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„Was hast du denn da?“

„Oh, nur ein kleiner Zauber, den meine Mutter mich lehrte, als ich noch ein ganz winziges Kind war. Das Licht wird uns helfen, einen Weg durch dieses Labyrinth zu finden.“

Rod starrte sie an. „Und wie hast du die Fackeln im Saal gelöscht?“

„Das ist nicht so einfach zu erklären, Mylord. Haben wir Zeit?“

„Nein. Aber du warst es jedenfalls, hm? Ein weiterer Trick, den deine Mutter dich lehrte?“

Sie nickte, da bemerkte sie seine blutende Schulter. „Ihr seid verwundet, mein Lord!“ rief sie erschrocken. Erst jetzt wurden Rod die Schmerzen wieder bewußt. Er wollte sich an die Wand stützen, doch statt dessen drückte seine Hand auf etwas Weiches, Nachgiebiges, und schon schmiegte sich ein sanfter Körper an ihn. „Gwendylon! Hier ist wirklich nicht der richtige Ort…“

„Mit Euch ist überall der richtige Ort“, flüsterte sie in sein Ohr.

Rod versuchte, sich in die Wand hineinzudrängen. „Horch, Baby, wir haben jetzt nicht die Zeit dazu, doch wenn du uns sicher hier heraus führst, tue ich, was du willst!“

Sie sog die Luft ein. „Wahrhaftig, Lord?“

Rod wich zur Seite, so weit er konnte. „Nun, jedenfalls vierundzwanzig Stunden lang.“

„Das genügt“, versicherte sie ihm mit strahlendem Lächeln, und schon rarinte sie mit dem Licht voraus. Er

blickte ihr eine Sekunde nach, dann schoß er hinter ihr her und riß sie an sich. Erstaunt schaute sie zu ihm hoch. „Mein Lord, wir müssen uns beeilen…“

„Es dauert nicht lange.“ Er zog sie an sich und drückte die Lippen fest auf ihre. Sie seufzte glücklich und schob ihn von sich. „Und wofür war das?“

„Nur eine kleine Kostprobe“, murmelte er und wirbelte herum, als er ein tiefes, freundliches Lachen hinter sich hörte. Loguire war wieder zu Kräften gekommen.

Der Boden unter ihren Füßen wurde immer glitschriger, und Wasser rauschte irgendwo in der Nähe. „Beeilt Euch, meine Lords!“ rief Gwendylon. „Wir müssen fort sein, ehe sie daran denken, die Stallungen zu durchsuchen!“

„Kommen wir denn dort heraus?“ fragte Rod stirnrunzelnd.

„Nein, am Fluß. Aber wenn sie in den Stallungen nachsehen, wird ihnen auffallen, daß Euer Rappe und des Herzogs Brauner durchgegangen sind.“

„Was du nicht sagst! Und wo sind die Pferde?“ Er sprach ein wenig lauter als nötig.

„Am Flußufer“, erklang Gekabs Stimme hinter seinem Ohr.

„Tom ist auch hier.“

Rod unterbrach Gwendylon, als sie ihm antworten wollte. „Ich weiß, ich weiß, am Flußufer. Aber wieso brachte Tom sie…“

„Ich ersuchte ihn darum, Mylord. Mir kam der Gedanke, daß wir sie brauchen würden.“ Kann sie auch in die Zukunft sehen?

Fragte sich Rod. „Vorsicht, meine Lords!“ warnte da das Mädchen und stieg über etwas, das mitten auf dem Gang lag.

Rod blieb stehen und betrachtete es. Es War das Skelett eines winzigen Menschen, doch keines Kindes, den Proportionen nach. Es war mit Moder überzogen, konnte aber trotzdem noch nicht sehr lange hier liegen. „Was ist das?“

fragte er.

„Einer des kleinen Volkes, Lord.“ Ihre Züge verhärteten sich.

„Schwarzer Zauber breitet sich seit einiger Zeit in der Burg

aus.

Rod ignorierte Loguires Stöhnen. „Welche Art von Zauber?“

„Hier war es eine Art Singen — in der Luft! Doch nicht in den Ohren klang es, nur im Kopf. Euch oder mich hätte es nur aufgehalten wie eine Mauer, aber die Kleinen tötete es.“

Ein Kraftfeld! „Wann begann es?“

„Dieser Zauber wurde vor fünf Jahren gewirkt, Mylord, doch hielt er nicht länger als einen Monat an, denn sein Meister achtete nicht darauf, daß ich ihn unwirksam machte, noch errichtete er ihn erneut.“

Rod hielt so abrupt an, daß Loguire gegen ihn prallte. Er starrte auf die grazile, o so weibliche Gestalt, die voraus durch den Gang huschte. Dann schluckte er und folgte ihr wieder. Ein Energieschirm! Vor fünf Jahren! Als Durer auftauchte! Und sie hatte ihn neutralisiert! Mit neuem Respekt betrachtete er das Bauernmädchen. Sie steckte voll Überraschungen!

Das Kugellicht in Gwendylons Hand erlosch und der mit dichtem Grün verhangene Tunnelmund öffnete sich voraus.

