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Rod stand in der klammen Dunkelheit eines schmalen Ganges. Seine Rechte ruhte auf einem Hebel. Wenn er ihn nach unten drückte, mußte der Stein vor ihm zur Seite schwingen und sich eine Öffnung bilden, die groß genug war, ihn hindurchzulassen. Nach den Mienen der Lords, die ihre Gesichter Loguire zuwandten, würde es vermutlich notwendig werden, einzugreifen.

Der Mann unmittelbar vor dem Herzog war Anselm. Bourbon und di Medici standen links und rechts von dem jungen Mann, und Durer links von Loguire.

Der Herzog erhob sich schwer. „Hier in diesem Saal“, begann er, „sind alle von edlem Blut und die wahre Macht Gramayres zusammengekommen, um über eine passende Belehrung Königin Catherines zu beraten.“

Herzog Bourbon spreizte die Ellbogen und legte die Hände auf die Schenkel. Er erweckte den Eindruck eines großen

schwarzen Bären mit den zottligen Brauen und dem Urwald von einem Vollbart. „Nein, guter Onkel!“ widersprach er funkelnden Blickes. „Wir sind hier, um zu besprechen, wie wir sie stürzen können, sie, die unsere Ehre in den Schmutz zieht.“ Loguires Schultern strafften sich, seine Augen weiteten sich vor Entrüstung. „Nein!“ würgte er. „Es besteht nicht genug Grund…“

„Grund!“ Bourbons Stimme zitterte. „Sie hat uns höhere Steuern auferlegt als je in der Geschichte Gramayres und dann die Einnahmen an den Abschaum von Bauern vergeudet. Jeden Monat schickt sie ihre Richter zu uns, um sich Beschwerden von allen in unseren Ländereien anzuhören. Jetzt will sie auch noch die Priester selbst ernennen. Und da sagt Ihr, wir hätten nicht genug Grund? Sie beraubt uns unserer rechtmäßigen Herrschaft innerhalb unserer eigenen Domänen. Und um allem die Krone aufzusetzen, beleidigt sie uns auch noch vor allem Volk, indem sie sich erst die Petition von schmutzigen Bettlern anhört, ehe sie uns ihr Ohr leiht!“

Medici hatte sich zu seinem Ratgeber hinabgebeugt. Jetzt richtete er sich auf und rief: „Und hat ein Monarch je zuvor Petitionen seiner Bauern in seinem Audienzsaal angehört?“ „Nie!“ donnerte Bourbon. „Aber nun zieht die Königin Bettler und Bauern uns vor! Sie mißachtet alle Tradition! Und das jetzt, während sie noch ein Kind ist, mein verehrter Herzog Loguire. Was wird sie erst tun, wenn sie erwachsen ist?“ Er hielt kurz an, um Atem zu holen, dann knurrte er: „Wir haben gar keine andere Wahl, als sie zu stürzen!“

„Ja!“ pflichtete ihm di Medici bei, und alle anderen stimmten in das Ja ein, bis es durch den riesigen Saal hallte. „Und ich sage nein!“ donnerte Loguire über alle hinweg. Schweigen senkte sich auf die Anwesenden herab. „Sie ist unsere Herrscherin. Kapriziös, ja, und despotisch, hitzköpfig und eigensinnig, all das, ja, das ist sie. Aber das sind die üblichen Untugenden der Jugend, eines Kindes, das man die Grenzen seiner Macht erst noch lehren muß, und es ist an uns, sie ihr zu zeigen, sie darauf hinzuweisen, wo sie sie überschritten hat. Das dürfen wir tun, doch nicht mehr!“ „Eine Frau kann nicht weise regieren“, murmelte di Medicis Ratgeber, und di Medici griff es sofort auf. „Mein teurer Vetter“, wandte er sich an Loguire. „Gott schuf die Frauen nicht dazu, ein Land zu regieren.“

Sofort stieß Bourbon ins gleiche Horn. „Ja, guter Onkel! Weshalb will sie uns keinen König geben? Sie soll heiraten, wenn sie wirklich möchte, daß dieses Land weise regiert wird!“ „Es ist ihr Recht, zu regieren!“ polterte Loguire. „Sie ist vom Blute der Plantagenets, dem Herrschergeschlecht dieses Landes, seit es besteht! Mein guter Neffe, vergeßt Ihr so leicht den Eid, den Ihr diesem Namen geleistet habt?“ „Die Korruption macht auch bei Dynastien nicht halt!“ murmelte Bourbons Ratgeber mit funkelnden Augen. „Ja!“ donnerte Bourbon. „Das Blut der Plantagenets ist zu dünn, es brachte nur noch ein kleines Mädchen mit den Launen einer starrköpfigen Frau hervor. Wir brauchen neues Blut für unsere Könige!“

