Puck schüttelte den Kopf. „Wir beobachteten euch beide und hätten sowohl Euren als auch seinen Tod verhindert. Und was Eure Wunden betrifft, wir werden sie schnell heilen.“
Rod schüttelte benommen den Kopf.
„Außerdem wußten wir, daß Ihr als Zauberer über Kräfte von solcher Macht verfügt, daß Ihr ihn besiegen konntet — wenn Ihr ein weißer Magier seid.“
„Oh?“ Rod hob die Brauen. „Und wenn nicht? Wenn ich ein
schwarzer wäre?“
„Nun“, erwiderte Puck grinsend, „hättet Ihr Euch mit ihm verbunden und versucht, gegen uns zu kämpfen, um aus dem Käfig zu entkommen.“
„Hätte euch das denn nicht in Gefahr bringen können?“
„Nein.“ Wieder grinste Puck. „Die Magie von zwei Dutzend Elfen ist immer noch stärker als die von zwei Zauberern.“
„Ich verstehe.“ Rod rieb sich das Kinn. „Ihr habt es darauf ankommen lassen, aber ihr konntet es mir natürlich nicht sagen, denn solange ich nichts wußte, bewies mein Kampf gegen den Werwolf, daß ich zu den Guten gehöre, hm?“
„Zum Teil.“
„Oh? Und was noch?“
„Nun, Rod Gallowglass, Ihr hattet den Wolf mehrmals in hilfloser Lage, aber Ihr habt ihn nicht getötet.“
„Und das beweist, daß ich ein gutes Herz habe?“
„Das, und auch, daß Ihr Euch Eurer Macht sicher genug seid, Gnade walten lassen zu können. Und das ist der Beweis, nicht nur, daß Ihr weiß, sondern überhaupt ein Zauberer seid.“
Rod preßte die Lippen zusammen. Mit übertriebener Geduld brummte er. „Es hätte natürlich auch lediglich beweisen können, daß ich ein erfahrener Kämpfer bin.“
„Es hätte“, gestand ihm Puck zu. „Aber Ihr habt ihn schließlich durch Zauberei besiegt.“
Rod holte tief Luft. „Hör zu“, sagte er betont. „Ich bin kein Zauberer. Ich war nie ein Zauberer. Ich will und werde nie ein Zauberer sein. Ich bin lediglich ein Söldner, der eben ein paar Tricks kennt.“
„Aber gewiß doch, Meister Zauberer, ganz wie Ihr wollt.
Kommt Ihr nun mit in die Höhle zurück? Wir bringen Euch dann in Euren Gasthof.“
„Na gut“, brummte Rod.
Die ersten Sterne gingen bereits unter, als Rod sich hundemüde in den Stall schleppte. Nur eine Kerze brannte hier und machte
die Dunkelheit noch schwärzer. Rod schwang einen Arm um Gekabs Rücken, um sich zu stützen, ehe er den Arretierknopf drückte. Der samtschwarze Kopf hob sich, schüttelte sich zweimal und schaute Rod über die Schulter an. Der Roboter schwieg kurz, dann hörte Rod hinter dem Ohr in vorwurfsvollem Ton: „Sie haben mich lange ausgeschaltet gelassen. Die Nachwirkungen des Anfalls sind längst vorüber.“ „Tut mir leid, altes Eisen.“ Immer noch hielt Rod sich am Pferderücken fest, denn seine Beine fühlten sich wie aus Gummi an. „Ich war auf dem Weg, dich wieder einzuschalten, als ich selbst ausgeschaltet wurde.“
„Ausgeschaltet?“ Gekabs Stimme klang nun zur Abwechslung verlegen, ja schuldbewußt. „Während ich schlief! O möge meine Hülle für immer auf dem Schrottplatz verrotten! Möge mein Germanium dem Konverter zur Wiederverwertung überantwortet werden! Mögen meine…“
„Hör schon auf!“ knurrte Rod. „Es war nicht deine Schuld.“ Er straffte die Schultern. „Ich befand mich nicht in wirklicher Gefahr. Es war lediglich eine etwas anstrengende Nacht, nichts weiter.“
Rod ließ sich an dem unter der Frühstückslast fast zusammenbrechenden Tisch nieder, aber verglichen mit dem, was der große Tom verschlang, nahm er eine Hungerration zu sich. Viel des Aufgetischten war Rod vertraut: Eier, Omeletten und Schinken. Die Pfannkuchen hatten allerdings einen etwas fremdartigen Geschmack, das kam sicher vom Mehl, denn gewöhnlich veränderten die sich ursprünglich von Terra stammenden Getreidesorten auf anderen Planeten. Auch Geflügel mutierte, und es kam zu Kreuzungen mit einheimischen Arten, Schweine dagegen blieben Schweine, sie gediehen überall prächtig und waren noch häufiger zu finden als Hunde. Das Essen war gut verträglich und sicher nahrhaft, denn allzusehr konnte der menschliche Metabolismus sich bestimmt nicht
verändern. Aber mit Spurenelementen war es eine andere Sache. Vorsichtshalber schluckte Rod eine Pille.
