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Horatio Loguire verzog verächtlich das Gesicht. „Schafft sie aus meinen Gewölben, Mann. Es ist feucht genug hier, auch ohne ihren Wasserfall von Tränen.“

„Sofort, Mylord.“ Er holte ein Taschentuch aus seinem Ärmel und tupfte ihr das Gesicht ab. Er empfand eine unerklärliche Zärtlichkeit für sie und das Bedürfnis, sie zu beschützen.

„Ihr sitzt in der Falle, Mann!“ knurrte Horatio.

„Wer, ich? Das haben schon andere vergebens versucht.“

„Diesmal ist es gelungen. Und jetzt, hinaus mit ihr!“ Rod warf Horatio einen bösen Blick zu. Er hob das Mädchen, das sich offenbar nicht auf den Beinen halten konnte, auf die Arme, und wieder klammerte sie sich an seinen Hals. „Mein Lord“, wandte er sich noch einmal an den Obergeist. „Habt Ihr vielleicht die Güte, mich zu führen? Ich bin ein wenig

behindert…“

„Ja“, brummte Horatio und drehte sich um, doch zuvor war es Rod so, als husche die Spur eines Lächelns über das Geistergesicht.

Im bewohnten Burgteil stellte Rod das Mädchen wie der auf die Beine. Er mußte sich selbst eingestehen, daß er sie viel lieber noch länger auf den Armen getragen hätte. „Weshalb bist du mir gefolgt?“ fragte er.

Erschrocken blickte sie zu ihm hoch.

„Du mußt die Wahrheit sagen, Mädchen. Wer hat dich geschickt, mir nachzuspionieren?“

Sie hob den Kopf und schüttelte ihn heftig. „Niemand, Mylord!“

„Oh?“ Rod lächelte traurig. „Du willst doch nicht behaupten, daß du mir aus freiem Willen in die Spukgewölbe gefolgt bist!“

„Ich fürchte die Geister nicht, Mylord.“

Rod schaute sie überrascht an. Wenn das stimmte, hatte sie für eine Dienstmagd erstaunlichen Mut. Sie hatte, genau wie er, offenbar erst die Nerven verloren, als das schreckliche Ächzen anfing.

„Du hast mir noch nicht gesagt, weshalb du mir gefolgt bist.“

Sie biß sich erneut auf die Lippe, dann preßte sie die Worte widerwillig heraus. „Ich — ich fürchtete um Euch, Mylord.“

Rods Lippen verzogen sich zu einem trockenen Lächeln. „Um mich?“

„Ja!“ Jetzt sah sie ihn mit funkelnden Augen an. „Ich wußte ja nicht, daß Ihr ein Zauberer seid! Und ein Mensch — allein in diesen Gewölben…“ Sie senkte die Augen wieder.

Rod seufzte und drückte sie an sich. „Mädchen, Mädchen“, murmelte er. „Was hättest du denn schon tun können, um mir zu helfen?“

„Ich — ich kann ein wenig mit manchen Geistern umgehen, Lord. Ich hatte geglaubt…“

Rod schüttelte den Kopf. War es auf diesem verrückten

Planeten vielleicht üblich, mit Geistern zu verkehren? Er schloß die Lider und drückte seine Wange an ihr Haar. Er spürte ihren warmen, geschmeidigen Körper gegen seinen. Es war schön, sie zu halten, fast so schön wie Gwendylon… Er riß die Augen auf und starrte sie an. Er stellte sich die Gesichter der beiden Mädchen nebeneinander vor. Gwendylon mit dunkel gefärbtem Haar, die Augen ein wenig schräg gezogen, die Nase verlängert und gerade gezogen… Sie spürte seine Anspannung. „Was habt Ihr plötzlich, Lord?“ Ihre Stimme war ein wenig höher, hatte jedoch den gleichen Klang. Er schaute zu ihr hinunter. Ihr Teint war makellos, keine einzige Sommersprosse. Aber für ein Make-up brauchte man nicht unbedingt eine Technologie. Er deutete mit dem Zeigefinger zwischen ihre Augen. „Du“, sagte er, „hast mich beschwindelt!“

Einen flüchtigen Moment wirkte sie enttäuscht, doch dann schaute sie wieder völlig unschuldig drein. „Euch beschwindelt, mein Lord. Ich wüßte nicht…“ Rod tupfte auf ihre Nasenspitze und drehte den Finger ein wenig. Die Nasenspitze löste sich. Er lächelte grimmig. „Stärkemehl und Wasser! Das hättest du nicht zu tun brauchen, dein Himmelfahrtsnäschen gefällt mir viel besser.“ Er rieb mit der Fingerkuppe über die Augenwinkel, und schon waren die Augen nicht, mehr schräg, dafür war sein Finger schwarz. Kopfschüttelnd brummte er: „Na, hoffentlich bekommst du die Farbe auch so leicht aus deinem Haar! Ich verstehe nur nicht, warum du das gemacht hast! So wie die Natur es dir gegeben hat, ist dein Gesicht doch viel hübscher!“ Sie errötete. „Ich — ich konnte nicht ohne Euch sein, Herr.“ Er schloß die Augen und preßte die Zähne zusammen. Es kostete ihn alle Willenskraft, sie nicht an sich zu drücken. „Aber…“ Er mußte erst Luft holen. „Wie bist du mir gefolgt?“ Mit großen unschuldigen Augen schaute sie zu ihm hoch. „In der Tarnung eines Fischadlers, Lord.“

