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Natürlich lief nicht alles glatt. Eine der gemieteten Kameras blockierte, und eine von den beiden, die in die Hindernisse eingebaut waren, wurde von einem Pferdetritt ins Jenseits befördert, doch der Start ging in Ordnung, und es war von Anfang an erfreulich klar, daß meine Quasikollegen sich Mühe gaben.

Sie hatten mich auf dem Wagen gesehen, als er für den Start in Stellung gebracht wurde; auf dem als Aussichtspunkt idealen Dach des Fahrerhauses. Sie hatten mir zugewinkt, als wollten sie mich ihrer Loyalität versichern -und sie ritten wirklich die zwei Meilen mit vollem Einsatz.

Einen Großteil des Weges fuhren wir den Wagen so, daß die Kamera kaum zwei Meter von den Köpfen der führenden Pferde entfernt war, dann beschleunigten wir und gingen weiter weg, dann wieder näher ran, mit wechselndem Kamerawinkel.

Zwei Pferde stürzten im zweiten Durchgang auf der Gegengeraden. Ich schaute besorgt hin, doch beide Jockeys standen auf, und die reiterlosen Pferde zeigten als nicht im voraus geplanter Effekt schließlich nur, daß es sich um einen echten Wettkampf handelte.

Die anderen Reiter sorgten im Schlußbogen wieder für Druck, und wieder gingen sie in vollem Tempo über die letzten beiden Sprünge und setzten alles daran zu gewinnen. Der Endkampf war noch schneller und enger als am Tag vorher, doch Blau, Grün-weiß-gestreift und Gelb kamen erkennbar als die ersten drei durchs Ziel, und als der Wagen verlangsamte, hörte ich das Publikum ihnen zujubeln, als hätten sie ihr letztes Hemd auf sie gewettet. Diese Jockeys waren mit einem so gewaltigen Mut geritten, daß mir die Spucke und die Luft wegblieben; ich war hellauf begeistert, erfüllt von größter Bewunderung.

Als sie ihre müden Pferde zum Absattelring führten, filmte eine andere Kamera Moncrieffs sie wie vereinbart weiter. Ich konnte nicht in die Aufnahme laufen, um mich bei ihnen zu bedanken, und Dank, in gleich welcher Form, wäre auch unzureichend gewesen.

»Teufel«, rief Moncrieff aus, der die Geschwindigkeit und das eiserne Engagement ganz aus der Nähe mitgekriegt hatte. »Und das machen die berufsmäßig?«

»Tagaus, tagein, jeden Nachmittag ein paarmal.«

»Verrückt.«

»Da geht nichts drüber«, sagte ich.

Wir hüllten den Jockeymimen in Blaus Farben und ließen ihn unter dem Beifall einer gemischten Schar von Komparsen und Einheimischen zum Absattelring führen. Das Absatteln mußte gefilmt werden, solange die Pferde noch dampften und schwitzten und vom Rennen erregt herumtrampelten. Wir filmten Nash, wie er den Hals des Siegers tätschelte. Wir filmten den Jockeymimen, wie er den Sattelgurt löste und sich für meinen Geschmack dabei viel zu ungeschickt anstellte. Wir filmten die vier Pferde, wie die Pfleger ihnen Decken auflegten und sie davonführten; und wir gingen in die Mittagspause.

Nash gab, vom Bodyguard bewacht, gutmütig einen Haufen Autogramme, vorwiegend auf den Rennprogrammen, die wir massenhaft verteilt hatten.

O’Hara erschien wieder an meiner Seite und sagte mir ins Ohr: »Zufrieden?«

»Und Sie?«

»Nash und ich haben uns das Rennen von der Rennleitungsloge aus angesehen. Nash sagt, die drei erstplazierten Jockeys haben mehr als ihre Pflicht getan.«

»Das stimmt.«

»Er sagt, so haut es erst richtig rein, daß sein Pferd über Cibbers Pferd siegt.«

»Cibber klinkt aus.«

»Es gibt ihm den Rest?«

»Beinah. Cibber kann es nicht ertragen, daß sein bestes Pferd von dem Mann, den er haßt, auf den zweiten Rang verwiesen wird.«

»Beim Lesen der Neufassung dachte ich erst, Howard hätte den Haß übertrieben. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ein Rennen solche Abgründe aufreißt.«

»Haß kann eine ganze Seele zerfressen.«

»Mag sein. Aber um das zu zeigen, brauchten Sie ein Ausnahmerennen.«, seine Stimme verlor sich einen Moment lang, »und ich denke, das haben Sie auf Ihre Art auch bekommen.«

Ich lächelte ein wenig. »Gehen wir was essen.«

»Sie essen in der Rennleitungsloge mit Nash und mir. Ist Ihnen klar, daß ich mich gerade von hinten an Sie ranschleichen und Ihnen ein Messer in die Rippen hätte jagen können? Ist Ihnen klar, daß ungefähr dreihundert Unbekannte hier herumlaufen?«

Es war mir klar. Ich ging mit ihm und speiste oben in sicherer Höhe.

