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Rod nickte schwer. Er hatte einen weiteren Fehler begangen. Söldner beschäftigen sich nicht mit Politik. „Sagt mir, wie Ihr heute abend ins Haus Clovis kamt.“ „Meine Königin“, erwiderte Rod ernst. „In einer Gasse war ein

Mann von drei Schurken überfallen worden. Ich stand ihm bei, und er nahm mich mit ins Haus Clovis, um mir mit einem Krug Wein zu danken. Auf diese Weise lernte ich Tuan Loguire kennen.“

Sie zog nachdenklich die Brauen zusammen. „Wenn ich Euch nur glauben könnte“, murmelte sie. Wieder ließ sie Schultern und Kopf hängen. „Ich werde in der Stunde der Wahrheit, die bevorsteht, alle meine Freunde brauchen“, murmelte sie. „Und ich glaube, Ihr seid der wahrste meiner Freunde, wenn ich auch nicht sagen kann, weshalb.“ Sie hob den Kopf zu ihm, und da sah er, daß ihre Augen tränenverschleiert waren. „Die Zeit ist nah, da jeder der Hohen Lords sich für oder gegen mich entscheiden muß, und ich fürchte, nur wenige werden meinem Banner folgen.“

Sie trat näher zu ihm, mit einem zitternden Lächeln auf den Lippen. Rods Herz pochte heftig in seinen Ohren. Dicht vor ihm blieb sie stehen und berührte das Medaillon um ihren Hals.

„Werdet Ihr mir an jenem Tag zur Seite stehen, Rod Gallowglass?“

Rod nickte verlegen und murmelte ein Ja. In diesem Moment hätte er ihr sicher die gleiche Antwort gegeben, selbst wenn sie seine Seele verlangt hätte. Und dann plötzlich war sie in seinen Armen, geschmeidig, grazil, und ihre Lippen vereinten sich mit seinen.

Einen zeitlosen Augenblick später senkte sie den Kopf und machte einen Schritt zurück, doch sie hielt sich an seinem Arm fest, als brauchte sie eine Stütze.

„Ich bin eine schwache Frau!“ murmelte sie. „Geht jetzt, Rod Gallowglass, mit dem Dank einer Königin.“ Sie sagte noch etwas, das Rod nicht so recht verstand, und irgendwie fand er sich auch schon vor der Tür in dem fackelerhellten Korridor.

Was immer man auch von ihren politischen Fähigkeiten halten mag, dachte er, sie versteht jedenfalls, einen Mann in ihre Dienste zu binden.

Er stolperte und fing sich. Das, wogegen er geprallt war, schob eine Hand an seine Hüfte, um ihn zu stützen. „Paß doch auf deine großen Füße auf“, brummte Brom O'Berin, „ehe du dir den Kopf einschlägst und die Fliesen beschmutzt.“ Der Zwerg studierte ihn besorgt, doch dann nickte er befriedigt. „Was brachte die Unterredung mit Catherine, Rod Gallowglass?“ fragte er.

„Was sie brachte?“ fragte Rod stirnrunzelnd. „Nun, ich leistete ihr den Treueid…“

„Ah!“ Brom nickte und es wirkte fast mitleidig. „Was mehr könntest du verlangen!“

Ja, was mehr konnte er verlangen? Er straffte das Kinn und plötzlicher Ärger stieg in ihm auf. Dieses Mädchen bedeutete ihm nichts — sie war nur eine Figur in dem großen Spiel, ein Werkzeug, mit dessen Hilfe sich eine Demokratie aufbauen ließ. Und warum wurde er so wütend? Dazu hatte er auch kein Recht! Zum Teufel! Er brauchte eine objektive Analyse.

„Gekab!“ Er wollte es gar nicht laut sagen, aber es entfuhr ihm wie Donnerhall. Brom O'Berin schaute ihn erstaunt an. „Was ist Gekab?“ wollte er wissen.

„Mein Rappe“, erklärte Rod verlegen, und da fiel ihm erst ein, daß der Roboter ja wieder einmal einen Kurzschluß hatte. „Ich habe mich heute nacht noch nicht um ihn gekümmert, und er ist die einzige Seele, der ich unbesorgt anvertrauen kann.“

Broms Augen wurden weich, er lächelte gütig. „Du bist nun einer von uns, Rod Gallowglass, einer der wenigen, die der Königin treu ergeben sind.“

Rod las die Zuneigung in den Augen des Trolles und fragte sich, was den Zwerg an Catherines Dienste band — und plötzlich haßte er sie wieder, weil es ihr Spaß machte, die Männer zu benutzen. Mit wütenden Riesenschritten eilte er den Korridor weiter, daß Brom seine liebe Not hatte, neben ihm zu bleiben.

