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Ihr Kopf zuckte hoch. Tiefe Kränkung sprach aus ihren Augen. Heftig schüttelte sie den Kopf. „Nicht ich! Nein! Nicht das! Tyrann nie und nimmer!“

„Schon immer ein Tyrann“, widersprach Rod fast sanft. „Seit Eurer Geburt. Immer ein Tyrann gegenüber allen um Euch, obgleich es Euch bis jetzt nicht bewußt wurde. Aber jetzt wißt Ihr es, und es muß Euch nun klar sein, daß nur Ihr allein Schuld an der Rebellion tragt. Immer schlimmer bedrängtet Ihr Eure Edlen — zum Wohle des Volkes, wie Ihr sagtet!“ Er schaute sie scharf an. „Aber habt Ihr es nicht vielleicht auch getan, um festzustellen, wer unter ihnen es wagen würde, sich Euch zu widersetzen? Um zu erkennen, wer unter ihnen Männer sind?“

Verächtlich verzog sie das Gesicht. „Männer!“ Es klang wie die gemeinste Beschimpfung. „Es gibt keine Männer mehr auf Gramayre, nur noch Jungen, die sich damit zufrieden geben, das Spielzeug einer Frau zu sein.“

Rod verzog den Mund. „O doch, es gibt sehr wohl noch Männer hier — im Süden, und Männer im Haus Clovis, oder zumindest einen dort! Echte Männer, aber gutherzige Männer, die ihre Königin lieben und sich deshalb nicht gegen sie stellen wollen.“

Ihre Verachtung schien nur noch zu wachsen. „Nein, in Gramayre gibt es keine Männer mehr!“

„Ihr täuscht Euch“, entgegnete Rod ruhig. „Und sie marschieren bereits gen Norden, um es zu beweisen.“

Sie starrte ihn an, dann lehnte sie sich zurück. „Nun gut, so marschieren sie also nordwärts, und ich werde sie auf dem Bredenfeld stellen. Aber trotzdem befindet sich keiner unter ihnen, den ich einen Mann nennen könnte!“

„Oh, Ihr werdet sie also stellen? Was wollt Ihr als Armee benutzen? Und wer soll sie befehligen?“

„Ich werde sie befehligen!“ erwiderte sie von oben herab. „Ich und Brom. Und zwar fünfhundert Mann meiner Leibwache, siebenhundert meiner,Armee, und fünf Dutzend Ritter meiner Domänen.“

„Sechzig Ritter!“ Rods Mundwinkel verzogen sich verächtlich.

„Nicht genug für auch nur einen Sturm der Ritter aus dem Süden! Sechzig Ritter von wie vielen Hunderten Eures Reiches? Und alle anderen haben sich gegen Euch erhoben!

Von Euren zwölf hundert Fußsoldaten gegen Tausende der Rebellen ganz zu schweigen!“

Ihre Hände umklammerten die Stuhllehnen, um das Zittern der Finger zu verbergen. Furcht ließ sie erblassen.

„Wir werden für die Ehre der Plantagenets und Gramayres siegen oder eines edlen Todes sterben.“

„Von einem edlen Tod auf einem Schlachtfeld habe ich bisher noch nie etwas gesehen. Der Tod dort ist gewöhnlich recht grausam und blutig.“

„Seid still!“ fauchte sie. Schließlich hob sie stolz den Kopf, stand auf und schritt majestätisch zum wieder aufgerichteten Tisch. Sie ließ sich Pergament und Feder bringen und kritzelte etwas. Dann reichte sie Rod das gefaltete Schriftstück. „Bringt das meinem Onkel Loguire. Es ist eine Aufforderung an ihn, hier zu erscheinen, und gleichzeitig ein Passierschein, der ihm sicheres Geleit zusagt. Ich glaube, ich werde jeden, der mir ergeben ist, an meiner Seite brauchen.“

Rod nahm das Pergament und zerknüllte es in der Hand. Ohne die Augen von Catherine zu nehmen, warf er es in das Feuer.

„Ihr werdet jetzt einen Brief an den Herzog schreiben, den ich ihm überbringen werde“, sagte er mit eisiger Stimme. „Doch Ihr werdet ihm nichts befehlen, sondern ihn um die Ehre seines Besuches bitten!“

Ihre Haltung versteifte sich, sie schob das Kinn vor. Schnell sagte Rod etwas weniger kalt: „Na, na, meine Königin! Ihr habt alle Freiheit, könnt Ihr nicht ein wenig davon auf höfliche Manier verschenken? Oder wollt Ihr Euch von der Sünde des Stolzes davontragen lassen, und soll dann Euer Volk den Preis für Euren Stolz bezahlen?“

Sie funkelte ihn einen Moment wütend an, doch dann senkte sie die Augen und griff nach einem neuen Pergament. Nach ein paar Minuten reichte sie es Rod gefaltet. Er verbeugte sich und drehte sich stumm zur Tür um.

Etwas bewegte sich flink an einer Bodenleiste entlang und huschte hinter einen Wandteppich, wo es sich völlig still verhielt. Trotz der Schnelligkeit hatte Rod erkannt, daß es eine Maus gewesen war.

