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zwei dampfende Krüge mit Glühwein vorgesetzt. Wortlos und ohne Bezahlung zu verlangen, zog der Wirt sich wieder zurück.

Rod blickte ihm mit einer erhobenen Braue nach. „Ihr benutzt kein Geld hier?“ fragte er Tuan.

„Nein.“ Der Junge lächelte. „Alle, die zum Haus Clovis kommen, bringen das bißchen Geld mit, das sie haben. Es wird in eine gemeinsame Kasse gegeben, und alle erhalten kostenlos Fleisch und Wein nach ihren Bedürfnissen.“

„Und einen Platz zum Schlafen, nehme ich an?“

„Ja, und Kleidung. Ein Gentleman würde darüber die Nase rümpfen, aber für meine armen Brüder sind es ungeahnte Herrlichkeiten.“

Rod studierte das Gesicht des Jungen und kam zu der Überzeugung, daß er es ernst gemeint hatte, als er Brüder sagte.

Er lehnte sich zurück und verschränkte die Beine. „Würdet Ihr Euch als religiös bezeichnen?“

„Ich?“ Tuan versuchte ein Lachen zurückzuhalten, aber es gelang ihm nicht ganz. „O nein! Ich wollte, ich wäre es, aber ich habe fünf Dutzend und mehr Sonntage keine Kirche von innen gesehen.“

Also, dachte Rod, waren seine Motive, den Armen zu helfen -

was immer sie auch sonst sein mochten —, jedenfalls nicht heuchlerisch. Er schaute in seinen Krug. „Ihr versorgt und kleidet also all diese Menschen mit den Almosen, die sie euch bringen?“

„Nein, es ist nur ein Anfang. Aber bei so vielen ernsthaften Beweisen unseres guten Willens fand unsere edle Königin uns einer Unterstützung würdig.“

Rod sperrte die Augen auf. „Ihr wollt damit sagen, daß die Königin euch allen unter die Arme greift?“

Tun grinste verschmitzt. „O ja, obgleich sie selbst es nicht weiß, wem sie hilft. Sie kennt das Haus Clovis nur dem Namen nach und gibt dem guten Brom O'Berin Geld, damit er für ihre

Armen sorgt.“

„Und Brom gibt es Euch?“

„Richtig. Und er seinerseits ist froh darüber, daß es weniger Meuchelmorde und Raub in den dunklen Gassen gibt.“

„Sehr schlau! Und es war Eure Idee?“

„O nein, die des Spötters, aber auf ihn wollte niemand hören.“

Rod starrte ihn an. „Der Spötter? Ihr meint, dieser, Verwachsene aus einer schlechten Schmierenkomödie ist der Anführer des Ganzen?“

Tuan runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Niemand will ihm folgen, Freund Gallowglass, es ist nichts Respekteinflößendes an ihm. Er ist der Wirt, der die Sachen verteilt, wie sie benötigt werden — nur ein Verweser, sozusagen, aber ein sehr guter. Einen besseren Kämmerer als ihn findet man nicht so leicht. Selbst der Schatzmeister der Königin kann ihm nicht das Wasser reichen.“

„Ich verstehe, nur ein Verweser.“ Aber auch der Mann, der die Finanzen verwaltet, fügte Rod in Gedanken hinzu. Und ebenfalls der Kopf des Ganzen. Tuan mag zwar mit Menschen umzugehen verstehen und sie dazu bringen, zu tun, was er will — aber weiß er überhaupt, was er will? Ja, natürlich, denn hatte der Spötter ihn nicht aufgeklärt? Was wiederum den Spötter zum wirtschaftspolitischen Mann im Hintergrund macht, und vermutlich verfaßt er auch Tuans Reden.

Rod lehnte sich zurück und rieb das Kinn. „Und Ihr schafft es, mit lediglich den Almosen, die die Bettler herbeibringen, und den Groschen der Königin, diesen dekadenten Luxus zu verschaffen?“

Tuan grinste ein wenig dämlich und beugte sich nickend vor.

„Aber es ist nicht einfach, Freund Gallowglass. Diese Bettler lassen sich nicht gern von irgend jemandem herumkommandieren. Es ist wahrhaftig nicht einfach, sie zu überreden, ihnen zu drohen, zu schmeicheln. Aber es ist die Mühe wert.“

Rod nickte. „Dazu gehört ein Mann ohne falschen Stolz und mit noch weniger falscher Bescheidenheit — einer, der seinen Mitmenschen ins Herz schauen kann.“

Tuan errötete.

