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»Morgen«, sagte ich trocken.

»Morgen.«

Niemand redete vom Tag vorher. Ich sagte: »Ich weiß, daß Ed Sie schon instruiert hat, aber wir gehen es kurz noch mal durch. Aus Ihrer Sicht wird es ein Rennen wie die meisten anderen sein. Zwei Meilen Hindernis. Sie gehen an der Startmaschine im Kreis, und der Starter ruft Sie auf. Der Starter ist ein Schauspieler. Er ist gut eingeübt worden, aber wenn er trotzdem patzt, bleiben Sie nicht etwa stehen und machen kehrt. Sie reiten durch.«

Ich hielt inne. »Wie gewohnt stehen an jedem Sprung ein Bahnarbeiter und ein Sanitäter. Die sind echt. Der Krankenwagen ist echt. Wie auch der Arzt. Und auch der Tierarzt. Alle Zuschauer am Geläuf und an den Sprüngen sind Komparsen. Die Zuschauer auf der Tribüne sind Einheimische. Okay soweit?«

Sie nickten.

»Unsere vierzehn Pferde sind einigermaßen fit, aber wie Sie wissen, wurden sie wegen ihrer Sprungsicherheit ausgesucht und billig eingekauft. Sie werden keine Schallmauern durchbrechen, und die drei, die gestern gelaufen sind, stehen heute vielleicht den Kurs nicht durch. Wenn Sie wollen, können Sie gleich auslosen, wer welches Pferd bekommt; eins bis vierzehn wie auf den Nummerndek-ken.«

Ihre Mienen waren geschäftsmäßig. Eine Auslosung war allen recht.

»Das Rennen wird nur gut«, sagte ich, »wenn Sie gut reiten. Sie möchten es Ihrer Familie doch sicher gern auf Band zeigen und sich freuen, wenn Sie es im Kino sehen. Jeder von Ihnen bekommt später noch eine CD oder eine Videoaufnahme.«

»Wer soll gewinnen?« fragte einer.

»Hat Ed Ihnen das nicht gesagt?«

Sie schüttelten die Köpfe.

»Es wird ein echtes Rennen. Wer siegt, der siegt. Seine Farben ziehen wir dann dem Schauspieler an, der den Jok-key in Großaufnahme spielt. Der Schauspieler sieht im Sattel ganz gut aus und kann zur Not auch traben. Tut mir leid, aber er wird in den Farben des Siegers zum Absattelring geführt. Aber, ehm. zum Ausgleich dafür bekommt derjenige von Ihnen, der gewinnt, die üblichen Prozente. Verlassen Sie die Bahn durch das gewohnte Tor. Die Geschlagenen können an gewohnter Stelle absatteln. Ein paar Komparsen agieren da als Besitzer und Trainer. Die Pfleger übernehmen die Pferde. Verhalten Sie sich wie sonst auch. Die ersten vier werden zum Absattelring für den Sieger geführt. Noch Fragen?«

»Was ist, wenn wir stürzen?«

Die Frage kam von Blau.

»Wozu sind Sie denn sonst gekommen?«

Einige lachten, und einige fluchten. Die Spannungen waren weg.

»Viel Spaß«, sagte ich.

Einer fragte: »Und wo werden Sie sein?«

Ich sagte mit hörbarem Bedauern: »Ich sehe vom Boden aus zu.«

Ich schwieg. »Wenn es irgend geht, liefern Sie uns keinen zwingenden Grund für eine Untersuchung. Es steht keine Untersuchung im Drehbuch. Kreuzen Sie möglichst nicht. Okay?«

Ich ging durch den verlassenen Waageraum nach draußen, der an einem echten Renntag von Funktionären und Trainern gewimmelt hätte, und sah einen Augenblick zu, wie die hilfsbereiten Leute von Huntingdon in Scharen eintrafen, alle für den Rennbahnbesuch gekleidet und beeindruckend viele auch mit Ferngläsern ausgerüstet. Ed, sah ich, hatte gute Arbeit geleistet.

Einer vom Aufnahmestab kam und drückte mir einen, wie er sagte, dringenden Brief in die Hand. Ich dankte ihm flüchtig, und er war fort, ehe ich den Umschlag geöffnet hatte.

Ich faltete das inliegende Blatt Papier auseinander und las:

Lassen Sie den Film sein, sonst werden Sie noch heute erstochen.

Zu liebenswürdig.

Es sah aus wie ein Computerausdruck auf anonymem weißem Büropapier.

O’Hara erschien, um ein paar Einzelheiten mit mir zu besprechen, und fragte, was los sei. »Was machen Sie für ein Gesicht?«

Ich zeigte ihm die Nachricht. »Es ist nicht meine erste Morddrohung«, hob ich hervor.

