Valentine hatte Pig Falmouth in dem gleichen wilden, unbändigen Zorn umgebracht, der Jackson Wells dazu getrieben hatte, seinen Bruder Ridley halbtot zu schlagen. Und Valentine selbst hatte die Zeitungsnotiz verfaßt, die von Pigs Übersiedlung nach Australien berichtete und die alle geglaubt hatten.
Pig Falmouth lag wahrscheinlich seit sechsundzwanzig Jahren auf dem Grund des Brunnens, den Valentine von einem Bauunternehmen hatte auffüllen lassen, um ihn kindersicher zu machen. Valentine hatte mit Jackson Wells dabeigestanden und zugesehen, wie sie den Schutt von Jahren in den Schacht hineinwarfen und jede Spur des leichtsinnigen Jungen tilgten, der sein Goldmädchen geküßt und getötet hatte.
Valentine hatte seine Seele schließlich von der Last des Mordes befreit.
Ich ließ sie beide ruhen.
Das eintönige Grau des Himmels wurde im Osten langsam von einem matten, zarten Rot durchtränkt.
Moncrieff hielt einen Belichtungsmesser hoch, um alle paar Minuten die fortschreitende Helligkeit zu messen, und er tat es mit der Hingabe, die ihm für seine Kamera den zweiten auf Unsichere Zeiten entfallenen Oscar eingebracht hatte. Howard, nominiert für das beste Drehbuch nach Vorlage, verfehlte ebenso wie unser vierter Kandidat, der Architekt, die Auszeichnung ganz knapp. O’Hara und die Bosse waren allerdings zufrieden, und ich bekam ein gut kalkuliertes Epos mit Megastar Nash zugeteilt.
Über dem Strand von Happisburgh wurde das Purpur im Himmel zu Scharlachrot, das die Wellen rosa färbte. Die Wolkenstreifen waren spärlicher als in der Woche davor, ebenso der Goldstich im Rot. Wir würden die beiden Sonnenaufgänge überblenden, dachte ich.
Rechts von uns, weit hinter Moncrieff und seinen Kameras, hatte der Trainer der Fjordpferde auf dem Sand große Rationen Preßfutter verteilt: Die Wildpferde würden auf unser Zeichen, wie sie es gelernt hatten, losrennen, um zu ihrem Frühstück zu gelangen.
Moncrieff hielt die Belichtungsmesser hoch und begrüßte den Tagesanbruch wie ein alter Prophet. Wenn er die Arme senkte, sollte die Aufnahme beginnen.
Die blendende Sonne tauchte auf. Moncrieffs Arme fuhren nieder.
Ich sagte: »Bitte, Ed«, und: »Jetzt, Ziggy« in mein Walkie-Talkie, und unten am Strand liefen die Pferde los.
Wir hatten Ziggy in ein Ganzkörpertrikot aus grauem Lycra gesteckt, an das er sich, ballettgeschult, sofort gewöhnt hatte. Über dem Trikot trug er ein fließendes, formloses Gewand aus durchscheinendem weißem Seidenvoile und auf dem Kopf die blonde Perücke. Seine dunklen Gesichtszüge hatte die Maskenabteilung aufgehellt, und er ritt wie angekündigt ohne Schuhe, Sattel und Zaumzeug.
Die Pferde beschleunigten und platzten mit dem Schlag und dem Schnalzen ihrer galoppierenden Hufe in die stille Weite der Meerlandschaft.
Ziggy kniete auf dem Widerrist seines Pferdes, den Kopf über den nach vorn geworfenen Hals des Tieres gebeugt. Gewand und Haare flatterten im Wind und zogen alles Licht auf sich, der graugekleidete Mann im Innern war nahezu unsichtbar, ein Schatten nur.
Moncrieff bediente zwei Totalen-Kameras, die eine eingestellt auf sechsunddreißig Bilder pro Sekunde - Zeitlupe.
Die aufgehende Sonne schien den Pferden in die Augen. Licht blitzte auf fliegenden Mähnen. Die Köpfe der wilden Herde waren vorgereckt in der Hitze des Rennens, im unbändigen Drang, vornweg zu sein, die Gruppe anzuführen.
Die Herde teilte sich und fegte um Moncrieff herum, die dahinstürzenden Leiber so nah, die Wikingerköpfe wild und frei.
Ziggy ritt zwischen Moncrieff und dem stärksten Licht. Auf dem fertigen Film sah es aus, als hätte die fliegende Gestalt sich dort in Luft, in Licht, in Leuchten aufgelöst; als sei sie ein Teil der Sonne geworden.
»Herr im Himmel«, sagte O’Hara, als er das sah.
Für den Schluß des Films schnitt ich einige Bilder von der Erhängung in die Wildpferdesequenzen hinein.
Yvonnes Schrei ging in dem dünnen, schrillen, verlorenen Schrei einer Möwe auf.
Die junge Frau mit den Phantasiegeliebten träumte, sie ritte die wilden Pferde, während sie dem Tod entgegenschwang.