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»Sie waren mit den Storyänderungen einverstanden«, hob ich hervor. »Und die Liebesszenen zwischen Nash und Silva haben Sie selbst verfaßt.«

»Aber es sollten leise Szenen im Wohnzimmer sein, kein kopfloses Gerammel.«

Seine Stimme triefte von Selbstmitleid. »Ich wollte den Visboroughs mit dem Film eine Freude bereiten.«

Mit neuerlichen Gewissensbissen dachte ich daran, daß seine Probleme mit Audrey Visborough noch nicht auf dem Höhepunkt angelangt waren.

Ich sagte zu ihrer Tochter Alison: »Hätten Sie Lust, sich anzusehen, wie eine Szene gedreht wird?«

»Ich?«

Sie war überrascht und warf ihrer Mutter einen Blick zu, ehe sie antwortete. »Damit kriegen Sie uns aber nicht rum. Der Film ist eine Schande.«

Als ich ungehalten einen Schritt wegging, kam sie jedoch hinter mir her.

»Wo willst du hin?« fragte ihre Mutter scharf. »Ich brauche dich hier.«

Alison blickte mich düster an und sagte: »Ich bearbeite Mr. Lyon.«

Sie ging entschlossen neben mir her, nüchtern in Tweedkostüm und flachen Schuhen, jederzeit bereit, sich ernsthaft für eine gerechte Sache einzusetzen.

»Papa«, sagte sie, »war ein guter Mensch.«

»Bestimmt.«

»Er hat es sich nicht leicht gemacht«, führte sie beifällig aus. »Ein Mann mit Grundsätzen. Einige Leute fanden ihn langweilig, ich weiß, aber mir war er ein guter Vater. Er war der Meinung, daß Frauen durch die alte englische Tradition, den Familienbesitz vorwiegend unter die Söhne zu verteilen, stark benachteiligt werden, und deshalb hat er mir das Haus vererbt.«

Sie schwieg. »Rodbury war wütend. Er ist drei Jahre älter als ich, und er war davon ausgegangen, daß alles an ihn fällt. Sie waren immer großzügig zu ihm. Papa hat ihm seine ganzen Springpferde gekauft und nur darauf bestanden, daß Rodbury mit Reitunterricht selbst seinen Lebensunterhalt verdient. Das fand ich auch ganz vernünftig, denn Papa war kein Krösus. Er hat sein Geld unter uns dreien aufgeteilt. Wir sind alle nicht vermögend.«

Sie schwieg wieder. »Sie fragen sich bestimmt, warum ich Ihnen das alles erzähle. Ich möchte, daß Sie Papas Andenken gerecht werden.«

Das konnte ich nicht, wenigstens nicht so, wie sie es wünschte.

Ich sagte: »Betrachten Sie den Film als eine Geschichte, die von erfundenen Personen handelt, nicht von Ihren Eltern. Es sind nicht Ihre Eltern. Es sind Phantasiegestalten.«

»Das wird Mama nicht einsehen.«

Ich ging mit ihr in den Führring, wo Moncrieff wie immer mit Lichtsetzen beschäftigt war.

»Ich zeige Ihnen mal zwei Personen«, sagte ich zu Alison. »Sagen Sie mir, was Sie von denen halten.«

Sie sah verwirrt aus, folgte aber mit den Augen meinem Finger, der auf ein in der Nähe stehendes Paar wies, und betrachtete emotionslos erst Cibber, ernst, um die Fünfzig, dann die reizende junge Silva in ihrem gut geschnittenen Mantel, den blanken, eng anliegenden Stiefeln und der betörenden Pelzmütze.

»Und?« fragte Alison. »Die sehen ganz nett aus. Wer ist das?«

»Mr. und Mrs. Cibber«, sagte ich.

»Was?«

Sie fuhr halb wütend zu mir herum. Dann entschied sie sich gegen eine direkte Tätlichkeit, drehte sich nachdenklich wieder um und schaute einfach.

»Hinter ihnen«, sagte ich, »steht Nash Rourke. Er spielt die Figur, die frei auf Jackson Wells basiert.«

Alison starrte sprachlos den breitschultrigen Herzensbrecher an, dem man die gutmütige Intelligenz auf zehn Meter Entfernung ansah.

»Kommen Sie mit«, sagte ich.

Verdattert folgte sie mir, und ich nahm sie mit dahin, wo Greg Compass und Lucy offenbar endlich Lucys Vater gefunden hatten.

»Dieser Mann«, erklärte ich Alison, »ist Greg Compass, der Leute aus dem Rennsport fürs Fernsehen interviewt.«

Alison zeigte nickend an, daß sie ihn kannte.

»Dies«, sagte ich mit unbeteiligter Stimme, »sind Mr. und Mrs. Jackson Wells und ihre Tochter Lucy.«

Alison öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus. Jackson Wells stand lächelnd, gut aussehend zwischen seinen beiden sehr lebendigen, gepflegten Frauen und wartete darauf, daß ich die Vorstellung zu Ende führte.