„Wenn meine Menschenkenntnis mich nicht trügt“, knurrte er durch die Zähne, „so hat die Königin einen weiteren Freund im Haus Clovis, und doch nennt sie ihn ihren Feind. Wieso, Brom? Deshalb, weil er der Sohn ihres Feindes, des Herzogs Loguire ist?“

Brom hielt ihn mit der Hand an der Hüfte an und schaute mit halbem Lächeln zu Rod hoch. „Nicht ihr Feind, Rod Gallowglass, sondern jemand, den sie wahrhaft liebt. Er ist ihr Onkel, ihr Blutsverwandter, der sie fünf Jahre bei sich aufnahm und sich um sie sorgte, während ihr Vater die rebellierenden Barone im Norden niederwarf.“

Rod nahm die Augen nicht von Brom O'Berin. „Sie zeigt ihre Liebe auf seltsame Weise.“

Brom nickte. „Wahrlich seltsam, aber zweifle nicht daran, daß sie ihn liebt, sowohl den Herzog als auch seinen Sohn Tuan. Es ist eine lange verwickelte Geschichte, und das Ende und der Anfang ist Tuan Loguire.“

„Der Bettlerkönig?“

„Ja“, Brom nickte schwer. „Der Herr des Hauses Clovis.“

„Der die Königin liebt.“

„Der sie liebt und auch kein Hehl daraus macht.“

„Aber du glaubst ihm nicht?“

Brom verschränkte die Hände hinter seinem Nacken und stapfte mit gesenktem Kopf weiter. „Er spricht entweder die Wahrheit, Rod Gallowglass, oder er ist ein glaubhafter Lügner.

Er wurde von seinem Vater zur Wahrheit erzogen, und doch ist er Herr des Hauses Clovis, Herr jener, die darauf bestehen, daß der Herrscher wie der alte König Clovis gewählt werden soll, nämlich durch die Anerkennung jener, über die er herrscht.“

„Na ja, da haben sie die Geschichte ein wenig verfälscht“, brummte Rod. „Aber ich nehme an, ihre Pläne verlangen Catherines Sturz?“

„Ja. Und wie kann ich ihm da glauben, wenn er sagt, daß er sie liebt?“ Brom schüttelte traurig den Kopf. „Er ist ein äußerst wertvoller Mensch, großherzig, ehrlich und ein Troubadour,

der mit Laute, Liedern und Worten genauso gut umzugehen versteht wie mit dem Schwert. Er war immer von Grund auf anständig, und Unredlichkeit kannte er nicht.“ „Du scheinst ihn wohl recht gut gekannt zu haben.“ „O ja, das tat ich allerdings, aber kenne ich ihn jetzt noch?“ Brom seufzte tief und schüttelte den Kopf. „Als sie mit sieben auf die Burg der Loguires im Süden kam, war Tuan acht. Sie spielten und tobten unter meiner Aufsicht, und sie waren so unschuldig, Rod Gallowglass, und so glücklich. Er liebte sie schon damals. Er pflückte ihr Blumen für einen Kranz, und als sie versehentlich einen kostbaren Kelch zerbrach, nahm er die Schuld auf sich.“

„Damit verzog er sie nur“, brummte Rod. „Ja, aber er war nicht der einzige, der ihr den Narren machte, denn schon damals war sie die schönste aller Prinzessinnen. Doch über ihrem Glück stand ein düsterer Schatten, ein Bursche von vierzehn, der Erbe des Titels und der Ländereien — Anselm Loguire. Mit finsterem Gesicht schaute er vom Turm auf die beiden herab, wenn sie spielten. Er allein im ganzen Land haßte Catherine Plantagenet — warum weiß niemand.“ „Und er haßt sie immer noch?“

„Ja, und wir können deshalb dem Herzog Loguire nur ein besonders langes Leben wünschen. Nun, jedenfalls wuchs Anselms Haß noch fünf weitere Jahre, bis Catherines Vater sie nach seinem erfolgreichen Feldzug zurückholte. Damals schworen Tuan und Catherine — sie elf, er zwölf —, daß sie einander nie vergessen und sie auf ihn warten würde, bis er sie holen käme.“ Brom schüttelte traurig den Kopf. „Und mit neunzehn kam er auch, ein goldener, gutaussehender Prinz, breitschultrig, mit geschmeidigen Muskeln, mit Laute und Schwert. Und sie war achtzehn, bereit für einen Mann, und ihr Kopf mit Träumen erfüllt, wie sie einem Mädchen aus Büchern und Balladen erwachsen. Sie liebte ihn natürlich — welche Frau hätte es nicht getan? Er wußte nicht, wozu eine Frau da war, das könnte ich beschwören, und sie genausowenig, aber es könnte sein, daß sie es gemeinsam lernten. Ihr dürft mir glauben, sie hatten jede Gelegenheit dazu.“ Brom runzelte finster die Stirn. „Doch in jenem Frühjahr starb ihr Vater, und sie mußte das Zepter ergreifen. Und als Catherine die Krone aufsetzte, wurde ihr plötzlich klar, daß Tuan nur ein zweiter Sohn war und so nicht mehr als die Ehre seiner Familie erbte. Da behauptete sie, daß er sie gar nicht wirklich liebte, sondern es nur auf den Thron abgesehen hatte. Voll Grimm und Verachtung schickte sie ihn fort — ob mit oder ohne echten Grund konnten nur die beiden selbst wissen. Sie verbannte ihn in die Wildnis, mit einem Preis auf seinen Kopf, und dort sollte er unter den Tiermenschen und Elfen leben oder sterben.“ Wieder schwieg er. „Und Herzog Loguire erhob sich in berechtigtem Zorn?“