Er kniff die Lippen zusammen und war mit zwei langen Schritten an der Wand, wo er den Teppich hob. Die Maus blickte ihn mit weit aufgerissenen grünen und sehr intelligent wirkenden Augen an.

„Ich habe etwas gegen Lauscher“, sagte Rod kalt. Die Maus zuckte ein wenig zurück, starrte ihn jedoch trotzig an. Rod runzelte die Stirn über einen plötzlichen Einfall. Er hob die

Maus vorsichtig hoch und hielt sie in Augenhöhe. Dann bedachte er sie mit einem sanften, ja fast zärtlichen Blick. Ganz langsam schüttelte er den Kopf. „Du hast doch nicht wirklich geglaubt, ich brauchte hier Hilfe, oder?“ Die Maus senkte die Augen, und ihre Barthaare zuckten ein wenig.

„Mir deucht, dieser Mann ist besessen“, murmelte Catherine.

„Eure Majestät“, sagte Brom nachdenklich und mit seltsam leuchtenden Augen. „Ihr trefft den Nagel damit vielleicht genauer auf den Kopf als Ihr ahnt.“

Die Zugbrücke echote hohl unter Rods eiligen Schritten. Er rannte leichtfüßig den Burghang hinunter und verschwand in einem Fichtenwäldchen. „Gekab?“ rief er.

„Hier, Rod!“ Der Rappe trottete durch die Bäume. Rod klopfte ihm freundschaftlich auf die Metallflanke. „Wie, zum Teufel, wußtest du, daß ich hierherkommen würde?“

„Ganz einfach, Rod. Eine Analyse Eures Verhaltensmusters und die simple Tatsache, daß dieser Wald am nächsten…“

„Vergiß es!“ brummte Rod. „Hat Tom den Herzog zum Haus Clovis gebracht?“ Als der Roboter es bejahte, schwang er sich in den Sattel. Nach einer Weile fummelte er in seinem Wams und holte die kleine Maus hervor. „Offenbar ist es völlig egal, was ich dir sage“, brummte er. „Du tust ja doch nur das, was du willst.“

Die Maus senkte die Augen und versuchte schuldbewußt dreinzuschauen, aber ihre Barthaare zitterten erfreut. Zärtlich rieb sie ihre Wange an Rods Handrücken. „Hör gut zu“, sagte Rod. „Du begibst dich jetzt ins Haus Clovis, dort reite ich nämlich auch hin. Das ist ein Befehl!“ Die Maus blickte mit großen unschuldigen Augen zu ihm hoch. „Ich bin sicher, das ist ein Befehl, den du ausnahmsweise einmal befolgen wirst, denn dort wärst du sowieso hingelaufen.“ Seine Stimme klang besorgt, als er weitersprach: „Aber paß auf dich auf, hörst du?“

Er hob die Hand mit der Maus hoch und küßte sie sanft auf das

Naschen. Die Maus wand sich vor Begeisterung und tänzelte vor Freude auf seiner Hand herum, ehe aus ihren Vorderpfötchen winzige Flügel wurden und sie sich in einen Zaunkönig verwandelte. Rod blickte ihr nach, als sie durch die Luft flatterte.

Rod pochte an die Tür. Der bucklige, dürre Spötter öffnete. „Ja, Mylord?“ fragte er mit einem zahnstummeligen Lächeln. Rod hielt es für besser, ihm nicht zu zeigen, daß er ihn längst durchschaut und als den eigentlichen Kopf des Hauses Clovis erkannt hatte, deshalb tat er, als bemerke er ihn kaum, und brummte nur: „Bring mich zu Lord Loguire, Bursche.“

„Gewiß, Mylord.“ Der Spötter huschte voraus und öffnete die innere Tür. Rod trat hindurch — und mitten in einen Halbkreis von Bettlern und Dieben, die ihn in einer Dreierreihe mit Knüppeln und Dolchen erwarteten.

Rods Hände härteten sich zu Karateschwertern. Er wandte sich an den Spötter. „Ich komme als Freund.“

„O wirklich?“ Haß leuchtete aus den Augen des Buckligen.

„Auf welcher Seite steht Ihr denn? Auf der der Edlen? Der Königin? Oder seid Ihr für das Haus Clovis?“

„Genug deines Gequassels! Bring mich sofort zu Lord Loguire!“

„Das werden wir!“ Jetzt funkelten des Spötters Augen vor Hohn. Er warf einen Blick über Rods Schulter und nickte. Rod wollte sich umdrehen, aber da schien sein Schädel bereits zu explodieren.

Als er allmählich wieder zu sich kam, spürte er etwas Kaltes, Feuchtes unter seiner Wange. Alles um ihn wirkte verschwommen. Er schüttelte den Kopf, und fast hätte er vor Schmerzen aufgeschrien. Er blinzelte mehrmals, bis er endlich klarer sehen konnte. Ihm gegenüber lehnte Tuan Loguire mit dem Rücken gegen altersschwarzen Stein, aus dem von Eisenklammern Ketten herabhingen, die zu metallenen Armbändern um Tuans Handgelenke führten. Er hob eine Hand