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Mittlerweile wurden die Pferde im Ring herumgeführt, alle standen an den vorgesehenen Plätzen, und wir filmten den Einzug der Jockeys. Wunderbarerweise gingen alle zu den richtigen Gruppen, tippten den Besitzern zum Gruß an ihre Kappen, unterhielten sich zum Schein, schauten die Pferde an, benahmen sich wie Jockeys. Der Jockeymime in Blau trat zu Nash. Grünweißgestreift ging zu Cibber. Niemand stolperte über Kabel, niemand lief aus Versehen in die Aufnahme, niemand fluchte.

»Halleluja«, atmete Moncrieff neben mir auf, als Ed »Aus« rief.

»Und kopieren«, setzte ich hinzu. »Und das Ganze noch mal.«

Wir hielten Mittagspause. Nash gab in der Mitte des Führ-rings einer artigen, aber schier endlosen Reihe von Leuten Autogramme. Ein Assistent von Ed dirigierte die Schlange, O’Hara, ein Leibwächter und die Löwin bildeten einen menschlichen Schutzwall um den Rücken des Megastars.

Nash, O’Hara und ich aßen wieder hoch oben in der Loge der Rennleitung.

Von den Drohungen um den Film einmal abgesehen, konnte man mit dem Morgen zufrieden sein; wir wußten alle, daß die Aufnahmen gut gelaufen waren.

O’Hara sagte: »Howard ist hier, wußten Sie das?«

»Howard!« rief Nash ungehalten.

»Ein sehr stiller Howard«, erläuterte O’Hara mit grimmiger Belustigung. »Howard ist jetzt Wachs in unseren Händen.«

«Ich glaube nicht, daß sich seine Ansichten geändert haben«, sagte ich. »Er hat Angst bekommen. Deswegen hält er den Mund. Ich würde das einen verkorkten Vulkan nennen. Er steht garantiert leidenschaftlich hinter dem, was er Alison Visborough verbraten hat. Sie war davon so beeindruckt, daß sie mit seinen Meckereien zu ihrer Bekannten vom Drumbeat gelaufen ist, und was er ihr gesagt hat, ist noch immer seine Überzeugung.«

»Aber«, wandte O’Hara ein, »er will doch den Film wohl nicht wirklich verhindern?«

»Das volle Honorar für sein Drehbuch ist mit den ersten Standfotos fällig geworden - am ersten Drehtag in Newmarket. Das ist ja normal, und es steht in seinem Vertrag. Ob wir ihn fertigstellen oder abbrechen, ihm bringt der Film keinen Penny mehr, wenn er nicht gerade Milliarden einspielt. Und ich glaube, er will mich immer noch raushaben. Er ist nach wie vor überzeugt, daß ich ihm seinen Bestseller zerstückele.«

»Tun Sie ja auch«, lächelte Nash.

»Ja. Ohne einen guten Metzger gibt’s kein gutes Fleisch.«

Die Antwort gefiel O’Hara. »Das werde ich Howard mal sagen.«

»Lieber nicht«, meinte ich, bezweifelte aber, ob ihn das bremsen würde.

O’Haras Mobiltelefon summte, und er meldete sich. »Bitte? Wie war das? Ich kann Sie nicht verstehen. Sprechen Sie langsamer.«

Er hörte noch einen Moment lang zu und gab dann mir den Apparat. »Es ist Ziggy«, sagte er. »Reden Sie mit ihm. Er spricht mir zu schnell.«

»Wo ist er?« fragte ich.

O’Hara zuckte die Achseln. »Er ist gestern morgen nach Norwegen geflogen. Ich habe einem Agenten erklärt, was Sie brauchen, und er ist gleich mit ihm los.«

Ziggy s Stimme am Telefon ratterte wie Maschinengewehr-Feuer, und die Wörter kamen genauso schnell herausgeschossen.

»He«, sagte ich nach einer Weile, »hab ich das richtig verstanden? Sie haben zehn halbwilde Fjordpferde gefunden, aber die müssen sofort hergebracht werden?«

»Sie können weder in vierundzwanzig Tagen noch in achtunddreißig. Dann sind sie nicht frei. Für den richtigen Gezeitenstand sind sie nur nächste Woche frei. Sie kommen mit der Fähre am Montag von Bergen nach Imming-ham.«

»Newcastle«, korrigierte ich.

»Nein. Die Fähre von Bergen geht zwar normalerweise nach Newcastle, aber Pferde müssen nach Immingham. Ist auch günstiger für uns, sagen sie. Es liegt an der Humber. Sie reisen am Sonntag von Bergen ab, begleitet von einem Trainer und fünf Pflegern. Sie kommen alle mit großen Pferdetransportern und bringen auch das Futter für die Tiere mit. Sie können Mittwoch und Donnerstag arbeiten und müssen Freitag zurück nach Immingham. Das ist alles schon geregelt, Thomas. Gut so?«

»Hervorragend«, sagte ich.

