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»O’Hara produziert den Film«, sagte ich. »Er hätte gern, daß ich morgen früh frisch vernäht wieder am Drehort bin.«

Robbie nahm mir O’Haras Jacke von der Schulter und kniete sich auf den Boden, um das Problem genauer zu betrachten.

»So ein Messer habe ich noch nie gesehen«, verkündete er.

»Wie das auf der Heide?« fragte ich.

»Anders.«

»Ziehen Sie’s raus«, sagte ich. »Es tut weh.«

Statt dessen stand er auf und sagte zu O’Hara etwas von Betäubungsmitteln.

»Herrgott noch mal«, hakte ich nach. »Ziehen. Sie’s. einfach. raus.«

Robbie sagte: »Dann wollen wir uns den Schaden mal direkt besehen.«

Er öffnete den Reißverschluß meiner dunkelblauen Windjacke, schnitt mit Dorotheas Haushaltsschere meinen Pullover auf und stieß auf die Sicherheitswesten darunter.

»Was in aller Welt -?«

»Wir haben Morddrohungen bekommen«, erklärte ich, »und deshalb dachte ich.«

Ich schloß kurz die Augen und schlug sie wieder auf. »Ich habe mir zwei Sicherheitswesten ausgeliehen, wie sie die Jockeys tragen. Falls sie ein Pferd tritt.«

»Morddrohungen?«

O’Hara erklärte es und fragte mich: »Wie sind Sie auf die Westen gekommen?«

»Aus Angst«, sagte ich wahrheitsgemäß.

Sie lachten beinah.

»Hören Sie«, sagte ich sachlich. »Das Messer ist durch meine Windjacke, einen dicken Pullover, zwei schlagdämpfende Westen und noch ein Hemd gegangen, bevor es an meine Haut kam. Es ist ein Stück weit eingedrungen, aber da ich kein Blut huste und mich nicht schlechter fühle als vor einer Stunde. darf ich Sie vielleicht bitten, Robbie. mit gewohnt fester Hand.«

»In Ordnung«, sagte er.

Er zog die Westen auseinander und fand mein Hemd darunter naß und rot. Er zog das Hemd auseinander, um die Klinge selbst zu sehen, und dann blickte er mit einem Ausdruck zu mir auf, den man nur als Entsetzen bezeichnen konnte.

»Was ist?« sagte ich.

»Die Klinge ist so. breit. Die quetscht Ihnen die ganzen Stofflagen in die Seite.»

»Dann mal los«, sagte ich. »Raus damit.«

Er klappte seine Tasche auf, zog eine gebrauchsfertige Einwegspritze hervor und injizierte mir ein nicht näher bezeichnetes Schmerzmittel. Danach suchte er einen steril verpackten Wundverband heraus. Wie bei Dorothea, dachte ich. Er sah auf die Uhr, um die Injektion wirken zu lassen, dann riß er die Verpackung auf, legte den Verband unter meinem Hemd zurecht und zog mit der linken Hand an dem hervorstehenden Griff des Messers.

Es rührte sich nicht, und trotz der Injektion fühlte es sich schrecklich an.

»Aus dem Winkel schaffe ich es nicht«, sagte Robbie. Er sah O’Hara an. »Sie sind kräftig«, sagte er. »Ziehen Sie es raus.«

O’Hara starrte erst ihn, dann mich an.

»Denken Sie an die Bosse«, sagte ich.

Er lächelte schief und sagte zu Robbie: »Sagen Sie, wann.«

»Jetzt«, sagte Robbie, und O’Hara packte den Messergriff und zog, bis die Klinge herauskam.

Robbie brachte rasch den Verband an, und O’Hara stand da wie betäubt, in der Hand ungläubig das Gerät, das mir so zugesetzt hatte.

»Tut mir leid«, meinte Robbie zu mir.

Ich schüttelte mit trockenem Mund den Kopf.

O’Hara legte das Messer auf den Küchentisch, auf die leere Verbandhülle, und eine ganze Zeitlang sahen wir es uns nur schweigend an.

Insgesamt war es zwanzig Zentimeter lang, und die Hälfte davon war Griff. Die flache Klinge, oben gut sieben Zentimeter breit, verjüngte sich zur Spitze hin stark. Die eine Längsseite des Dreiecks bildete eine normale scharfe Schneide, die andere war unfein gezackt. Am breiten Ende ging die Klinge nahtlos in ein Heft mit einer Öffnung zum Durchgreifen über. In der Öffnung fingergerecht gewellt, war das Heft durch angeschraubte, handtellerbreite Griffschalen aus dunklem, hochglänzendem Holz verstärkt; der Rest war blankes Metall.

