Выбрать главу

Sie entschloß sich. »Er wollte das Foto von der >Gang<, das Sie Papa gestern gezeigt haben. Und er wollte alles, was Valentine über Sonia geschrieben hat. Deshalb hat er das ganze Zeug hier ausgekippt. Und«, ihre Stirn krauste sich, »er wollte die Messer.«

»Was für Messer?«

»Das hat er mir nicht gesagt. Ich fragte ihn, ob er das Messer meinte, das mir der Junge in Huntingdon für Sie gegeben hat, und er sagte, das und noch andere.«

»Und was haben Sie geantwortet?«

»Na, daß ich sonst keine gesehen habe, und wenn Sie so was hätten, daß Sie es dann sicher unter Verschluß halten würden. Tja. und dann hat er mir gesagt, ich soll die Kombination für den Safe hier aus Ihnen rauslocken. Den hat er nämlich aufzukriegen versucht.«

Sie schwieg unglücklich. »Ich weiß, ich hätte ihn nie reinlassen dürfen. Worum geht’s denn eigentlich?«

»Kopf hoch«, sagte ich, »und lassen Sie mich nachdenken.« »Soll ich die Bücher wieder einräumen?«

»Ja, bitte.«

Ordnung muß sein.

»Lucy«, sagte ich, »warum haben Sie mir gesagt, was Ridley wollte?«

Sie sah verlegen aus. »Soll das heißen, warum ich nicht zu meinem Onkel halte?«

»Ja.«

»Mir hat nicht gefallen, wie er >rauslocken< gesagt hat. Und, na ja. er ist auch nicht mehr so nett, wie er mal war.«

Ich lächelte.«Gut. Wenn ich Ihnen jetzt die Safekombination sage, würden Sie sie dann bitte an Ridley weitergeben? Und ihm erzählen, wie schlau Sie sie aus mir rausgelockt haben? Und daß ich Ihrer Meinung nach wirklich Messer im Safe habe?«

Sie zögerte.

Ich sagte: »Ergreifen Sie entweder für ihn oder für mich Partei, aber bleiben Sie bei einem.«

Sie sagte feierlich: »Ich bin auf Ihrer Seite.«

»Dann ist die Kombination sieben-drei-fünf-zwei.«

»Jetzt gleich?« fragte sie, nach dem Telefon greifend.

»Jetzt gleich.«

Sie sprach mit ihrem Onkel. Sie log mit knallrotem Kopf, aber sie hätte auch mich überzeugt, von Ridley ganz zu schweigen.

Als sie auflegte, sagte ich: »Wenn ich mit der Arbeit an diesem Film fertig bin, so in viereinhalb Monaten wahrscheinlich, würden Sie dann gern mal Ferien in Kalifornien machen? Ohne irgendwelche Bedingungen, ohne Erwartungen«, setzte ich schnell hinzu. »Einfach Ferien. Sie können Ihre Mutter mitbringen, wenn Sie wollen. Ich denke mir nur, es würde Sie vielleicht interessieren, weiter nichts.«

Die Verlegenheit, mit der sie diesen Vorschlag aufnahm, war liebenswert. Ich war genau das, wovor man sie gewarnt hatte: ein gesunder junger Mann in einflußreicher Stellung, interessiert an Eroberungen aller Art.

»Ich werde nicht versuchen, Sie zu verführen«, versprach ich leichthin. Aber ich würde sie vielleicht heiraten, wenn sie erst mal älter war, dachte ich unerwartet. Immer und überall umgaben mich Schauspielerinnen. Eine blauäugige Farmerstochter aus Oxfordshire mit Sommersprossen auf der Nase, die hin und wieder in die Rolle des linkischen Teenagers zurückfiel, schien als Zukünftige weit hergeholt und wenig realistisch.

Es hatte nicht wie ein Blitz eingeschlagen: Da war nur eine stille, anregende Freude, die nicht wegging.

Ihre erste Reaktion war unvermittelt und typisch. »Das kann ich mir nicht leisten.«

»Ach so.«

»Aber, ehm. trotzdem.«

»Lucy!«

Ihr Kopf blieb rot. »Sie verwandeln sich bestimmt in einen Frosch.«

»Kermit ist nicht so übel«, meinte ich abschätzend.

Sie kicherte. »Was soll mit den Kartons werden?«

Ihre Arbeit mit den Kartons war ursprünglich mein Draht zu ihrem Vater gewesen. Es war vielleicht nicht nötig, daß sie noch daran arbeitete, aber ich hatte mich daran gewöhnt, sie hier in meinen Räumen vorzufinden.

»Ich hoffe, Sie katalogisieren morgen weiter«, sagte ich.

