschaft.«

»Ich brauche deine Belehrung nicht.«

Alison sah aus, als wäre sie diesen Grad an brüderlicher Liebe gewohnt. Und eher zu meiner Überraschung erklärte sie mir: »Wir bilden Pferde und Reiter für die Vielseitigkeit und fürs Springreiten aus. Wir haben einen Mietstall für Pferde und Ponys.« »Ach so.«

»Ich wohne nicht hier«, sagte Roddy mit unterdrückten Groll. »Ich habe ein Cottage weiter unten an der Straße. Hier arbeite ich nur.«

»Er ist der Springreiter«, sagte Alison, als müßte ich von ihm gehört haben. »Ich beschäftige ihn als Lehrer.«

»Ah«, sagte ich unbestimmt.

»Das Haus hier gehört mir«, sagte Alison. »Papa hat mir unseren Familiensitz testamentarisch vermacht. Mama ist natürlich jetzt mein Gast.«

Vorsichtig schaute ich Alison ins Gesicht. Unter der geschäftsmäßigen Fassade ließ sie mich den Schalk sehen, verdeckt, aber eindeutig, ein schadenfrohes Funkeln äußerster Genugtuung über diese vielleicht süßeste Rache für ein Leben voller Brüskierungen.

Kapitel 10

Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem Stöhnen, und jeder Muskel belehrte mich steif, wie dumm es war, etwas beweisen zu wollen. Ich schleppte mich hinunter zum Wagen, wurde aber in der Halle von Nash, O’Hara und Moncrieff aufgehalten, die sich anscheinend schon besprochen hatten.

O’Hara sagte nicht guten Morgen, er sagte: »Sie sind wahnsinnig, wissen Sie das?«

Ich blickte enttäuscht zu Moncrieff, der meinte: »Ja, ja, nichts ist vertraulich, das sagen Sie ja selbst immer.«

Nash sagte: »Nach zwölf heute nacht, als Sie im Bett waren, hat Moncrieff uns das Video vorgespielt.«

Ich kniff meine schläfrigen Augenlider mit Daumen und Zeigefinger und fragte O’Hara, ob er wie vorgesehen Alisons Brief nach Hollywood gefaxt habe.

Er nickte. »Wenn Howard jetzt bei der Stange bleibt, ist er aus dem Schneider.«

»Gut. Okay, dann zu heute. Es regnet nicht. Wir können wie geplant das Rennen aufnehmen. Das geht nur einmal, also wird jeder, der belichteten Film einlegt oder die Blende falsch zieht, mit verbundenen Augen an die Wand gestellt. Moncrieff, ich bringe Sie allen Ernstes um, wenn Ihre Leute das vermasseln.«

O’Hara sagte: »Haben Sie gestern diesen Fernsehmann, Greg Compass, angerufen?«

Ich dachte zurück und nickte. »Von Huntingdon. Ich konnte ihn nicht erreichen.«

»Er hat Ihnen eine Nachricht hinterlassen. Die Rezeption sagt Sie haben nicht nachgehört.«

Er gab mir einen Zettel, auf dem eine Telefonnummer und eine Zeit, 9.00, stand.

Um neun waren wir mit getrennten Wagen und Fahrern längst wieder auf der Rennbahn von Huntingdon angelangt. Getreu seiner Nachricht meldete sich Greg, als ich anrief, sofort.

Ich sagte: »Ich wollte mich bei dir für Samstag bedanken.«

»Schon gut. Wenn ich recht verstehe, bist du noch am Ruder?«

»So ungefähr.«

Ich erklärte ihm, was wir in Huntingdon drehten, und fragte ihn, ob er Lust habe, seine vertraute Gestalt in die Aufnahmen einzubringen.

»Wann?«

»Heute, morgen oder am Donnerstag. Oder an allen drei Tagen.«

»Zuviel zu tun«, sagte er.

»Dann lassen wir’s.«

»Honorar?«

»Natürlich.«

»Ich komme morgen vorbei.«

Er lachte und legte auf, und ich fragte mich, ob mich das noch eine Sitzreihe kosten würde.

Ich fuhr mit Moncrieff die Bahn ab, um die Kamerapositionen zu prüfen und hier und da das Licht. Abgesehen

von unseren beiden ständigen Teams hatten wir noch drei Kamerawagen gemietet und zwei Kameras für Nahaufnahmen in die Hindernisse eingebaut. Moncrieff selbst würde auf dem Kamerawagen sein, der vor den Pferden herfuhr, und sie frontal filmen. Die letzte gemietete Kamera war oben auf der Tribüne, um aus dieser Perspektive den Ablauf vom Start bis zum Ziel zu verfolgen. Wie immer bei Szenen, die man nur einmal drehen konnte, würde es Pannen geben, aber ich hoffte inständig, daß doch genügend Brauchbares zusammenkam.

Ed hatte die Jockeys angewiesen, auf mich zu warten, und so fand ich sie in der Jockeystube versammelt, ausstaffiert wie für ein normales Rennen. Vierzehn Mann. Keiner fehlte.