»Schweres Ding«, sagte O’Hara ausdruckslos. »Damit könnte man jemand durchsäbeln.«

Das breite Ende der Klinge zierte ein Beschlagnagel mit dem Wort für Wut, »Fury«.

Ich ergriff die furchtbare Waffe, um sie mir näher anzusehen, und sie war wirklich schwer (über ein halbes Pfund, wie Robbie mit Hilfe von Dorotheas Küchenwaage bald herausfinden sollte) und den eingestanzten Lettern nach aus rostfreiem Stahl in Japan angefertigt.

»Was wir brauchen«, ich legte es wieder hin, »ist ein Messerfachmann.«

»Und was Sie erst mal brauchen«, sagte Robbie entschuldigend, »ist eine Reihe Klammern, damit die Blutung aufhört.«

Wir entfernten meine sämtlichen Schutzhüllen, damit er sehen konnte, was er tat, und bald teilte er mir dann beruhigend mit, daß die Messerspitze auf eine Rippe getroffen und daran entlanggeglitten sei, statt durch weiches Gewebe in die Lunge einzudringen. »Die Rippe ist durch den Schlag gebrochen, aber Sie können von Glück sagen, daß die Verletzung, wie Sie dachten, schnell heilen dürfte.«

»Hurra«, meinte ich ironisch, aber dennoch erleichtert. »Morgen hole ich mir vielleicht doch eine kugelsichere Weste.«

Robbie wischte mir eine ganze Menge getrocknetes Blut von der Haut, wozu er ein angefeuchtetes Küchenhandtuch von Dorothea benutzte, und half mir dann in mein besterhaltenes Kleidungsstück, die relativ unbeschädigte Windjacke.

»Sie sehen so gut wie neu aus«, versicherte er mir, als er die Enden des Reißverschlusses ineinandersteckte und ihn zuzog.

»Der Häuptling wird nichts merken«, stimmte O’Hara zu. »Fühlen Sie sich in der Lage, mit ihm zu reden?«

Ich nickte. Es war notwendig, mit ihm zu reden. Notwendig, ihn davon zu überzeugen, daß das Geld der Firma bei mir in guten Händen war. Notwendig, jeden Verdacht auszuräumen, daß über dem Film ein Fluch lag.

Ich sagte: »Wir müssen auf alle Fälle herausfinden, wer so versessen darauf ist, den Film zu verhindern, daß er -oder sie - dafür bis zum Mord geht. Es wäre zwar möglich, daß uns das Messer heute wie der Dolch von gestern nur Angst einjagen sollte, aber wenn ich die Schutzwesten nicht getragen hätte.«

»Kein Schutz und ein Fingerbreit nach links oder rechts«, nickte Robbie, »dann wären Sie wahrscheinlich abgetreten.«

»Wenn wir also annehmen, daß man mich wirklich ums Leben bringen wollte«, sagte ich, »dann muß ich unbedingt herausfinden, wer und warum. Diskret herausfinden, meine ich, ohne die Polizei einzuschalten. Sonst.«, ich zögerte, fuhr dann fort, ».wenn der Grund für den Anschlag auf mich weiterhin besteht, und davon müssen wir ausgehen, versucht oder versuchen der oder die Täter es vielleicht noch einmal.«

Ich hatte den Eindruck, daß der Gedanke ihnen beiden auch schon gekommen war, daß sie ihn aber, um meinen Seelenfrieden zu bewahren, nicht laut hatten aussprechen wollen.

»Für einen Film zu sterben, lohnt sich nicht«, sagte O’Hara.

»Der Film hat Dreck aufgewühlt, der seit sechsundzwanzig Jahren ruht«, sagte ich. »Darum geht es, und es nützt gar nichts, wenn uns das leid tut. Wir haben jetzt die Möglichkeit, entweder den Film hinzuschmeißen und den ungeordneten Rückzug anzutreten - und wieviel Zukunft hätte ich dann noch? -, oder, ehm. wir sieben den Dreck und gehen der Sache auf den Grund.«

»Aber«, sagte Robbie zweifelnd, »ist das überhaupt zu schaffen? Ich meine, als das Ganze damals passiert ist, als es noch frisch war, ist die Polizei ja zu keinem Ergebnis gekommen.«

»Polizisten sind normale Sterbliche«, sagte ich. »Keine unfehlbaren Supermenschen. Wenn wir’s versuchen und auch zu nichts kommen, dann sei es drum.« »Aber wo fangen wir an?«

»Wie ich schon sagte, wir brauchen jemanden, der sich mit Messern auskennt.«

Es war dunkel geworden, während wir uns unterhielten. Als Robbie zum Lichtschalter ging, hörten wir, wie die Haustür sich öffnete und schloß und schwere Schritte über den Flur auf uns zukamen.