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Rod grinste noch breiter, faßte sie um die Mitte und schwang sie hoch zu einem sehr ausgedehnten Kuß.

„Mein Lord!“ Sie errötete und strich ihr Haar zurück.

Die Nachtluft trug ein plötzliches klatschendes Geräusch zu ihnen, das von Kreischen und Schreien begleitet wurde.

Die Wachen am Zelt zuckten hoch, dann drehten sie sich dem Eingang zu. Eine streckte die Hand aus, um die Lasche zurückzuziehen, aber die andere hielt sie zurück und rief: „Benötigt Eure Majestät Hilfe?“

„Draußenbleiben!“ schrie eine schmerzverzerrte Stimme. „Bei eurem Leben! Wagt es nicht, einzutreten!“

Die Wachen wechselten verwirrte Blicke, zuckten die Schultern und stapften zu ihren Posten zurück, allerdings nicht, ohne nervös über die Schulter zu schauen.

Die Schreie klangen gedämpfter und wurden zu Schluchzen.

Die klatschenden Laute verstummten völlig. Und dann war alles still.

Rod blickte zu Gwen hinunter. „Worüber amüsierst du dich jetzt?“

Sie widmete ihm einen Blick aus den Augenwinkeln. „Ich sagte Euch doch, Mylord, daß ich alle Gedanken, außer Euren hören kann.“

„Und?“

„Nun, ich höre sehr gute Gedanken aus dem Zelt.“

Die Lichter im Zelt erloschen.

Gwendylon kicherte und drehte sich um. „Kommt, mein Lord.

Es wäre unpassend, noch weiter zu lauschen. Auch müßt Ihr heute nacht früh zu Bett.“

„Wach auf, Rod Gallowglass!“ Etwas zerrte an seiner Schulter.

Rod knurrte und plagte sich, die Lider zu heben. „Was zum Teufel…“ Er hielt inne, als er Brom erkannte.

„Zieh dich an und komm mit“, brummte der Zwerg.

„Ich schlafe gewöhnlich in der Nacht vor einer Schlacht nicht

nackt.“ Vorsichtig erhob Rod sich, um Gwendylon nicht zu wecken. Zärtlich blickte er zu ihr hinab und drückte einen sanften Kuß auf ihre Wange. Sie murmelte etwas im Schlaf und lächelte.

Rods Züge verhärteten sich, als er Brom folgte, der bereits durch den vormorgendlichen Nebel stapfte und ihm barsch zuwinkte.

„Also, was ist passiert?“ knurrte Rod, als er Brom einholte.

„Sei jetzt still!“ schnaubte der Zwerg und öffnete den Mund nicht mehr, bis sie den Hügel hoch über den Zelten erklommen hatten. Erst da drehte er sich wild zu Rod herum und fuhr ihn an. „Sag es mir endlich! Liebst du sie?“

Verblüfft, aber völlig ruhig sagte Rod: „Du hast mich aufgeweckt, nur um mich das zu fragen?“

„Es ist wichtig für mich!“ donnerte Brom. „Liebst du sie?“

Rod verschränkte die Arme. „Was, zum Teufel, geht das dich an?“

Brom schaute weg. Seine Kiefer knirschten, und als er endlich sprach, war es, als würde ihm jedes Wort entrissen.

„Sie ist meine Tochter, Rod Gallowglass!“

Er blickte zu Rods entgeistertem Gesicht hoch, und ein spöttischer Zug huschte über seine Miene. „Es fällt dir wohl schwer, das zu glauben, eh?“ Er drehte sich um und blickte über das Tal. Mit der Erinnerung wurde seine Stimme weich und nachdenklich.

„Sie war nur eine Küchenmagd in der Burg des Königs, Rod Gallowglass — aber ich liebte sie. Klein war sie, nicht viel mehr als halb so groß wie andere Frauen, und doch einen Kopf größer als ich. Und sterblich, viel zu sterblich.

Und schön war sie, so schön! Auch wenn es seltsam erscheinen mag, obwohl sie so klein war, begehrten viele Männer am Hof sie. Doch sie liebte mich…“ Seine Stimme klang verwundert und fast ehrfürchtig. „Sie als einzige von allen lebenden Frauen, ob Elfe oder Sterbliche, sah mich nicht als Zwerg,

Troll, Elf oder König — nur als Mann. Und sie begehrte mich — und liebte mich…“

Er seufzte. „Ich liebte sie, Rod Gallowglass, ich liebte nur sie, und wir hatten ein Kind zusammen.“

Sein Gesicht verdunkelte sich. Er faltete die Finger hinter seinem Rücken und starrte finster auf den Boden. „Als sie wußte, daß sie schwanger war, und die Zeit verging und ihr Leib bald so angeschwollen sein würde, daß jeder es erkennen und sie mit grausamen Schmerzen quälen würde, obgleich wir verheiratet waren, schickte ich sie in den Wald zu meinem Volk. Mit Elfen und Gnomen als Hebamme gebar sie ein wunderschönes, lächelndes Kind, ein Halbelflein.“