Er sperrte den Mund auf. „Du? Eine Hexe? Aber…“

„Ihr werdet mich doch deshalb nicht verachten, Lord?“ fragte sie ängstlich. „Ihr, der Ihr ein Zauberer seid.“

„Was? Ich? Nein, natürlich nicht. Ich meine — uh — einige meiner besten Freunde sind — uh…“

„Mein Lord?“ fragte sie besorgt. „Fühlt Ihr Euch nicht wohl?“

„Ich? Natürlich nicht? Nein, warte…“ Wieder mußte er erst Luft holen. „Du bist also eine Hexe? Und wenn schon. Ich bin viel mehr an deiner Schönheit als an deinen Fähigkeiten interessiert.“ Schnell holte er erneut Luft. „Aber wir müssen eines klarstellen.“

Sie schmiegte sich fest an ihn. „Ja, mein Lord?“

„Nein, nein! Das meinte ich nicht.“ Hastig wich er ein paar Schritte zurück und streckte die Hände aus, um sie abzuwehren. „Also, der einzige Grund, daß du mir folgtest, war deine Angst um mich, richtig? Weil du glaubtest, ich könnte mir selbst nicht helfen?“

Der Glanz ihrer Augen erlosch. „Ja, Mylord.“

„Doch jetzt weißt du, daß ich ein Zauberer bin und du keine Angst mehr um mich haben mußt. Also besteht kein Grund, mir weiter zu folgen, richtig?“

„Nein, mein Lord.“ Stolz hob sie das Kinn, und ihre Augen blitzten ihn trotzig an. „Ich werde Euch auch weiterhin folgen, Rod Gallowglass. Es gibt Magie in dieser Welt, von der Ihr nichts ahnt!“

Das Schlimmste war, dachte er, daß sie so verdammt recht hatte. Auf dieser verrückten Welt gab es bestimmt noch eine Menge Zauberei und sonstiges, das er sich nicht einmal vorzustellen vermochte. Aber andererseits gab es auch einiges, von dem sie nichts wußte. Als Amateurhexe, vermutlich, und zu alt, der Gewerkschaft beizutreten — sie war bestimmt schon fast so alt wie er! — , kannte sie vermutlich nur ein paar Tricks, beispielsweise, wie man sich zurechtmachte, und verfügte über die Fähigkeit, durch die Luft zu fliegen (aber er verstand immer noch nicht, wie sie die Täuschung, ein Vogel zu sein, so lange hatte aufrechterhalten können), und dann hatte sie Mut, wie man ihn bei einer Frau nicht erwartete. Aber wenn sie recht hatte, daß sie um ihn fürchten mußte, weil er immer noch in Gefahr war, so schien ihr nicht bewußt zu sein, daß sie sich in nicht weniger Gefahr befand. Nein, es hätte bestimmt keinen Sinn, ihr zu verbieten, ihm zu folgen — sie würde es trotzdem tun. Und er würde lebend seine Abenteuer überstehen, wie er es immer getan hatte, während sie irgendwo unterwegs den Tod fand. Oder vielleicht behinderte sie ihn auch so sehr, daß sie beide daran glauben mußten. Er schüttelte ganz leicht den Kopf. Nein, er durfte nicht zulassen, daß sie getötet wurde, also mußte er sie irgendwie loswerden — und er wußte auch schon, wie.

Er verzog das Gesicht zu einem säuerlichen Lächeln.,Es stimmt schon, was man von Bauernmädchen sagt. Wenn man auch nur ein bißchen nett zu ihnen ist, wird man sie nicht mehr los. Meine Teure, du bist schlimmer als eine Klette!“ Sie holte fast schluchzend Atem und preßte die Hand auf die Lippen. Tränen quollen aus ihren Augen. Sie biß sich in die Finger, wirbelte herum und rannte davon. Er starrte auf den Boden, bis ihre Schritte sich verloren und er ihr Schluchzen nicht mehr hörte. Er fühlte sich so elend wie selten zuvor. Eine schwere Faust hämmerte an die Eichentür. Rod kämpfte sich aus tiefem Schlaf und richtete sich im Heu auf. Tom und sein Mädchen starrten stumm auf die Tür. „Keine Angst“, brummte Rod. „Geister klopfen nicht.“