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Rod stieg die Treppe hinunter und stolperte über eine straff gespannte Schnur. Er fuchtelte haltsuchend mit den Armen, bis etwas Hartes ihn auf den Hinterkopf schlug und er Sterne sah, die schließlich schwärzester Nacht wichen.

Ein rötliches Glühen war um ihn, und sein Schädel brummte.

Etwas Kaltes, Nasses strich über sein Gesicht. Er schauderte und wurde hellwach. Er lag auf dem Rücken mit einem hohen Kalksteinkuppeldach über sich. Dünne Kalksteinsäulen ragten herunter auf einen grünen Bodenbelag und vereinten sich mit anderen, in die Höhe ragenden Säulen — Stalaktiten und Stalagmiten, und der grüne Boden erstreckte sich in alle Richtungen bestimmt 46-

gut einen Kilometer weit. Er befand sich in einer riesigen Höhle. Das rötliche Glühen schien von überallher zu kommen.

Rod wollte die Hand ausstrecken, um das Moos zu berühren, das sich unter seinem Rücken feucht anfühlte, mußte jedoch feststellen, daß er weder Arme noch Beine bewegen konnte. Er hob den Kopf, um zu sehen, mit welcher Art von Stricken er gebunden war, doch es war nicht der dünnste Faden zu sehen.

Mannhaft kämpfte er gegen die Kopfschmerzen an, um klar denken zu können. „Gekab“, murmelte er. „Wo bin ich hier?“

Er bekam keine Antwort. Da fiel ihm ein, daß der Roboter einen Anfall gehabt hatte und er unterwegs gewesen war, um die Sicherung wieder einzudrücken.

Jetzt war er auf sich selbst gestellt.

Er seufzte und legte den Kopf wieder auf das Moos. Plötzlich begann rechts von ihm eine tiefe Stimme zu singen. Rod blinzelte.

Ein Feuer flackerte h einem kahlen Steinkreis. Ein Dreibein stand darüber, von dem ein blubbernder Kessel herabhing. Aus dem Deckel ragte eine Röhre. Wassertropfen sickerten vom Dach und trafen die Röhre. Eine Kanne stand unter dem Ende der Röhre und sammelte die Tropfen auf.

Eine primitive Schnapsbrennerei! Und der, der dieser sicherlich illegalen Beschäftigung hier nachging, war ganze fünfundvierzig Zentimeter groß, hatte ungemein breite Schultern, war kräftig gebaut, und trug Wams und Hose. Er hatte ein rundes, verschmitztes Gesicht, vergnügt zwinkernde Augen und einen breiten Mund, der zu einem pfiffigen Lächeln verzogen war. Auf dem Kopf trug er eine Robin-Hood-Kappe mit einer grellroten Feder.

Er mußte Rods Blick bemerkt haben, denn er schaute in seine Richtung. „Ha!“ sagte er. „Der Zauberer ist wieder zu sich gekommen.“

Rod runzelte die Stirn. „Ich bin kein Zauberer!“

„Ihr seid auch nicht aus einem fallenden Kometen gekommen

und genausowenig habt Ihr ein Pferd aus kaltem Eisen…“

„He!“ unterbrach ihn Rod. „Woher weißt du, daß das Pferd aus kaltem Eisen ist.“

„Wir sind das Kleine Volk“, antwortete der Troll ungerührt.

„Wir leben durch Eiche, Esche, Dorn, Holz, Luft und Gras.

Und jene, die durch das kalte Eisen leben, trachten nach dem Ende unseres Waldlands. Kaltes Eisen ist das Zeichen aller, die uns meiden; und deshalb erkennen wir kaltes Eisen, gleichgültig welcher Form oder Tarnung es sich bedient.“

Er drehte sich wieder zu dem Kessel um und hob den Deckel, um nach der Maische zu sehen. „Dann könnt Ihr auch hören, was eine halbe Meile entfernt gesprochen wird, und Euer Pferd läuft lautlos wie der Wind und schneller als ein Falke, wenn Ihr es so wollt. Aber ein Zauberer seid Ihr nicht, eh?“

Rod schüttelte den Kopf. „Ich bediene mich der Wissenschaft, nicht der Magie.“

„Das gleiche, nur ein anderer Name“, brummte der Elf. „Nein, nein, Ihr seid ein Zauberer und als solcher bereits auf ganz Gramayre bekannt!“

„Gramayre? Was ist das?“

Der Troll starrte ihn verblüfft an. „Die Welt, was sonst, Zauberer! Die Welt, in der wir leben, das Land zwischen den vier Meeren, das Reich Königin Catherines!“

„Oh! Sie herrscht über die ganze Welt?“

„Natürlich.“ Der Elf warf Rod einen Blick zu.

„Und wie heißt ihre Burg? Und die Stadt rundum?“

„Runnymede. Also wirklich, Ihr seid der ungebildetste Zauberer, der mir je begegnet ist!“ Der Troll drehte sich kopfschüttelnd um. Er goß ein wenig des Destillats aus der Kanne in einen Krug von der Größe eines Schnapsglases ab.