Tom bemerkte es. „Was war das, Herr?“ erkundigte er sich.
Rod zwang sich zu einem Lächeln. „Nur ein kleiner Zauber.
Mach dir deshalb keine Gedanken, Tom.“
Tom starrte ihn an, dann murmelte er ein schnelles Gebet und stürzte sich über seine Omelette, ehe er mit vollem Mund kauend fragte: „Und was beabsichtigt Ihr heute zu unternehmen, guter Herr?“
„Ich werde der Burg einen Besuch abstatten. Wir wollen sehen, ob die Königin an einem neuen Soldaten interessiert ist.“
Tom protestierte: „Soldat der Königin! Nein, Herr, das ist kein Beruf für einen ehrlichen Mann!“
Rod hob eine Braue. „Willst du damit andeuten, daß einer von uns beiden ehrlich ist?“
Der Wirt hatte einen grauen Wallach, den Rod für Tom erstand. Und so ritten sie nebeneinander zu der Burg hoch.
„Halt!“ brüllte der Posten an der Zugbrücke. „Gebt Euer Begehr kund!“
„Mein Name ist Rod Gallowglass…“
„Ihr vergeudet Eure Zeit“, unterbrach die Wache ihn. „Die Königin hat bereits einen Hofnarren.“
„Wenn ich dich so anschaue“, brummte Rod, „würde ich sagen, sie hat mehr als einen.“ Laut erklärte er: „Ich bin Söldner, genau wie mein Knappe. Ruf einen Hauptmann, damit er uns aufnimmt.“
Der Posten starrte ihn finster an. „Soldat der Königin zu werden, ist nicht so einfach, wie Ihr zu glauben scheint. Auch deucht Ihr mir ein schlechter Soldat zu sein, wenn Ihr nicht einmal Euer Pferd anbindet.“
Rod der abgesessen war, warf ihm ein spöttisches Lächeln zu und rief: „Gekab, vier Schritte zurück, einen halben nach links, dann vorwärts vier und einen halben, und dann bleib stehen, bis ich dich rufe.“
Der Posten riß den Mund weit auf, und die Augen quollen ihm aus den Höhlen, als Gekab den Befehl auf den Buchstaben genau ausführte.
„Du siehst, ich bin ein guter Soldat, und mein Pferd gehorcht mir aufs Wort. Es ist besser, es nicht anzubinden, weil es so jederzeit zu mir kommen kann, wenn ich es brauche.“ Seine Rechte schoß in einem Scheinangriff vor. Der Soldat wich erschrocken zurück, als Rods Bein ausholte und ihn hinter dem Fußgelenk traf. Klirrend ging der Posten in seiner Rüstung zu Boden. Rod entriß ihm die Lanze und warf sie unter das Fallgitter.
Tom trommelte begeistert mit den Fäusten auf den Rücken seines klapprigen Gauls, während der Soldat verzweifelt: „Zu Hilfe!“ brüllte.
Drei Wachen kamen herbeigestürzt. Der Unteroffizier blickte fragend von Rod auf den Posten und runzelte die Stirn. „Hilfe!
Wozu?“ erkundigte er sich barsch.
Der Posten deutete auf Rod. „Dieser Mann brachte mich zu Fall und nahm mir die Lanze fort!“
„Damit würde ich nicht prahlen“, murmelte Rod. Tom schüttelte sich vor Lachen.
„Ist das wahr, Mann?“ Der Unteroffizier funkelte Rod an.
„Es ist wahr“, versicherte ihm Rod.
„Nun denn!“ Der Unteroffizier stemmte die Hände an die Hüften.
„Nun denn was?“ erkundigte sich Rod und hob eine Braue.
Rods Haltung schien den Unteroffizier zu verwirren. „Nun denn, was war Euer Grund?“
„Ich möchte in die Armee der Königin eintreten, und dieser Bursche verlangte, daß ich erst zeige, was in mir steckt.“
Der Unteroffizier blickte von dem verblüfften Posten auf Rod und nickte. „Ihr sollt Eure Chance bekommen.“ Die „Chance“
bestand aus einem mit Breitschwert und Schild bewaffneten Sergeanten.
„Wollt Ihr Euch nicht einen Schild nehmen, Mann?“ brummte der alte Ritter, der der Hauptmann der Garde war.
„Nein, danke.“
„Nun, so kreuzt eure Waffen.“ Sir Maris seufzte. Rod und der Sergeant taten es. Sir Maris hinkte herbei und brachte sein eigenes Breitschwert hoch, um ihre Klingen zu trennen.