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»Und was hat er dazu gemeint?«

»Komisch, das waren genau seine Worte. Er sagte: >Und was hat er dazu gemeint?««

»So?«

Ich betrachtete ihr argloses Gesicht. »Und was haben Sie gesagt, was ich dazu gemeint habe?«

Sie zog die Stirn kraus. »Ich habe ihm gesagt, daß es ein schönes Messer war, aber daß Sie gar nichts weiter dazu gesagt haben. Und daß der Produzent O’Hara nicht gerade erbaut darüber war und daß ich nicht wußte, warum.«

»O’Hara mag keine Messer«, sagte ich, um die Sache abzutun.

»Ach so. Papa sagte, es wäre vielleicht, weil jemand versucht hat, Nash Rourke mit dem Messer zu verletzen, wie er im Radio gehört hat, nur daß er an Nashs Double statt an Nash geraten ist.«

»Deswegen auch«, gab ich zu.

»Papa sagt, Regisseure haben kein Double«, neckte sie mich arglos, »und man erkennt sie überhaupt nur, wenn sie einem gezeigt werden.«

»Oder wenn sie zu einem nach Hause kommen.«

»Ach Gott ja. Ist das Foto von Sonia gut geworden?«

»Bestimmt, aber ich bekomme es erst heute abend zu sehen, wenn ich wieder in Newmarket bin.«

Sie sagte zögernd: »Ich habe Pa nichts davon gesagt. Es wäre ihm wirklich nicht recht.«

»Von mir hört er nichts. Die Darstellerin der Yvonne -das ist Nashs Frau im Film - dreht ab nächster Woche. Ich verspreche, daß sie nicht wie auf dem Foto aussehen wird. Da gibt’s keine unliebsame Überraschung für Ihren Vater.«

Sie lächelte froh und dankbar, freigesprochen von ihrer kleinen Schwindelei. Ich hoffte, daß ihr nichts Schlimmes zustoßen würde, aber dagegen ist im Leben ja niemand gefeit.

Auf dem Nachmittagsdrehplan stand als erstes die letzte Totale von dem Publikum am Führring, dann das Aufsitzen der Jockeys und ihr Hinausgehen auf die Bahn. Auch wenn es nachher nur Beiwerk für das menschliche Drama war, mußten die Renntagssequenzen der Authentizität wegen doch in sich stimmen. Wir stellten die BesitzerTrainer-Gruppen wieder wie zuvor auf und ergänzten sie durch den jeweiligen Jockey. Moncrieff prüfte die drehbare Kamera und bugsierte Lucy sanft aus der Aufnahme.

Nash kam mit einem Troß von Bewachern in den Ring und machte einen Schlenker, um mir mitzuteilen, daß ein Bekannter mich suche.

»Wer?« fragte ich.

»Ihr Fernsehmann von Doncaster.« »Greg Compass?«

Er nickte. »Vor dem Waageraum. Er hat sich mit den Jockeys unterhalten. Er sagt, er wartet da auf Sie.«

»Prima.«

Wir probten die Aufsitzszene zweimal und filmten sie dreimal aus zwei Kamerawinkeln, bis die Pferde unruhig wurden, dann baten wir die Einheimischen, vor die Tribüne zu gehen, um den Pferden beim Aufkantern zuzuschauen.

Während des unvermeidlichen Hin und Hers, bis die Kamera eingerichtet war, ließ ich Lucy bei Moncrieff und ging zum Waageraum, um Greg zu treffen, der, gekleidet in einen teuren Anzug, die Freundlichkeit selbst war und überaus empfänglich für meinen Vorschlag, sich ein unverhofftes Zubrot zu verdienen, indem er kurz in seine gewohnte Rolle schlüpfen und den Trainer des Siegers interviewen sollte; mit anderen Worten: Nash.

»Das gibt nur ein paar Sekunden auf der Leinwand«, sagte ich. »Gerade genug, um dein hübsches Gesicht vorzuführen.«

»Hört sich gut an.«

Er war belustigt und höflich; liebenswürdig.

»In einer halben Stunde?«

»Abgemacht.«

»Weißt du übrigens von damals noch was über den Trainer - den Mann der Erhängten aus unserem Epos?«

»Jackson Wells?«

»Ja. Er ist heute persönlich hier. Mit seiner jetzigen Frau. Uni seiner Tochter. Und seinem Bruder.«

»Vor meiner Zeit, Alter.«

»Aber nicht lange«, versicherte ich ihm. »Du mußt so sechzehn gewesen sein, als Jackson das Trainieren aufgab.