Rod wurde plötzlich bewußt, wie durstig er war. „Was braust du da eigentlich?“ fragte er. „Doch nicht Branntwein?“ Und als der Elf den Kopf schüttelte, versuchte er es weiter: „Gin? Rum? Aqua Vitae?“

„Nein, es ist ein Getränk anderer Art.“ Der Elf hielt den winzigen Krug an Rods Mund. Rod nahm einen Schluck und leckte sich die Lippen. „Schmeckt wie Honig! Gar nicht schlecht. Könnte ich das Rezept dafür haben?“ „Aber gewiß.“ Der Troll grinste. „Wir werden alles in unserer Macht Stehende für unseren Gast tun.“

„Gast!“ schnaubte Rod. „Ich möchte zwar eure Gastfreundschaft nicht anzweifeln, aber mir die Bewegungsfreiheit zu nehmen, ist nicht gerade meine Vorstellung eines Willkommens.“

„Oh, dagegen wird schon noch etwas unternommen werden.“ Plötzlich klickte etwas in Rods Gehirn. Die Härchen schienen sich ihm am Nacken aufzustellen. „Uh — ah — wir wurden noch nicht miteinander bekanntgemacht, aber sag, du heißt wohl nicht zufällig Robin Goodfel-low, alias Puck?“ „So ist es.“ Der Troll gab den Deckel wieder auf den Kessel. „Ich bin dieser fröhliche Wanderer der Nacht.“ Rod legte den Kopf wieder ins Moos. Das würde eine großartige Geschichte für seine zukünftigen Enkel abgeben, denn andere würden sie ihm sowieso nicht glauben. „Sag, Puck — ich darf dich doch Puck nennen?“ „Sicher dürft Ihr das.“ „Danke. Ich — uh — bin Rod Gallowglass.“ „Das wissen wir schon.“

„Nun, ich dachte nur, ich sollte mich vielleicht vorstellen. Du — ah — scheinst mir nicht böse gesinnt zu sein, darf ich deshalb fragen, weshalb ich — ah — gelähmt bin?“

„Ach das“, brummte Puck. „Wir müssen erst herausfinden, ob Ihr ein weißer oder schwarzer Zauberer seid.“ „Oh!“ Rod kaute an seiner Wange. „Wenn ich ein — ah — weißer bin, laßt ihr mich dann gehen?“ Puck nickte. „Aber was ist, wenn ihr mich für einen schwarzen haltet?“ „Dann, Rod Gallowglass, werdet Ihr bis zum Jüngsten Tag schlafen.“

„Ich habe zwar im Prinzip nichts gegen Schlafen, aber wäre das nicht ein bißchen lange? Wie kann ich beweisen, daß ich ein weißer Magier bin?“

„Ganz einfach, indem wir den Bann brechen, der Euch bindet.“ „Du meinst, indem ihr mich freigebt? Wie kann das als Beweis dienen?“

„Die Tatsache als solche nicht, sondern der Ort, wo wir es tun.“ Er klatschte in die Hände. Rod hörte das Trippeln Dutzender kleiner Füße von hinten auf sich zukommen. Man band ihm ein dunkles Tuch vor die Augen und knüpfte es am Hinterkopf fest. Er protestierte, aber man achtete überhaupt nicht darauf, sondern schleppte ihn davon. Nach einer Weile schlug feuchte Nachtluft in sein Gesicht, und er spürte, daß er hangaufwärts getragen wurde. Grillen zirpten und einmal heulte eine Eule. Dann ließ man ihn einfach auf den Boden plumpsen und nahm ihm die Binde ab. „Heh!“ stöhnte er. „Bin ich vielleicht ein Mehlsack?“

„Ihr seid jetzt frei, Rod Gallowglass“, klang Pucks Stimme in seinen Ohren. „Möge Gott Euch beschützen!“ Und schon huschte der Troll von dannen.

Rod setzte sich auf und bewegte seine Gliedmaßen. Er schaute sich um. Er saß auf einer mondbeschienenen Lichtung. Zu seiner Linken plätscherte ein Bach. Die Bäume waren wie glänzender Stahl mit Lamettalaub, mit schwarzen Schatten zwischen den Stämmen.

Einer der Schatten bewegte sich. Er wurde zur hochgewachsenen Gestalt in dunkler Mönchskutte mit Kapuze. Rod sprang hastig hoch. Die Gestalt kam langsam auf ihn zu. Zehn Schritt vor ihm blieb sie stehen und warf die Kapuze zurück. Zerzaustes, ungepflegtes Haar hing in ein eingefallenes, verbittertes Gesicht, aus dem die tiefliegenden Augen wie Kohlen brannten. Die Stimme klang wie ein Zischen: „Bist du deines Lebens so müde, daß du dich in den Käfig eines Werwolfs wagst?“