»Die anderen kamen, als der Film schon im Verleih war. Die hier müssen wir ernst nehmen.«

Er schnippte mit dem Fingernagel gegen das Blatt. »Was sollen wir tun?«

»Was schlagen Sie vor?«

»Wenn Sie Ihre Zelte abbrechen«, sagte O’Hara ohne Umschweife, »wird der Film automatisch zurückgestellt. Dann hätten wir Zeit, diesen Irren zu finden und ihn hinter Schloß und Riegel zu bringen.«

»Wir können die Dreharbeiten nicht unterbrechen«, sagte ich. »Nicht nach dem Drumbeat-Artikel und dem Messer auf der Heide. noch so ein Schreck, und die Bosse bekommen eine solche Angst, daß sie den Film endgültig fallenlassen.«

O’Hara dachte das gleiche, sagte aber beunruhigt: »In dem Brief steht nicht nur, daß Sie erstochen werden, sondern daß es heute passiert.«

»Mhm.«

»Thomas, tot nützen Sie uns nichts.«

»Mir kommt es vor«, sagte ich, ein wenig über seinen Pragmatismus lächelnd, »als ob der Absender des Briefes mich nicht unbedingt töten, sondern vielmehr den Film verhindern will, ohne drastische Maßnahmen ergreifen zu müssen. Wenn es darum ginge, den Film zu verhindern, indem man mich umbringt, warum tut er - oder sie - es nicht einfach? Wozu erst das dramatische Geplänkel? Wir pfeifen drauf und machen weiter.«

»Zumindest stelle ich Ihnen einen Bodyguard, wie Nash.«

Nash wurde an diesem Tag nicht von einem, sondern von zwei Bodyguards begleitet, aber ich erinnerte O’Hara daran, daß wir die beiden gut kannten.

»Wenn Sie jetzt einen Fremden einstellen, riskieren Sie gerade das, was Sie vermeiden wollen«, sagte ich. »In klassischen Fällen sind es die Leibwächter selbst, die das Opfer töten.«

Ich griff zu einer Lüge, von der ich hoffte, sie möge sich als wahr erweisen, und sagte: »Ich glaube nicht, daß ich groß in Gefahr bin, also vergessen Sie’s einfach.«

»Leicht gesagt.«

Dennoch beruhigte ihn meine Einstellung ein wenig.

»Heben Sie den Brief auf«, sagte ich, »und auch den Umschlag.«

Ich gab ihn ihm. »Jetzt wollen wir weiterdrehen.«

»Das gefällt mir trotzdem nicht.«

Mir gefiel es auch nicht besonders, aber eine Morddrohung loszulassen erforderte wenig Organisation, wenig Mut, und um jemanden zu erstechen, brauchte man beides.

Das für Nash bestimmte Messer war ungeschickt fallen gelassen worden. Klammere dich daran. Vergiß - um Himmels willen vergiß - Dorotheas bloßliegende Eingeweide.

»Wer hat Ihnen den Brief gegeben?« fragte O’Hara.

»Ein Arbeiter. Ich habe ihn schon gesehen, aber ich weiß nicht, wie er heißt.«

Man kam nie dazu, sich die Namen der sechzig bis hundert Leute, die bei Außenaufnahmen mitwirkten, einzuprägen. Ich wußte noch nicht einmal die Namen der Pferde, weder ihre eingetragenen noch die, die ihnen die Pfleger gaben, noch die erfundenen, die sie im Film hatten. Ich kannte weder die Jockeys noch die Komparsen mit Namen. Gesichter merkte ich mir leicht, ob von Pferden, von Jockeys, von Schauspielern: Mein Gedächtnis war immer schon vorwiegend visuell ausgerichtet gewesen.

Eine Zeitlang vergaß ich die Morddrohung: Es gab zuviel zu tun.

Wie immer bei Szenen mit mehreren hundert Leuten dauerte es eine Ewigkeit, bis das Rennen gestellt war. Endlos prüfte ich über Sprechfunk die Situation an den weiter entfernten Bahnabschnitten, aber gegen Mittag schien endlich alles bereit zu sein. Die Pfleger holten die Pferde aus dem Stall, und die Jockeys sprangen auf ihre ausgelosten Starter und galoppierten auf.

Ich entschloß mich, bei Moncrieff auf dem Kamerawagen mitzufahren, um näher am Geschehen zu sein - und um meine feige Haut zu schützen, gestand ich mir insgeheim ein.

Ed animierte über Lautsprecher die Huntingdoner Massen, Renntagsgesichter aufzusetzen und das Finish zu bejubeln. Daß die Ansage flachfallen würde, hatten wir erklärt; sie mußten wir später gesondert aufnehmen. Wie auch immer, betonte Ed, jubeln Sie dem zu, der siegt.

Ed war es schließlich auch, der »Und bitte« rief, das über die ganze Tribüne hallende Kommando, und ich flehte mit erhöhtem Puls unbekannte Gottheiten um Vollkommenheit an.