„Vielleicht das der Bourbons?“ fragte Loguire verächtlich. Bourbon lief tief rot an, aber schon rief di Medici: „Nein, teurer Vetter, das beste, das höchste Blut. Anselm Loguire wird unser neuer König sein!“

Loguires Kopf zuckte zurück, als hätte man ihm ins Gesicht geschlagen. Mit zitternder Hand stützte er sich auf die Stuhllehne. Er schaute zu seinem Sohn, der triumphierend nickte. „Es ist also ein abgekartetes Spiel! Schon vor dieser Zusammenkunft habt ihr euch besprochen — hinter meinem Rücken! Und wer hat euch dazu angestachelt?“ Mit finsterem Blick musterte er Durer.

„Du!“ brüllte er. „Vor fünf Jahren kamst du zu mir, und ich alter Narr war sogar noch erfreut darüber. Und dann kamen

nach und nach alle deine Bastarde — und immer noch hielt ich es für gut!“

Er wandte sich nach rechts. „Anselm, den ich einst meinen Sohn nannte, wach auf und hör mich an! Hüte dich vor dem Vorkoster, denn er hat die beste Möglichkeit, dich zu vergiften!“

Rod wurde plötzlich klar, wie die Zusammenkunft enden würde. Die Ratgeber durften das Risiko nicht eingehen, Loguire am Leben zu lassen. Der alte Herzog war immer noch stark und nicht unterzukriegen und es mochte ihm durchaus wieder gelingen, die Hohen Lords auf seine Seite zu bekommen.

Anselm legte die Hand auf Durers Schulter. Der Ratgeber hatte Loguire kategorisch verlassen und sich neben seinen Sohn gestellt. „Ich vertraue diesem Mann. Er war von Anfang an auf meiner Seite, und ich bin für seine Weisheit dankbar — so wie ich es für deine sein werde, wenn du dich uns anschließt.“

Loguire verengte die Augen. „Nein!“ spuckte er. „Lieber sterbe ich, als zum Verräter zu werden, wie ihr!“

„Ihr sollt haben, was ihr begehrt!“ rief Durer. „Welche Todesart zieht Ihr vor?“

Anselm starrte ihn an. „Halte dich zurück, Durer! Er ist ein alter Narr, ja, und steht gegen das Wohl des Landes. Aber er ist mein Vater, und ich werde nicht dulden, daß jemand Hand an ihn legt!“

Durer hob die Brauen. „Ihr wollt eine Schlange an Eurem Busen nähren, Mylord? Aber nicht Ihr allein habt zu entscheiden, sondern alle Lords.“ Er hob die Stimme. „Was sagt Ihr, edle Herren? Soll dieser Mann sterben?“

Rod überlegte. Er mußte Loguire herausholen. Er konnte die Geheimtür öffnen und den Herzog mitsamt Stuhl herausziehen, ehe die anderen wußten, was ge schah. Aber konnte er sie auch rechtzeitig wieder schließen? Die anderen waren zu nah. Und vor allem würde Durer schnell handeln.

Ein zögerndes, aber einstimmiges Ja hallte durch den Saal. Durer verneigte sich spöttisch. „Das Urteil, mein Lord, ist der Tod.“ Er zog das Rapier und holte aus. Im gleichen Augenblick erlosch das Licht. Rod blieb einen Moment wie erstarrt in der totalen Dunkelheit stehen, dann zog er mit aller Kraft den Hebel. Das Ächzen und Knarren des zurückgleitenden Steines brach die Totenstille, und sofort schrien alle durcheinander. Der Lärm würde Rod von Nutzen sein. Er tastete blind um sich und stieß gegen jemandes Brustkasten. Der Jemand brüllte und holte mit der Klinge aus. Sie zischte dicht über Rods Kopf hinweg. Eine Sekunde schaltete er das Licht seiner Dolchscheide an und erkannte den Jemand als Lord Loguire. Doch auch ein anderer hatte sich in dem flüchtigen Lichtschein orientiert. Ein knorriger, kleiner Körper stieß heulend vor Wut gegen Rod, und gleichzeitig stach eine Klinge in Rods Schulter. Durch reinen Zufall gelang es ihm, Durers Handgelenk zu fassen und den zurückgezogenen Dolch, der schon fast seine Kehle erreicht hatte, zu stoppen.