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»Mhm«, stimmte ich zu. »Möchten Sie, wenn Sie wieder gesund sind, in Ihr Haus zurück?«

Tränen zitterten in ihren Augen. »Paul ist da gestorben.«

Valentine auch, dachte ich.

»Thomas. ich habe mich an etwas erinnert.«

Es schien ihr sehr wichtig zu sein. »An dem Abend, als ich überfallen worden bin.«

»Ja?« hakte ich nach. »Was ist Ihnen eingefallen?«

»Paul hat geschrien.«

»Ja, Sie haben es erzählt.«

Ich zog den Besucherstuhl an ihr Bett, setzte mich ruhig neben sie und hielt ihre Hand, um ihr die Angst zu nehmen und meine eigenen brennenden Fragen zurückzudrängen.

»Erinnern Sie sich, wie er ausgesehen hat?« fragte ich sanft.

»Ich kannte ihn nicht. Er war mit Paul da, als ich von Mona wiederkam - bei der hatte ich ferngesehen, aber weil uns das Programm nicht gefiel, bin ich zeitig nach Hause. Ich bin zur Küchentür rein wie gewohnt und war überrascht - freudig überrascht -, Paul vor mir zu sehen, aber er war so seltsam, Thomas, erschrocken fast, aber dazu hatte er doch gar keinen Grund. Warum hätte er erschrocken sein sollen?«

»Vielleicht weil Sie heimgekommen sind, als er und der andere gerade Ihr Haus durchstöbert haben.«

»Paul hat dann geschrien, wo Valentines Fotoalbum sei, und ich hab gesagt, er hätte doch gar keins gehabt; bloß so ein paar alte Schnappschüsse in einer Pralinenschachtel, genau wie ich, aber Paul hat mir nicht geglaubt, sondern weiter danach gefragt.«

»Hat Valentine denn noch nie eins gehabt?« fragte ich.

»Nein, bestimmt nicht, Thomas. Wir waren zu Hause nicht so wild auf Fotos, im Gegensatz zu manchen anderen Familien, für die etwas erst wirklich passiert ist, wenn sie es geknipst haben. Valentine hat zig Fotos von Pferden, aber Pferde waren ja auch sein Leben. Immer nur Pferde. Er hat keine Kinder, weil seine Cathy keine kriegen konnte. Als Familienvater hätte er vielleicht mehr Wert auf Fotos gelegt. Ich habe eine ganze Menge Fotos in einer Schachtel bei mir im Schlafzimmer. Fotos von uns allen, vor langer Zeit. Bilder von Paul.«

Wieder flossen Tränen, und ich verschwieg ihr, daß ich die kläglich wenigen Andenken, die sie im Schlafzimmer verwahrte, nicht hatte finden können. Ich würde ihr dafür Valentines Pralinenschachtel geben.

»Hat Paul gesagt, weshalb er das Fotoalbum haben wollte?« fragte ich.

»Ich glaube nicht. Es ging alles so schnell, und der andere Mann war so wütend und hat so getobt, daß Paul sagte -mir wurde richtig angst, Thomas, aber er sagte: >Sag ihm, wo das Album ist, er hat ein Messer.<«

Ich fragte ruhig: »Wissen Sie das genau?«

»Ich dachte, ich hätte es geträumt.«

»Und jetzt?«

»Also. jetzt meine ich, er muß es gesagt haben. Ich habe Pauls Stimme im Ohr. ach herrje. ach, mein kleiner Liebling.«

Ich hielt sie im Arm, während sie schluchzte.

»Der andere Mann hat mich geschlagen«, sagte sie schluckend. »Auf den Kopf geschlagen hat er mich, und Paul schrie: >Sag’s ihm, sag’s ihm<. und dann sah ich, daß er wirklich ein Messer hatte, der Mann. oder vielmehr irgendwas Glänzendes, aber ein richtiges Messer war es auch nicht, seine Finger gingen durch. Dreckige Nägel. es war schrecklich. und Paul schrie: >Nein, nein. nicht!<, und dann bin ich im Krankenhaus aufgewacht und habe nicht mehr gewußt, was passiert war. aber vergangene Nacht. heute morgen beim Aufwachen, Thomas, mußte ich an Paul denken, und da ist mir alles irgendwie eingefallen.«

»Ja«, sagte ich. Schweigend zählte ich eins zum anderen. »Liebste Dorothea«, sagte ich, »ich glaube, Paul hat Ihnen das Leben gerettet.«

»Oh! Oh!«

Sie weinte noch immer, aber nach einiger Zeit aus reiner Freude, nicht mehr aus bitterem Kummer.