Der Fluß rauschte nur wenige Meter entfernt vorbei. Es war kalt hier. Loguire fröstelte.

„Meister!“ Tom trat mit drei Pferden an den Zügeln aus den Schatten des Flußufers. Rod faßte Gwendylons Hand und rannte ihm entgegen. Aber sie hielt ihn energisch zurück.

„Nein, mein Lord! Erst müssen wir nach Eurer Schulter sehen!“

„Wir haben keine Zeit!“ protestierte Rod.

„Es würde uns unterwegs nur aufhalten!“ sagte sie streng, „und jetzt brauchen wir bloß wenige Minuten.“ Rod seufzte und kapitulierte. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus, als er ihr nachsah, wie sie zum Ufer rannte.

„Sie hat recht“, brummte Loguire und drehte Rod zu sich um.

„Beißt die Zähne zusammen!“ Er riß Rods Wams von der Schulter und löste dabei das verkrustete Blut. Rod schnappte nach Luft.

„Es ist gut, wenn es frisch blutet!“ knurrte Loguire. Und schon eilte Gwendylon mit einer Handvoll Krautern herbei und legte sie vorsichtig auf die Wunde, während Tom ihm einen Weinbeutel an die Lippen setzte. Und bereits fünf Minuten später schwang er das Mädchen auf Gekabs Rücken und setzte sich hinter ihr in den Sattel.

Als Gekab sich in Trab setzte, drehte sie sich zu Rod um.

„Aber, Mylord, ich brauche doch nicht…“

„Wir haben nur drei Pferde, Gwen. Mach dir keine Sorgen, mein Rappe schafft dein Gewicht spielend…“

„Aber, mein Lord, ich brauche wirklich nicht…“

„Still! Lord Loguire!“ rief Rod über die Schulter. „Führt uns, Ihr kennt das Land am besten.“

Loguire nickte stumm und trabte voraus. Rod brummte: „Unsere Spur ist deutlich wie eine Straße. Wir müssen uns beeilen, damit sie uns nicht einholen können!“

„Seht erst einmal hinter Euch, Lord!“ riet ihm Gwendylon. Rod drehte sich um. Mindestens hundert Elfen waren mit winzigen Besen dabei, die Spur zu verwischen.

„Großer Gott!“ murmelte Rod. „Gwen! Hast du das veranlaßt?“

Keine Antwort. Er wandte sich wieder nach vorn. Gwen war verschwunden! „Gwendylon!“ brüllte er erschrocken, und zerrte am Zügel, daß Gekab sich aufbäumte und anhielt.

Ein Schrei antwortete aus dem Himmel. Rod riß den Kopf hoch. Der Seeadler war wieder da! Und jetzt schoß er herab, kreiste um Rod und schrie drängend.

„Ja, ja, ich verstehe schon“, brummte Rod. „Marsch, weiter, Gekab!“ Aber das Pferd stand starr, und sein Kopf baumelte zwischen den Beinen. Das hatte kommen müssen. Aber er konnte es dem Roboter nicht einmal übelnehmen, auch für ihn war es ein Schock gewesen. Rod drückte auf den Schaltknopf.

Sie ritten die ganze Nacht hindurch. Loguire war so erschöpft, daß er sich kaum noch im Sattel halten konnte. Doch Rod ging es nicht viel besser. „Seht Ihr die Heuhaufen, Mylord?“ wandte

er sich an ihn. „Der Morgen ist nah, und wir können es nicht riskieren, während des Tages zu reiten. Wir wollen uns im Heu ausruhen.“

Loguire hob blinzelnd den Kopf. „Ja, ja“, murmelte er nur. Vor dem nächsten Heuhaufen half Rod ihm aus dem Sattel. Tom nahm den Pferden die Sättel ab. „Gekab“, flüsterte Rod. „Zieh dich mit den beiden Tieren irgendwohin zurück, wo ihr nicht so leicht entdeckt werden könnt, und schaff sie bei Sonnenuntergang wieder hierher.“ „Ist gut, Rod“, versicherte ihm der Roboter.

Rod schaute auf den alten Lord hinunter. Er war eingeschlafen.

Schnell bedeckte er ihn mit Heu, dann hielt er nach Tom Ausschau und sah, wie gerade seine Waden und Füße in einem Heuhaufen verschwanden. Sättel und Zügel waren bereits nicht mehr zu sehen.

„Ihr müßt Euch auch verkriechen, Herr“, erklang Toms Stimme gedämpft. „Die Bauern werden bald unterwegs sein, sie dürfen uns nicht sehen.“

„Glaubst du nicht, daß sie das Heu heute aufladen werden?“

„Nein, sie nehmen sich erst die Wiesen näher an der Burg vor.“

Mit einem Seufzer der Erleichterung kletterte Rod auf den nächsten Heuhaufen und grub sich eine tiefe Kuhle, in der er sich zufrieden ausstreckte. Als er die Augen schließen wollte, vernahm er einen sanften Vogelschrei, und der Seeadler ließ sich neben ihm nieder. Seine Gestalt dehnte sich in die Länge, und gleich darauf schmiegte Gwendylon sich an Rod.