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Eine Spinne rannte an einem Faden direkt vor seiner Nase von der Decke. Rod hüpfte zurück. „Alle guten Geister. Tu das

nicht, Mädchen!“ Er pflückte die Spinne vom Faden und streichelte sie vorsichtig mit einer Fingerspitze. „Zumindest hast du dich nicht in eine Schwarze Witwe verwandelt. Hm, übrigens bist du die hübscheste Spinne, die ich je gesehen habe!“

Die Spinne tanzte erfreut in seiner Handfläche.

„Hör zu, meine Süße, ich brauche eine Maus, die den Posten hierherlockt. Schaffst du das?“

Die Spinnenform verschwamm, und schon saß eine Maus auf Rods Hand. Das Tier sprang auf den Boden und huschte zur Ecke.

„Nein! Nein!“ Rod sprang ihr nach und hob sie vorsichtig wieder hoch. „Tut mir leid, mein Schätzchen, aber wie leicht könnte jemand auf dich treten, und das würde mir gar nicht gefallen.“ Er küßte das schwarze Naschen. Tom sog die Luft ein. Die Maus wand sich vor Ekstase.

„Nein“, sagte Rod, strich mit der Fingerspitze über ihren Rücken und zwickte sie in den Schwanz. „Du mußt eine aus Hexenmoos machen. Kannst du das, Liebling?“

Die Maus nickte, drehte sich um und konzentrierte sich auf das Hexenmoos am Boden der Wand. Aus einem Stück davon bildete sich nach und nach eine Maus. Tom schluckte und bekreuzigte sich.

Rod starrte ihn erstaunt an. „Ich dachte, du bist Atheist?“

„Nicht in einem solchen Augenblick, Herr.“

Die Hexenmoosmaus rannte um die Ecke. Tom faßte seinen Dolch an der Klingenspitze, um den Griff als Prügel zu benutzen.

Das Schnarchen um die Ecke wurde zu einem verärgerten Grunzen. „He, was knabbert da an mir?“ Der Hocker des Postens kippte klappernd um. Dann war zweimal ein wütendes Stampfen zu hören, und schließlich vernahmen die Wartenden eilige Schritte, und schon huschte die Maus um die Ecke.

Der Posten folgte ihr fluchend und rutschte an der Ecke aus. Er blickte hoch, sah Tom, und hatte gerade noch Zeit, die Augen entsetzt aufzureißen, als Toms Dolchgriff auf seinen Hinterkopf herabsauste.

Der Posten sackte wie abgesprochen bewußtlos in Tuans Arme.

Tom holte einen dünnen schwarzen Strick aus der Tasche.

„Das ist viel zu schwach, ihn zu halten!“ protestierte Tuan.

Aber Tom grinste nur und machte sich daran, den Posten zu verschnüren. „Geflochtene synthetische Spinnenseide“, erklärte er Rod leise.

„Das hast du gut gemacht, Kleines“, lobte Rod die Maus in seiner Hand. Sie hob erfreut das Naschen, dann schlüpfte sie zwischen den Knöpfen in sein Wams. „He, vorsichtig!“ mahnte Rod. „Das kitzelt!“

„Wo sollen wir ihn verstecken?“ fragte Tuan.

„Hier gibt es keine Verstecke“, brummte Tom.

„Da ist ein Fackelhalter an der Wand!“ Tuan deutete.

„Gut!“ Tom hob den verschnürten Posten hoch und hakte eine der Spinnenseidenschlingen um die Halterung.

„Und was ist, wenn jemand hierherkommt? Wir können ihn doch nicht einfach so hängen lassen?“ brummte Rod. Er griff in sein Wams und holte die Maus aus ihrer Erkundung seines Brustkastens zurück. „Hör mal, Baby, weißt du was eine dimensionale Krümmung ist?“

Die Maus rollte die Augen hoch und zuckte mit den Barthaaren, dann schüttelte sie energisch den Kopf. „Und eine Zeitfalte?“

Die Maus nickte eifrig. Dann spannte das kleine Mäusegesicht sich in tiefster Konzentration — und der Posten war verschwunden.

Tuan quollen die Augen aus den Höhlen, und er schnappte nach Luft.

Tom spitzte die Lippen, dann sagte er schnelclass="underline" „Ah — ja. Machen wir weiter.“

Rod grinste und setzte die Maus auf dem Boden ab. „Zieh dich zurück, Kleines, aber bleib in der Nähe, ich brauche dich vielleicht nochmal.“

„Der Spötter schläft wahrscheinlich in Tuans Gemach“, murmelte Tom. „Und ich hoffe, seine Hauptleute finden sich in seiner Nähe.“

„Glaubst du nicht, daß zumindest einer davon Wache hält?“ fragte Tuan.