Bis wir zum Weiterarbeiten wieder nach unten kamen, hatte einer von Eds Assistenten den Mann aufgetrieben, der den Brief gebracht hatte. Irgendein Kind hatte ihn ihm gegeben. Welches Kind? Unsicher sah er sich um. Es wimmelte von Kindern. Der Mann konnte sich weder an Alter, Geschlecht noch Kleidung erinnern. Er war mit dem Ausladen der Dekoration für den nächsten Tag beschäftigt gewesen.

»Mist«, sagte O’Hara.

Jemand anders vom Aufnahmestab kam und hielt mir eine Karte hin, als wagte er kaum, mich deswegen zu stören. »Eine Familie Batwillow sagt, Sie erwarten sie.«

Er blickte zu der kleinen Gruppe hinüber: Jackson Wells, seine Frau und Lucy und ein Mann, den ich nicht kannte.

Ich nahm die Karte und winkte sie zu mir und konnte zu O’Hara nur gerade noch sagen: »Das ist der echte Mann unserer Erhängten«, bevor wir uns schon die Hände schüttelten. Sie waren für den Rennbahnbesuch gekleidet, und Jackson Wells selbst, in Tweed und Trilby, sah auf undefinierbare Weise mehr wie ein Trainer als wie ein Farmer aus. Er stellte den Fremden als »Ridley Wells, mein Bruder« vor. Ich drückte eine ledrige Hand.

Ridley Wells war insgesamt blasser als Jackson, der Gesichtsfarbe wie der Persönlichkeit nach, und er schien mir auch weniger intelligent zu sein. Er blinzelte viel. Er war in Reitkleidung, als sei er direkt von der Arbeit gekommen, die, so Jackson zu O’Hara, darin bestand, »schwierigen Pferden Manieren beizubringen«.

Ridley nickte und sagte klagend, mit stärkerem mundartlichem Einschlag als sein Bruder: »Ich bin bei jedem Wetter draußen auf der Newmarketer Heide, aber es ist ein undankbarer Job. Ich reite besser als die meisten Leute und werde unter Wert bezahlt. Können Sie mich nicht bei Ihrem Film gebrauchen?«

Jackson schüttelte resigniert den Kopf über Ridleys selbstmitleidige Haltung. O’Hara sagte, es sei leider nichts mehr frei. Ridley schaute drein, als habe man ihn schlecht behandelt; ein gewohnheitsmäßiger Ausdruck, nahm ich an. Mir wurde klar, warum Jackson von der Idee, Ridley heute mitzubringen, nicht begeistert gewesen war.

Jackson hatte offenbar noch das alte geschulte Trainerauge, denn nach einigen Höflichkeitsfloskeln meinte er: »Ihre Jockeys sind ganz schön rangegangen. Das war aufregender als die meisten normalen Rennen.«

»Das haben Sie mitgekriegt?« fragte O’Hara interessiert. »Haben Sie den Jubel nicht gehört? Der war nicht gespielt. Man hat uns zwar gesagt, wir sollten dem Sieger zujubeln, aber der Beifall kam ganz von selbst.«

»Allerdings«, sagte O’Hara, der selbst kein Pferdemensch war. Er sah meine Gäste nachdenklich an und sagte spontan zu mir: »Lassen Sie sich ruhig weiter von der Familie Batwillow begleiten, ja?«

Beschützen, meinte er.

Er wußte nicht, daß Jackson Wells mir gesagt hatte, ihm wäre es lieber, der Film würde nicht gedreht. Bei seiner

Frau und seiner Tochter fühlte ich mich jedoch sicher, und so drapierte ich sie wie einen lebenden Schild um mich, Mrs. Wells an dem einen Arm, Lucy am anderen, und ging mit ihnen allen zu Nash.

Obwohl Nash den Mann, den er darstellte, nicht hatte kennenlernen wollen, stellte ich sie ohne Trara einander vor: »Jackson Wells - Nash Rourke«, und sah zu, wie reserviert sie sich die Hand gaben.

Äußerlich waren sie einander nicht ganz unähnlich: die gleiche Statur, die gleiche Altersklasse, die gleiche kräftige Gesichtsmuskulatur. Jackson war blond und von sonniger Offenheit, Nash dagegen dunkelhaarig und als langjähriger Megastar aus Selbstschutz argwöhnisch. Lockerer im Umgang mit den Damen, signierte Nash Rennprogramme für Frau und Tochter Wells und gewann mühelos ihre Herzen. Er gab auch Ridley ein Autogramm, fand aber keinen Draht zu ihm.