»Ich glaube«, sagte ich, »als er mitansehen mußte, wie Sie mit dem Messer zugerichtet wurden, war Paul so entsetzt, daß er einen tödlichen Stoß abgewendet hat. Für

Robbie Gill sah der Überfall auf Sie nach einem verhinderten Mord aus. Er meinte, Leute, die so schrecklich zustechen, seien meistens außer sich und könnten nicht aufhören. Ich glaube, Paul hat ihn aufgehalten.«

»O Thomas!«

»Aber leider«, sagte ich bedauernd, »ergibt sich daraus auch, daß Paul Ihren Angreifer gekannt hat, und er hat ihn nicht angezeigt. Im Gegenteil, Paul hat vorgegeben, zum Zeitpunkt des Überfalls in Surrey gewesen zu sein.«

Dorotheas Freude trübte sich ein wenig, blieb aber dennoch bestehen.

»Er hat sich gewandelt«, sagte ich. »Ich glaube, einmal war er nah dran, mir etwas zu sagen, bloß weiß ich nicht, was. Ich nehme aber an, daß er wegen dem, was Ihnen zugestoßen ist, Gewissensbisse hatte.«

»Aber Thomas, das will ich doch hoffen.«

»Bestimmt«, sagte ich mit mehr Gewißheit, als ich empfand.

Sie überlegte eine Weile schweigend und sagte dann: »Paul ist manchmal mit seinen Meinungen herausgeplatzt, als könnte er damit einfach nicht mehr an sich halten.«

»So?«

»Er sagte. ich wollte Ihnen das nicht sagen, Thomas, aber neulich - als er hier bei mir war - hat er auf einmal getobt: >Warum muß der auch bloß diesen Film drehen?< Er war erbittert. Er sagte, mir hätte keiner ein Haar gekrümmt, wenn Sie nicht alles wieder aufgerührt hätten. Was denn aufgerührt? habe ich natürlich gefragt, und da meinte er, das stünde alles im Drumbeat, aber ich solle vergessen, was er gesagt habe; wenn Ihnen was zustieße, seien Sie jedenfalls selbst schuld. Er sagte. es tut mir ehrlich leid, aber er sagte, wenn man Sie so aufschlitzte wie mich, würde er sich freuen. Das war sonst nicht seine Art, wirklich nicht.«

»Ich habe ihn ja aus Ihrer Wohnung ausgesperrt«, erinnerte ich sie. »Schon weil ich ihn so in Verlegenheit gebracht habe, konnte er mich nicht leiden.«

»Nein, aber. also irgendwas hat ihn bedrückt, da bin ich mir sicher.«

Ich stand auf, ging ans Fenster und schaute müßig auf die gleichmäßigen Fensterreihen des Klinikgebäudes gegenüber und auf das karge Gartenviereck dazwischen. Zwei Leute in Weiß gingen langsam, ins Gespräch vertieft, einen Weg entlang. Ärzte spielende Komparsen, dachte ich unwillkürlich - und merkte wieder einmal, wie oft ich das Leben selbst als Film wahrnahm. Ich drehte mich um und fragte Dorothea: »Hat Paul Sie auch hier im Krankenhaus nach einem Fotoalbum gefragt?«

»Ich glaube nicht, Thomas. Aber es ist alles so verworren.«

Sie schwieg. »Er hat davon geredet, daß Sie Valentines Bücher abgeholt hätten; und ich habe ihm nicht widersprochen. Ich wollte nicht streiten, verstehen Sie, Thomas? Ich war zu müde.«

Ich sagte ihr, daß ich bei Bill Robinson, ihrem netten jungen Freund, Valentines Sachen abgeholt und ein Foto darunter gefunden hätte, mir aber nicht vorstellen könne, daß seinetwegen sie und ihr Haus so zugerichtet worden seien.

»Sagen Sie mir, wer darauf ist, wenn ich es Ihnen zeige?«

»Natürlich, Thomas, wenn ich kann.«

Ich nahm das »Gang«-Foto aus der Tasche und legte es ihr in die Hand.

»Da brauche ich meine Lesebrille«, sagte sie, die Augen zusammenkneifend. »Das rote Etui auf dem Nachttisch.«

Ich gab ihr die Brille, und sie betrachtete das Foto ohne sonderliche Erregung.

»Hat einer von diesen Leuten Sie angegriffen?« fragte ich. »Ach, von denen doch nicht. Er war viel älter. Die hier sind alle blutjung. Nanu!« rief sie aus, »Das ist ja Paul. Der ganz außen, ist das nicht Paul? Wie jung er da noch war! Ein hübscher Kerl.«

Sie ließ die Hand, die das Foto hielt, aufs Bettuch sinken. »Die anderen kenne ich nicht. Ich wünschte, Paul wäre hier.«

Seufzend nahm ich das Foto wieder an mich, steckte es ein und zog den kleinen Notizblock hervor, den ich immer bei mir trug. Ich sagte: »Ich will Sie nicht beunruhigen, aber wenn ich Ihnen ein Messer aufzeichne, würden Sie mir dann sagen, ob es das sein könnte, mit dem Sie verletzt worden sind?«