»Alison Visborough«, sagte ich.

Jackson Wells’ sonnige Miene verfinsterte sich. Er sagte fast ausspeiend: »Ihre Tochter!«

»Sie sehen«, sagte ich zu Alison, »Jackson Wells kann Ihre Mutter ebensowenig ausstehen wie sie ihn. Es ist undenkbar, daß sie im wirklichen Leben eine Liebesaffäre gehabt haben könnten. Die Personen in unserem Film sind nicht sie.«

Alison blieb stumm. Ich nahm sie beim Arm und führte sie weg.

»Ihre Mutter«, sagte ich, »macht sich nur selber krank. Überreden Sie sie, unserem Treiben den Rücken zu kehren. Lenken Sie ihr Interesse auf etwas anderes und lassen Sie sie nicht den fertigen Film sehen. Sie können mir glauben, daß ich weder sie noch das Andenken Ihres Vaters schmähen will. Ich drehe einen Film über erfundene Personen. Ich habe durchaus Verständnis für die Gefühle Ihrer Mutter, aber sie erreicht nicht, daß die Produktion abgebrochen wird.«

Alison fand ihre Sprache wieder. »Sie sind skrupellos«, sagte sie.

»Gut möglich. Dennoch bewundere ich Sie, Miss Visborough, ebenso wie Howard. Ich bewundere Ihre Vernunft und die Treue, mit der Sie zu Ihrem Vater stehen. Daß ich Ihnen Anlaß gebe, sich zu ärgern, bedaure ich, kann es aber nicht ändern. Ich muß Sie auch darauf hinweisen, daß der Cibber im Film ganz und gar kein netter Mensch ist. Wieder kann ich Ihnen nur sagen, setzen Sie ihn nicht mit Ihrem Vater gleich.«

»Howard hat das aber getan!«

»Howard hat Cibber als einen guten Menschen ohne starke Gefühlsregungen gezeichnet. Das gibt keinen Konflikt, kein Drama her. Im Konflikt liegt das Wesen der Dramatik. Leitsatz Nummer eins beim Filmemachen. Jedenfalls bitte ich Sie und Ihre Mutter und Ihren Bruder um Entschuldigung, aber bis vorige Woche wußte ich kaum, daß es Sie gibt.«

»Ach, Roddy!« sagte sie ohne Zuneigung. »Machen Sie sich wegen dem keine Gedanken. Den kratzt das nicht besonders. Er und Papa waren ziemlich kühl zueinander. Zu verschieden wahrscheinlich. Rodbury - und ich nenne ihn bei seinem vollen Namen, weil Roddy sich nach einem netten kleinen Jungen anhört, dabei hat er mich, als wir Kinder waren, nie bei seinen Spielen mitmachen lassen, und wenn die anderen Mädchen meinten, ich könnte froh sein, daß ich einen älteren Bruder hatte, waren sie schwer im Irrtum -«

Sie brach plötzlich ab. »Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Ich kann sonst nicht gut mit Leuten reden. Schon gar nicht, wenn ich ihr Verhalten mißbillige. Jedenfalls dürfte es Roddy egal sein, was Sie über Papa sagen, solange ihm dadurch kein Geld flöten geht. Er tut nur Mama gegenüber so, als ob ihm was dran liegt, damit sie spendabel bleibt und ihm Sachen kauft.« »Er ist nicht verheiratet?«

Sie schüttelte den Kopf. »Er brüstet sich mit Frauen. Mehr Worte als Taten, denke ich manchmal.«

Ich lächelte ihrer Offenheit wegen und dachte an ihr unerfülltes Leben: den enttäuschenden Bruder, den innig geliebten, aber; fernen Vater, die Mutter, die eine vielleicht unpassende Partie verhindert hatte. Alles in allem eine bewundernswerte Frau.

»Ich mag Sie, Miss Visborough«, sagte ich.

Sie sah mir gerade ins Gesicht. »Dann hören Sie mit dem Film auf.«

Ich dachte an ihre Gefühle, und ich dachte an das Messer.

»Ich kann nicht«, sagte ich.

Wir wurden mit dem Tagesdrehplan früh genug fertig, um noch die halb geplante Gutwetter-PR-Signierstunde vor der Waage abzuhalten. Nash, Silva und Cibber krakelten dort mit allem verfügbaren Charme.

Viele Huntingdoner trugen bereits ihre UNSICHERE ZEITEN - mir nach!-Shirts. Ringsum herrschte gute Stimmung. Die vorgesehene geordnete Reihe von Autogrammjägern löste sich in einem freundlichen Gedränge auf. O’Hara signierte Bücher und Rennprogramme, die ihm große Filmkenner unter die Nase hielten, und auch mein Autogramm war gefragt. Howard schrieb bescheiden in ihm vorgelegte Exemplare seines Buches.