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„Kriegspech, Tuan“, flüsterte er.

„Wäre er meinesgleichen, würde ich es auch so sehen“, murmelte der Junge. „Aber ein Mann meines Blutes hat die Bauern zu beschützen, nicht sie zu erschlagen.“

Rod musterte das ernste Gesicht des Jungen und dachte, daß es Männer wie die Loguires waren, die der Aristokratie das bißchen Berechtigung gaben, das sie hatte.

Es hatte nur diesen einen Toten gegeben. Der Hauptmann und die Treppenwache waren sicher mit Toms synthetischer Spinnenseide verschnürt.

„Ihr habt es gut gemacht“, lobte Tom Tuan. „Ihr mußtet Euch zwei vornehmen. Einen habt Ihr verschont. Macht Euch keine Vorwürfe des anderen wegen. Ihr hattet gar keine Zeit, besser zu zielen, ein so guter Schleuder er Ihr auch seid.“

Verwirrung zeichnete sich auf Tuans Gesicht ab. Er hatte nicht das Recht, sich Toms Einmischung zu verbieten, aber es war doch etwas ungewohnt, sich von einem Bauern loben und Entschuldigung gewähren zu lassen.

Rod lenkte ihn ab. „Ihr habt dort geschlafen?“ fragte er und deutete mit dem Daumen auf die Tür, die die beiden Posten bewacht hatten. Der Junge nickte stumm.

„Dann wird wohl jetzt der Bucklige sich dort einquartiert haben. Und du sagst, der Hauptmann unten gehört zum Stab des Spötters?“ Tom nickte.

„Also bleiben noch zwei Hauptleute. Was meint Ihr, ob sie nicht vielleicht in den anschließenden Zimmern zu finden sind?“ Als Tom erneut nickte, fuhr Rod fort: „Also, einen für jeden von uns. Ihr zwei nehmt Euch je einen der Hauptmänner vor, ich beschäftige mich mit dem Spötter.“ Er wandte sich der mittleren Tür zu, aber Toms Pranke fiel auf seine Schulter herab. „Wieso kriegt Ihr den Spötter, nicht ich?“

Rod grinste. „Glaubst du nicht, daß ich hier ein bißchen mehr zu sagen habe? Und außerdem, welchen Gürtel hast du dir errungen?“ „Braun“, brummte Tom. „Und der Spötter?“

„Schwarz“, erwiderte Tom widerstrebend. „Dan, fünfter Grad.“

Rod nickte. „Und ich ebenfalls schwarz, achter Dan. Du nimmst einen der Hauptleute.“

Tuan runzelte die Stirn. „Was ist das für ein Gerede über Gürtel? Und was ist Dan?“

„Nur eine kleine Kompetenzklarstellung. Zerbrecht Euch nicht den Kopf darüber.“ Rod wandte sich der mittleren Tür zu.

Tom griff nach seinem Arm. „Meister, wenn wir es geschafft haben, müßt Ihr mir Unterricht geben.“

„Gern, sogar bis zum Collegeabschluß, wenn du willst.“

„Danke.“ Tom grinste breit. „Nicht nötig, ich habe bereits einen Doktor gemacht.“

Rod starrte ihn an. „In welchem Fach.“

„Theologie.“

„Das hätte ich mir denken müssen. Du hast nicht zufällig neue atheistische Theorien aufgestellt?“

„Meister!“ antwortete Tom gekränkt. „Wie kann man die Existenz oder Nichtexistenz eines immateriellen Wesens durch Fakten beweisen?“

„Meine Herren“, sagte Tuan sarkastisch. „Ich unterbreche sehr ungern ein so gelehrtes Gespräch, aber es könnte ja sein, daß der Spötter jeden Augenblick aufwacht.“

„Hm? O ja, natürlich!“ Rod setzte sich wieder zur Tür zu in Bewegung. „Wir unterhalten uns später weiter darüber, Tom.“

Leise versuchte er die Tür zu öffnen, aber sie knarrte, krächzte, quietschte, wehrte sich gegen sein Eindringen. Der Spötter hatte sie offenbar als primitive, aber sehr wirksame Einbruchs sicherung absichtlich nicht geölt. Rod warf sich mit aller Kraft dagegen und stürzte ins Zimmer, noch ehe der Spötter „Mörder!“ brüllte und mit zum Schlag erhobener Hand aus dem Bett sprang.

Rod blockierte einen Handkantenschlag und hieb nach dem Solarplexus. Seine Hand wurde geschickt abgewehrt, während noch der Schrei des Buckligen in seinen Ohren hallte. Rod blieb gerade Zeit, den Humor des Schwarzengürtelträgers zu würdigen, der nach Hilfe brüllte, ehe er auf den gegen seine Leiste gerichteten Schlag aufmerksam wurde.

Er sprang zurück, und der Spötter ihm nach. Diesmal traf der Schlag. Rod rollte und wand sich vor Schmerzen auf dem Boden. Er sah den Fuß, der nach seinem Kinn ausholte, und es glückte ihm, seinen Kopf weit genug zu drehen, daß der Fuß lediglich seine Wange streifte. Sterne funkelten vor seinen Augen, und er versuchte, sie mit einem Kopfschütteln zum Verschwinden zu bringen.