»In Ordnung.« »Aber heute abend muß ich an dem Film arbeiten. ehm, allein.«

Sie wirkte zwar ein wenig enttäuscht, aber mehr noch erleichtert. Ein gewagter Schritt vorwärts. ein vorsichtiger halber Schritt zurück. Doch eines Tages würden wir es schaffen, dachte ich und war zufrieden, ja sogar beruhigt, daß es Zeit damit hatte.

Wir gingen durch die noch immer einen Spalt weit geöffnete Tür, und ich begleitete Lucy durch den Gang bis zur Treppe, winkte ihr und unterhielt mich, als ich zurückkam, kurz mit meinem Bodyguard, den O’Hara auf Wunsch der Filmgesellschaft jetzt in dem Zimmer gegenüber meiner Suite einquartiert hatte.

Mein Bodyguard, ein Halbasiate, hatte glattes schwarzes Haar, glänzende schwarze Augen und keine erkennbaren Gefühlsregungen. Er mochte jung, wendig, durchtrainiert und schnell zu Fuß sein, aber er war auch einfallslos und hatte mich nicht vor dem Armadillo bewahrt.

Als ich seine unverschlossene Tür aufstieß und ihn hellwach auf einem Stuhl vor mir sitzen sah, sagte er prompt: »Ihre Tür war die ganze Zeit offen, Mr. Lyon.«

Ich nickte. Wir hatten vereinbart, daß er, sobald er sah, daß meine Tür geschlossen war, meinen Schlüssel benutzen und hereinkommen solle. Einen klareren und einfacheren Hilferuf konnte ich mir nicht denken.

»Haben Sie gegessen?« fragte ich.

»Ja, Mr. Lyon.«

Ich versuchte ein Lächeln. Keine Reaktion.

»Schlafen Sie nicht ein«, sagte ich lahm.

»Nein, Mr. Lyon.«

O’Hara hatte ihn wahrscheinlich über die Rollenvermittlung an Land gezogen, dachte ich. Schlechte Wahl.

Ich kehrte in meinen Salon zurück, ließ die Tür zwanzig Zentimeter offen, trank einen Schluck Brandy und bekam einen Anruf von Howard.

Wie vorauszusehen tobte er.

»Cibber hat mir erzählt, Sie haben aus ihm den Mörder gemacht. Das ist doch unmöglich! Das geht nicht, das lasse ich nicht zu! Was sollen denn die Visboroughs dazu sagen?«

Ich wies darauf hin, daß wir bei Bedarf einen anderen Mörder einfügen konnten.

»Cibber sagt, Sie haben ihn in Stücke gerissen.«

»Cibber hat die Vorstellung seines Lebens geliefert«, widersprach ich - und tatsächlich bekam der Film schließlich vier Oscar-Nominierungen und Cibber den Oscar für die beste Nebenrolle, so daß er mir im Jahr darauf gnädig verzieh.

»Morgen früh«, versprach ich Howard, »halten wir eine ausführliche Drehbuchbesprechung ab. Sie, ich, Nash und Moncrieff.«

»Ich möchte, daß Sie den Film abbrechen.«

»Das steht nicht in meiner Macht.«

»Und wenn Sie sterben?« fragte er.

Nach einer Pause sagte ich: »Dann dreht die Filmgesellschaft mit einem anderen Regisseur weiter. Glauben Sie mir, Howard, wenn ich umgebracht würde, wäre das eine Riesenreklame für den Film - es würde ihn keineswegs verhindern.«

»Das ist nicht fair«, jammerte er, als ob er nichts dazugelernt hätte, und ich sagte: »Bis morgen«, und legte seufzend auf.

Der Safe in meinem Salon war wie O’Haras auch in einem Wandschrank versteckt, der oben ein großes Fernsehgerät beherbergte und unten eine Minibar sowie den Safe. Die Minibar enthielt eine kleine Auswahl von Getränken für den durstigen Reisenden - Schnaps, Wein, Champagner und Bier, dazu Schokolade und Nüsse. Der Safe -mein Safe - enthielt nichts. Ich stellte ihn auf die Kombination sieben-drei-fünf-zwei ein, vertraute ihm das »Gang«-Foto an und sperrte ihn zu.

Dann setzte ich mich in den Sessel in meinem Schlafzimmer und wartete lange und dachte über das Beichtgeheimnis nach und darüber, ob oder wieweit ich verpflichtet war, das Geheimnis der verzweifelten Beichte des sterbenden Valentine zu wahren.

Ich spürte die schwere Bürde der priesterlichen Schweigepflicht, die wirkliche Priester oft leichtnehmen, da sie wissen, daß ihre Rolle sie von der letzten Verantwortung entbindet, auch wenn sie lasterhafte Gewohnheiten verzeihen. Ich hatte nicht das Recht gehabt, Valentines Beichte zu hören und ihm seine Sünden zu vergeben, und beides hatte ich getan. Ich hatte ihn losgesprochen. »In nomine Patris... ego te absolvo.«