Bald darauf bist du dein erstes Rennen geritten. Hast du also von den älteren Jockeys vielleicht mal. irgendwas gehört?«

Er sah mich spöttisch an. »Ich müßte lügen, wenn ich behaupten wollte, ich hätte seit vorigem Samstag nicht darüber nachgedacht. Soweit ich weiß, ist das Buch Unsichere Zeiten sentimentaler Quatsch. Die Jockeys, die die echte Yvonne gekannt haben, waren keine Traumliebhaber, das war ein Haufen geiler Draufgänger.«

Ich lächelte.

»Du hast es gewußt?« fragte er.

»Es liegt irgendwie nahe. Im Film bleiben sie trotzdem Traumliebhaber.«

Ich hielt inne. »Weißt du noch Namen? Weißt du zufällig, wer?«

»Bis ich in der Jockeystube trocken hinter den Ohren war, hat kein Mensch mehr was gesagt. Alle hatten Angst, in einen Mord reingezogen zu werden. Das Schweigen im Walde.«

Er hielt inne. »Wenn Jackson Wells heute wirklich hier ist, würde ich ihn gern kennenlernen.«

»Seine Tochter sagt, er ist da.«

Ich enthielt mich der Frage, warum er Jackson Wells kennenlernen wollte, aber er sagte es mir trotzdem. »Gutes TV. Fesselt die Couchgemeinde. Gute Werbung für deinen Film.«

»Jackson Wells legt keinen Wert auf den Film.«

Greg grinste. »Um so besser, mein Alter.«

Ich kehrte mit Greg im Schlepptau zu Moncrieff zurück und verlor Lucys Aufmerksamkeit prompt an den geölten Charme des Kommentators. Lucy versprach atemlos, ihn zu ihrem Vater zu bringen, und als sie gegangen waren, machten Moncrieff und ich uns wieder an die Arbeit.

Wir drehten die Szenen, in denen die Pferde aufs Geläuf hinausgehen und zum Start kantern. Ein Pferd ging durch. Ein Sattel rutschte, so daß der Reiter zu Boden fiel. Eine gemietete Kamera blockierte. Das Publikum wurde unruhig, die Jockeys regten sich auf, und Moncrieff fluchte.

Schließlich bekamen wir es hin.

Ich ging ausgepumpt wieder zum Waageraum und fand dort O’Hara im Gespräch mit Howard.

Howard hatte zu meiner Verblüffung seine drei Freunde dabei - Mrs. Audrey Visborough, ihre Tochter Alison und ihren Sohn Roddy.

O’Hara warf mir einen wirren Blick zu und sagte: »Mrs. Visborough möchte, daß wir aufhören, den Film zu drehen.«

Ich sagte zu Howard: »Sind Sie beknackt?«, was vielleicht nicht taktvoll war, aber meinen Ärger auf den Punkt brachte. Ich hatte Angst gehabt, ein Stilett ins Herz zu bekommen, und Howard kam mit diesen Clowns an.

Alle drei trugen jedoch gängige Renntagskleidung, keine spitzen weißen Hüte, Bommeln und Pappnasen. Audrey Visborough stützte sich auf ihren Stock und setzte ihre Beschwerde fort.

»Ihr Regisseur Thomas Lyon«, ein giftiger Blick traf mich, »hat offensichtlich weder die Absicht, auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren noch auf die Herstellung dieses sich Film nennenden Machwerks zu verzichten. Ich ersuche Sie, ihm auf der Stelle Einhalt zu gebieten.«

Howard scharrte mit den Füßen und sagte hilflos: »Ehm. Audrey.«

O’Hara, der sich erstaunlich zurückhielt, sagte ihr, er persönlich habe nicht die Macht, den Film zu stoppen (obwohl er sie vermutlich hatte), und sie möge ihre Einwendungen doch bitte schriftlich an die Bosse der Filmgesellschaft richten, mit anderen Worten: an die Chefetage.

Sie erklärte, das werde sie tun, und verlangte Namen und Adressen. O’Hara gab ihr entgegenkommend zwei oder drei Visitenkarten und einige nützliche, begütigende Ratschläge, die aber an ihr vorbeigingen. Audrey Visbo-rough fühlte sich durch die Handlung des Films persönlich in unverzeihlicher Weise beleidigt, und sie würde nur zufrieden sein, wenn der Film in der Versenkung verschwand.

Alison stand neben ihr und nickte. Roddy schien zwar halbwegs ihre Auffassung zu teilen, doch nach den Blik-ken, die er seiner Mutter zuwarf, hatte er offenbar weniger Not mit der gemeinen Unterstellung, daß sie auch nur erwogen haben könnte, mit dem unsäglichen, so gar nicht standesgemäßen Jackson Wells ins Bett zu gehen.

Ich sagte zu Howard: »Wie kommen Sie dazu, die Leute mit hierher zu bringen?«

»Ich konnte sie nicht zurückhalten«, sagte er grantig. »Und natürlich kann ich auch verstehen, wenn Audrey meint, daß Sie sie regelrecht krank machen.«