Durch das Summen in seinen Ohren hörte er einen plötzlich abgewürgten Schrei, dann einen dumpfen Schlag, und schließlich brüllte Tom: „Eure Schleuder, Tuan! Auf den Schrei werden gleich Wachen herbeieilen!“

Der Riese beugte sich über ihn. Sein Gesicht war ganz nah.

„Wie schlimm seid Ihr verletzt, Meister?“

„Es geht schon“, keuchte Rod.

„Könnt Ihr aufstehen?“

„In einer Minute. Aber Gwen wird sich auf eine zeitweilige Enttäuschung gefaßt machen müssen. Wie hast du es fertiggebracht, Tom?“

„Ich hab' seinen Fuß beim Aufwärtsschwingen erwischt und ihn hochgeschleudert. Und ehe er landete, versetzte ich ihm noch einen Kinnhaken.“

„Ein Kinnhaken, der einen Schwarzengürtelträger ausschaltet!“ staunte Rod und rollte sich herum.

Ein Schrei außerhalb des Zimmers verstummte plötzlich, Rod hob lauschend den Kopf. Dann taumelte er, die Hände immer noch zwischen die Beine gepreßt, zur Tür und riß sie trotz Toms Protest auf.

Drei weitere Männer lagen reglos auf dem Steinboden der Gaststube, während Tuan, mit der Schleuder in der Hand, an der Galeriebrüstung stand. Sein Gesicht war fahl. „Erst kam einer“, berichtete er tonlos, „dann der zweite und schließlich der dritte. Die ersten beiden erwischte ich, ehe sie schreien konnten, aber beim dritten war ich zu langsam.“ Er drehte sich mit dem Rücken zur Brüstung und sagte hart: „Mir gefällt dieses Töten nicht!“

Rod nickte und ächzte, als der Schmerz ihn zu übermannen drohte. Er hielt sich am Geländer fest. „Kein echter Mann liebt es, Tuan. Aber es ist Krieg und Ihr dürft es nicht so schwer nehmen!“

„Oh, ich habe auch schon früher getötet“, murmelte Tuan.

Seine Lippen waren Striche. „Aber Männer zu töten, die mir noch vor drei Tagen zuprosteten…“

Rod schloß die Augen. „Ich verstehe. Aber wenn Ihr je ein guter König oder guter Herzog werden wollt, müßt Ihr lernen, damit fertig zu werden. Außerdem, vergeßt das nicht, würden

sie Euch getötet haben, wenn Ihr nicht schneller gewesen wärt.“

Tom trat auf die Galerie heraus. Den Spötter hatte er sich wie ein gut verschnürtes Paket unter den Arm geklemmt. Er schaute kurz in die Gaststube hinab. „Noch mehr Tote?“ Er legte den Spötter zwischen seine bewußtlosen Hauptleute und begann, sie zu fesseln. Einer hatte nur noch eine Narbe, wo sein Ohr sein sollte — ein Zeichen der königlichen Gerechtigkeit.

Rod nickte. Der Spötter hatte sich seine Helfershelfer sorgfältig ausgewählt. Sie hatten guten Grund, die Monarchie zu hassen.

Er richtete sich auf und zuckte vor Schmerz zusammen.

„Ihr solltet Euch setzen und ausruhen, Rod Gallowglass“, riet ihm Tuan.

Rod holte pfeifend Luft und schüttelte den Kopf. „Es ist nur schmerzhaft, weiter nichts. Sollten wir diese drei nicht ins Verlies schaffen?“

Tuans Augen funkelten. „Nein, es genügt, daß sie gebunden sind. Laßt sie hier, ich brauche sie.“

Rod runzelte die Stirn. „Ihr braucht sie? Was meint Ihr damit?“

Tom hob eine Hand. „Fragt nicht lange, Meister, wenn Tuan sie braucht, so laßt sie ihm. Dieser Junge versteht sein Handwerk. Ich habe nie einen Mann gesehen und selten von einem gehört, der eine Menschenmenge so überzeugen kann wie er.“ Er drehte sich um und rannte die Stufen hinunter. In der Wirtsstube untersuchte er die Gefallenen, dann verschnürte er einen, der noch lebte, ehe er sie alle unter die Galerie zerrte.

Den Hauptmann neben dem Feuer warf er sich auf die Schulter.

„Tom!“ rief Tuan. „Sei so gut und bring das Horn mit, das an der Wand dort hängt, und die Trommel daneben ebenfalls!“

Tom nickte. Er nahm das alte, verbeulte Jagdhorn von seinem Haken und klemmte sich eine der primitiven Trommeln -

nichts weiter als ein leeres Faß mit einem Fellbezug an einem

Ende — unter den Arm.

Rod runzelte verwirrt die Stirn. „Was wollt Ihr denn mit Horn und Trommel?“