„Ein solcher Mann“, fuhr Rod fort, „kann sich zum König der Bettler machen.“

Der Junge schüttelte mit geschlossenen Lidern den Kopf.

„Nein, es gibt hier keinen König, Freund Gallowglass!

Lediglich vielleicht einen Hausherrn.“

„Und Ihr wollt nicht König sein?“

„Das würden die Bettler sich nicht gefallen lassen.“

„So meinte ich es auch nicht.“

Tuan blickte Rod in die Augen. Das Lächeln schwand von seinem jungenhaften Gesicht. Als ihm die Bedeutung von Rods Worten klar wurde, verhärteten sich seine Züge. „Nein!“ sagte er grimmig. „Ich habe nicht vor, den Thron an mich zu reißen!“

„Warum wollt Ihr dann die Bettler gegen die Königin führen?“

Wieder überzog das jungenhafte Lächeln Tuans Gesicht. Er wirkte sehr selbstzufrieden. „Ah, dann wißt Ihr von meinem Komplott, und ich kann Euch offen heraus fragen: Schließt Ihr Euch uns an, wenn wir zur Burg marschieren?“

Rods Miene erstarrte, aber seine Stimme klang völlig ruhig.

„Weshalb ich?“

„Wir möchten so viele Freunde, wie es nur geht, in der Leibgarde der Königin…“

„Ihr müßt wohl schon eine ganze Menge haben, wenn Ihr bereits wißt, daß ich heute in der Garde aufgenommen wurde.“

Tuan grinste, er senkte die Lider. Etwas klirrte in Rods Gehirn.

„Wenn ich mich hier genauer umsähe“, sagte er bedächtig, „würde ich dann die drei Männer finden, die Euch heute abend überfielen?“

Tuan nickte, er grinste noch stärker.

„Also alles geplant, lediglich, um mich hierherzulocken! Ihr wißt wirklich mit Menschen umzugehen, TuanMcReady!“

Tuan errötete und blickte zu Boden.

„Aber was ist, wenn ich mich euch nicht anschließen will?

Läßt man mich dann das Haus Clovis lebend verlassen?“

„Nur, wenn Ihr ein guter Fechter und ein nicht weniger guter Zauberer seid.“

Rod nickte und ließ sich die Ereignisse der vergangenen beiden Tage durch den Kopf gehen. Einen Moment kam er in Versuchung mitzumachen, denn er zweifelte nicht daran, daß er sich nach der Revolution auf den Thron manövrieren könnte.

Aber nein, was Tuan gesagt hatte, stimmte. Es gehörte ein Mann mit einem angeborenen Talent der Massenbeeinflussung dazu, die Bettler zu beherrschen. Selbst wenn er auf den Thron kam, würde der Spötter, und wer immer auch hinter ihm stand, nicht tatenlos zusehen. Nein, die Machtstruktur mußte bleiben, wie sie war. Eine konstitutionelle Monarchie war die einzige Hoffnung auf Demokratie für diesen Planeten.

Und da war natürlich auch noch Catherine… Vielleicht war er wirklich in sie verschossen? Sie war das Traumbild seiner Jugend!

Aber ihm war Tuan vom ersten Augenblick an sympathisch gewesen. Wie konnte er sie beide mögen, wenn sie Gegner waren? Gewiß, es war möglich, daß Tuans Charme nur Tünche war, doch irgendwie bezweifelte es Rod. Nein, wenn Tuan wirklich am Thron interessiert gewesen wäre, hätte er Catherine den Hof machen und um sie freien können, und ganz sicher hätte er ihre Gunst gewonnen.

Also unterstützte Tuan die Königin. Wie er glaubte, ihr mit seiner Demagogie helfen zu können, war Rod zwar nicht klar, aber zweifellos war Tuan überzeugt, daß er es konnte.

Warum dann dieser ausgefallene Plan, Rod in das Haus Clovis zu locken? Natürlich, um ihn auf die Probe zu stellen, ob er als Leibwächter der Königin vertrauenswürdig war! Das ergab auch Sinn, wenn Tuan mit Brom O'Berin zusammenarbeitete, denn es war genau Broms

Art, auf diese ungewöhnliche Weise für eine Volksunterstützung der Königin zu sorgen. Doch warum dann diese Propagierung eines Marsches zur Burg? Vermutlich hatte Tuan eine Antwort darauf, und wenn er schon gerade bei Antwort war, mußte er nun auch endlich seine geben.

Er grinste Tuan an und erhob sich, mit der Hand um den Degengriff. „Ich werde mich euch nicht anschließen. Lieber versuche ich mein Glück mit Rapier und Magie.“