Seine Augen glänzten feucht, als er fortfuhr: „Sie starb. Als ihre Tochter zwei Jahre alt war, starb sie an einem Fieber. Wir begruben sie unter einem Baum im Wald. Jedes Jahr besuche ich ihr Grab…“

Er hob den Blick zu Rod. „Aber ich hatte noch das Kind. Doch was sollte ich mit der Kleinen tun? Sie selbst aufziehen und wissen lassen, daß ihr Vater ein knorriger Zwerg ist, und sie so dem Spott der Menschen aussetzen, bis sie mich verabscheute?

Nein, sie wuchs im Wald auf, beschützt von den Elfen. Sie kannte das Grab ihrer Mutter, doch von ihrem Vater weiß sie auch jetzt nichts.“

Rod öffnete den Mund, aber Brom wehrte ihn ab. „Sei still! Es war und ist besser so. Und wenn sie es je von dir erfährt, Rod Gallowglass, dann reiß ich dir die Zunge an der Wurzel aus und säble dir beide Ohren ab!“

Mit steinernem Gesicht musterte Rod ihn, aber er wußte nicht, was er sagen sollte.

„Und deshalb wirst du es mir jetzt sagen!“ Brom stemmte die Fäuste in die Hüften und hob das Kinn. „Wisse, daß ich halbmenschlich bin und darum getötet werden kann — und es könnte leicht sein, daß ich heute noch sterbe!“ Seine Stimme wurde leiser. „Also, sag einem armen, besorgten Vater: liebst du sein Kind?“

„Ja“, antwortete Rod leise. Und dann: „Also war es kein Zufall, daß ich ihr auf meinem Ritt in den Süden begegnete?“

Brom lächelte säuerlich. „Natürlich nicht!“

Der Himmel färbte sich mit dem ersten Rot des Morgens, und der Nebel löste sich auf, als Rod in das Lager der Bettler ritt, um sie zu wecken. Aber Tuan war schon vor ihm dort. Er schüttelte jeden einzeln wach. Soldaten mit einer Riesenkanne Glühwein begleiteten ihn und drückten jedem einen Becher der dampfenden Flüssigkeit in die Hand.

Tuan blickte hoch, sah Rod und kam mit ausge streckten Armen und einem breiten Grinsen auf ihn zu. Er schlug ihm auf die Schulter und zerquetschte ihm fast die Hand. Eine tiefe, überströmende Zufriedenheit sprach aus seinen Augen.

„Meinen Dank, Freund Rod“, sagte er. „Wollt Ihr mein Leben?

Ihr dürft es haben! So tief stehe ich in Eurer Schuld!“

Tuan schien im Bettlerlager alles gut im Griff zu haben, also lenkte Rod Gekab zu den Reihen der Hexen. Auch hier war alles in bester Ordnung. Die Körbe mit Gurten standen bereit, und der Morgentrunk wurde ausgeschenkt. Es war ein starkes Getränk, eine Art Teekonzentrat mit ein wenig Weinbrand. Es erfüllte seinen Zweck als Stimulanz, indem es die Hexenkräfte zur höchsten Wirkung brachte.

Die Elfen waren überall im ganzen Lager und verteilten Talismane und Amulette an alle, die sie haben wollten. Hexen oder nicht Hexen, argumentierten die Kleinen, es war nie falsch, sicherzugehen. Die Glücksbringer konnten nicht schaden, im Gegenteil, vielleicht…

Für Rod gab es im Augenblick nichts zu tun, also ritt er Gwendylon suchen. Er fand sie inmitten einer Gruppe Hexen, alter Hexen für gramayresche Begriffe, sie waren bestimmt schon alle in den Zwanzigern. Gwendylon schien ihnen etwas zu erklären. Mit ernster Miene kratzte sie mit einem Stock Zeichen in den Boden. Die anderen klebten an ihren Lippen,

als hinge von jeder Silbe ihr Leben ab. Es schien also nicht gerade der richtige Zeitpunkt, sie zu stören So wendete Rod und ritt aus dem Lager hinaus auf das Bredenfeld. Die ersten Sonnenstrahlen vertrieben die letzten Nebelschwaden. Das Gras war noch feucht und kalt vom Tau, der Himmel klar und blau. Am Südrand der weiten Ebene spiegelte die Sonne sich auf Speerspitzen und glänzenden Rüstungen. Der Wind trug metallisches Klirren, Wiehern und den dumpfen Lärm eines erwachenden Kriegslagers herbei. Auch die Ratgeber waren früh auf.