Er lachte fröhlich. »Gute Pferde. Ohne Zaumzeug bewegen sie sich wie Wildpferde, aber sie sind trainiert. Wie Sie wünschen, habe ich eines ohne Sattel geritten. Die sind ideal.«

»Fabelhaft, Ziggy.«

»Der Trainer möchte wissen, wo wir von Immingham aus hinmüssen.«

»Ehm. wollen Sie mit ihnen fahren?«

»Ja, Thomas. Diese Woche bleibe ich bei dem Trainer. Ich schaue mir an, wie er mit den Pferden umgeht. So lernen sie mich kennen. Ich arbeite auch schon mit blonder Perücke und Nachthemd. Das ist geregelt. Dann werden die Pferde nicht mehr erschrecken. Gut so?«

Ich war praktisch sprachlos. Gut war gar kein Ausdruck. »Sie sind ein Genie«, sagte ich.

Er sagte bescheiden: »Ja, Thomas, ich weiß.«

»Wo die Pferde hinsollen, kläre ich noch. Rufen Sie mich am Samstag noch mal an.«

Er verabschiedete sich aufgeregt, ohne mir eine Nummer zu geben, unter der ich ihn zurückrufen konnte, doch ich nahm an, im Notfall würde mir der Agent weiterhelfen. Ich gab Ziggys Neuigkeit an O’Hara und Nash weiter und sagte, wir müßten den Drehplan für die kommende Woche umstoßen, das werde aber kein großes Problem sein.

»Nächste Woche kommt die Darstellerin der Erhängten«, erinnerte mich O’Hara. »Wir müssen ihre Szenen komplett in vierzehn Tagen abdrehen.«

Ich würde mit ihr an den Strand gehen, überlegte ich. Das Nachthemd würde durchscheinend im Licht des Sonnenaufgangs flattern. Ich würde sie ans Meeresufer stellen und Ziggy für sie auf dem Pferd galoppieren lassen. Geisterhaft. Unwirklich. In ihrem Kopf.

Bete um einen Sonnenaufgang.

»Sonia«, sagte ich.

»Yvonne«, berichtigte O’Hara. »Wir sollten bei Yvonne bleiben. So heißt sie im Roman und im Drehbuch.«

Ich nickte. »Howard bringt das alte Erhängtenklischee mit den in der Luft baumelnden Beinen und Schuhen und schockierten Betrachtern. Aber ich hab schon was anderes im Kopf.«

O’Hara schwieg. Nash schauderte.

»Bloß nichts zu Brutales«, sagte Nash schließlich. »Sonst fliegt die Szene ja doch raus.«

»Geschmackvoll grausig soll es sein?«

Sie lachten.

»Sie hat wirklich gehangen«, sagte ich.

Eine der ersten, die ich sah, als wir wieder nach unten kamen, war Lucy Wells im Streit mit einem Mann, der ihr den Weg versperrte. Ich ging zu ihnen und fragte, was los sei.

»Der Mann hier«, sagte Lucy erregt, »hat angeblich Anweisung, niemand in Ihre Nähe zu lassen.«

O’Haras Order, erklärte der Mann. Ich beruhigte ihn bezüglich Lucy, nahm sie beim Arm und entführte meine Beute.

»Ich dachte, Sie wollten heute nicht kommen«, sagte ich.

»Papa hat sich’s anders überlegt. Er ist mit Mama wieder hier. Und Onkel Ridley auch. Keine zehn Pferde könnten ihn davon abhalten, hat er gemeint.«

»Ich freue mich, Sie zu sehen.«

»Tut mir leid, daß ich so schroff war.«

Ich lächelte ihr in die blauen Augen. »Ein kluges Kind.«

»Ich bin kein Kind.« »Bleiben Sie bei mir«, sagte ich. »Ich sage Moncrieff, daß es okay ist.«

»Wer ist Moncrieff?«

»Der Chefkameramann. Sehr wichtiger Mensch.«

Sie sah mich zweifelnd an, als ich sie mit dem Zottelbart in der Erdbebenopfermontur bekannt machte; und er fand, nachdem er uns einen altmodischen Seitenblick zugeworfen hatte, Gefallen an ihr und nahm ihre Anwesenheit ohne zu schimpfen hin.

Sie sah farbenfroh aus in ihrer roten Jacke über sauberen neuen Bluejeans, und eine wache Intelligenz lag in den aufmerksamen Augen und dem festen, ruhigen Mund. Sie verfolgte das Geschehen ohne sinnloses Geplapper.

»Ich habe Papa von dem Messer erzählt«, sagte sie mir nach einer Weile.