Tom bedachte Tuan mit einem merkwürdigen Blick. Er hob eine Braue und sagte zu Rod: „Ein guter Mann, und gar nicht so dumm!“

Es gelang ihnen unbemerkt, einen Bogen um die einzige weitere Wache zwischen ihnen und der Wirtsstube zu schlagen. Die Stube selbst wurde nur durch die Glut in der offenen Feuerstelle erhellt, aber sie genügte, um den Fuß der mächtigen Treppe an der anderen Seite zu sehen. Eine Galerie ragte im oberen Stockwerk über die Stube hinaus. Die Türen dort führten in die Privatgemächer.

Ein breitschultriger Mann saß schnarchend und mit ausgestreckten Beinen in einem schweren Sessel neben der Feuerstelle. Am Fuß der Treppe stand ein gähnender, blinzelnder Mann Wache. Zwei weitere Posten lehnten sich schwer an die Pfosten einer Tür etwa in der Mitte der Galerie. „Schöne Bescherung“, brummte Tom. „Sie sind einer mehr als wir, und weit auseinander, daß zweifellos zumindest einer Alarm schlagen wird, während wir die anderen entwaffnen.“ „Von der riesigen, viel zu hellen Stube gar nicht zu sprechen, die wir überqueren müssen. Sie ist fast so groß wie der Audienzsaal der Königin“, fügte Rod hinzu. „Wir könnten unter den Tischen und Bänken hindurchkriechen“, schlug Tuan vor. „Bis wir dort sind, schläft die Wache am Fuß der Treppe vermutlich schon.“ „Damit hätten wir die beiden in der Gaststube hinter uns, aber was ist mit dem Paar auf der Galerie?“ „Oh, ich verstehe ein wenig mit der Steinschleuder

umzugehen“, versicherte ihm Tuan. Er brachte ein Stück schwarzes Leder zum Vorschein.

„Das ist eine Bauernwaffe“, knurrte Tom, „und nicht das Spielzeug eines Lordlings.“

„Ein Ritter muß mit allen Waffen umgehen können, Tom“, erklärte Tuan ein wenig von oben herab.

„Gehen wir's an“, bestimmte Rod. „Ich nehme mir den an der Feuerstelle vor.“

„Das werdet Ihr nicht!“ entgegnete Tom. „Ihr könnt den an der Treppe haben!“

„Oh? Gibt es einen bestimmten Grund dafür?“

„Ja.“ Tom grinste wölfisch. „Der in dem Sessel ist einer von des Spötters Hauptleuten, und er gehört zu denen, die mich ins Verlies warfen.“

„Na gut“, gab Rod nach. Sie legten sich auf den Bauch und krochen jeder auf sein Ziel zu. Rod schien eine Ewigkeit zwischen den Tisch— und Bankbeinen zu vergehen, und er befürchtete ständig, einer der beiden anderen könnte zuerst seinen Platz erreichen und des Wartens müde werden.

Plötzlich war ein dumpfer Krach zu hören. Einer mußte gegen einen der Tische gestoßen sein. Rod erstarrte.

„Was war das?“ rief eine Stimme. „He, Egbert, wach auf und kümmere dich um die Treppe, die du bewachen sollst.“

„Was — was ist los?“ brummte eine nähere, schläfrige Stimme, und dann eine tiefere, verärgert vom Feuer. „Mußt du mich wegen Nichtigkeiten aufwecken?“

„Etwas ist gegen einen Tisch gestoßen, Hauptmann! Ich habe es genau gehört“, erklärte die erste Stimme.

„Ja, eine Ratte, vielleicht. Eine verdammte Ratte!“ knurrte der Hauptmann und kauerte sich wieder tief in seinen Sessel.

Rod atmete erleichtert auf und wartete, daß der Posten an der Treppe wieder zu schnarchen anfing. Als er es tat, schlängelte er sich weiter durch Tisch- und Bankbeine, bis er unter dem Tisch lag, der der Treppe am nächsten war.

Von der Feuerstelle schrillte ein Pfiff, und dann war ein Krachen zu hören, als Tom einen Hocker umstieß, der ihm im Weg gestanden hatte.

Rod hastete zu seinem Mann. Aus dem Augenwinkel sah er Tuan hochspringen und die Schleuder wirbeln. Doch schon grub sich sein Kopf in den Bauch des Postens an der Treppe.

Der Mann sackte zusammen. Vorsichtshalber versetzte Rod ihm noch einen Nackenschlag. Als er hochblickte, bemerkte er, wie gerade einer der Posten auf der Galerie zu Boden ging. Der andere lag bereits sich windend daneben, mit den Händen auf den Hals gepreßt.

In fünf Sätzen erreichte Rod die Galerie. Er verpaßte dem sich Windenden einen Kinnhaken, daß er sich eine Weile schlafen legte. Der andere war nicht so glimpflich davongekommen.

Der Stein aus der Schleuder hatte ihm die Stirn zerschmettert.

Blut floß über sein Gesicht und sammelte sich zu einer Pfütze auf dem Boden.

„Verzeih mir, Mann“, flüsterte Tuan, als er seiner Schleuder Werk betrachtete.