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„Aus dem Weg! Aus dem Weg!“ brüllte jemand. Rod drehte sich um und sah einen Trupp Kavalleristen auf sie zukommen.

Hinter ihnen rollte eine vergoldete, kunstvoll verzierte Equipage.

Ein Herold ritt vorbei. „Macht Platz für die Kutsche der Königin!“ rief er.

Rod stupste das Pferd mit den Knien. Gekab stellte sich so an den Straßenrand, daß Rod einen guten Blick auf Kutsche und Eskorte werfen konnte.

Durch die nicht ganz zugezogenen Vorhänge sah Rodney eine schlanke Gestalt in einem dunklen Kapuzenumhang, ein feingeschnittenes Gesicht, von fast platinblondem Haar eingerahmt, große dunkle Augen und kleine, sehr rote Lippen, die leicht schmollend verzogen waren. Sehr jung war sie, fast noch ein Kind. Sie saß kerzengerade und wirkte ungemein zerbrechlich, aber auch absolut entschlossen — und irgendwie verloren in ihrer herausfordernden Haltung, die nur zu oft Furcht und Einsamkeit zu verbergen sucht.

„Rod!“

Rod zuckte zusammen. Ihm wurde bewußt, daß die Kutsche längst außer Sichtweite war. Wütend fragte er: „Was willst du, Gekab?“

„Ich fragte mich nur, ob Sie eingeschlafen sind.“ Der schwarze Kopf drehte sich Rod zu, die großen Augen schienen zu lachen.

„Der Traum, Rod?“

„Ich dachte, Roboter hätten keine Gefühle“, brummte Rod finster.

„Nein, aber wir haben es gar nicht gern, wenn unseren Schützlingen jene Eigenschaft fehlt, die man als klaren Menschenverstand bezeichnet.“

Rod bedachte ihn mit einem säuerlichen Lächeln. „Und natürlich wißt ihr Ironie zu schätzen, da sie logischen Ursprungs ist. Und Ironie deutet auf…“

„Eine Art Humor hin, ja. Und Sie müssen doch selbst zugeben, Rod, daß es gewissermaßen erheiternd ist, wenn ein Mensch ein Objekt seiner eigenen Erfindung quer durch die halbe Galaxis verfolgt.“

Rod kaute wütend an der Lippe und antwortete nicht. Also trabte Gekab durch das Gasthaustor. Ein Knecht kam aus dem Pferdestall. Rod warf ihm die Zügel zu und stapfte in die riesige Schankstube. Es ging hoch her in dem rauchigen Raum.

Alle der etwa zwanzig großen und mehreren kleineren Tische waren dicht besetzt. Beleuchtet war die Stube mit Fackeln und Talgkerzen, die auf die Gäste herabtropften und auch auf den Ochsen am Spieß.

Schenkburschen und kräftige, untersetzte Bauernmädchen sorgten für einen ständigen Nachschub aus Küche und Keller, um die Gäste nicht unnötig warten zu lassen. Das Geschäft ging gut heute abend.

Ein großer Mann mit schütterem Haar, vermutlich der Wirt, kam mit einer riesigen, dampfenden Platte aus der Küche. Er blickte auf und sah Rod in seinem goldnen und scharlachroten Wams, dem Degen und Dolch — vor allem den Beutel sah er —, und schon drückte er die Platte einer Schenkdirn in die Hand und rannte eifrig auf Rod zu.

„Wie kann ich Euch zu Diensten sein, mein guter Herr?“ fragte er.

„Mit einem Krug Bier, einem Steak so dick wie Eure beiden Daumen, und einem Tisch für mich allein“, sagte Rod lächelnd.

Der Wirt starrte ihn mit zum O geformten Mund an. Offenbar war Rods Benehmen ungewöhnlich. Und schon nahmen seine Augen einen berechnenden Ausdruck an. Man muß den Burschen ausnehmen, wie man kann, verriet er.

Rods Lächeln wandelte sich in eine finstere Miene. Er mußte

also anders vorgehen. „Worauf wartet Ihr?“ brüllte er. „Beeilt Euch, oder ich säble mir ein Stück von Eurem feisten Hintern ab!“

Sofort verbeugte sich der Wirt tief. „Aber gewiß, My-lord, sofort.“

„Erst den Tisch!“ erinnerte ihn Rod und packte den Wirt an der Schulter. Der Mann führte ihn zu einem Tisch neben einem aufrechtstehenden Baumstamm, der als Stützpfeiler diente.

Es gefiel Rod nicht, daß er hatte grob werden müssen, aber ein weichherziger Bourgeois im Mittelalter war unvorstellbar.

Als der Wirt sofort gesagt hatte, mußte er es wohl auch gemeint haben, denn Steak und Bier wurden bereits aufgetischt, als er noch kaum saß. Der Wirt rieb sich die Hände an der Schürze und blieb mit besorgtem Blick neben Rod stehen, vermutlich, um abzuwarten, ob der Gast auch mit dem Essen zufrieden war.

Rod öffnete die Lippen, um ihn zu beruhigen, als plötzlich seine Nasenflügel zuckten. Ein seliges Grinsen zog über sein Gesicht. Er blickte hoch. „Rieche ich Knoblauchwurst?“

„O ja, Euer Ehren!“ Wieder verneigte der Wirt sich tief.

„Knoblauchwurst der feinsten Sorte. Wenn Euer Ehren vielleicht…“

„Ja, meine Ehren möchte und zwar presto allegro!“ Der Wirt zuckte zurück wie Gekab manchmal auch und eilte davon.

Rod probierte das Steak und spülte mit einem Schluck Bier nach, als bereits ein Teller mit Wurst vor ihm aufgesetzt wurde.

„Sehr gut“, sagte Rod. „Und das Steak ist annehmbar.“

Erleichtert grinste der Wirt und wandte sich zum Gehen, doch dann drehte er sich wieder um. Er zerknüllte nervös den Schurz und murmelte: „Verzeiht, mein Herr, aber…“ Er scharrte verlegen mit den Füßen, ehe er fortfuhr: „Seid Ihr vielleicht ein Zauberer?“

„Wer ich? Ein Zauberer? Lächerlich!“ Rod fuchtelte mit dem Taschenmesser in die allgemeine Richtung des Wirtes, der daraufhin sofort die Flucht ergriff. Rod schüttelte den Kopf und überlegte, wie der Bursche auf die Idee gekommen sei, daß er ein Zauberer sein könnte. Vielleicht hätte ich nicht presto allegro sagen sollen, dachte er. Möglicherweise hielt er diese Worte für eine magische Formel. Und hatten sie nicht auch Wunder gewirkt? Er nahm einen Bissen Wurst und einen Schluck Bier. Er ein Zauberer! Verrückte Idee! Er war zwar der zweite Sohn eines zweiten Sohnes, aber das hatte noch lange nichts zu bedeuten. Außerdem müßte er als Zauberer einen Vertrag mit Blut unterzeichnen, und er konnte absolut keinen Tropfen entbehren. Er leerte seinen Krug und stellte ihn laut auf den Tisch. Sofort eilte der Wirt herbei, um ihn nachzufüllen. Rod wollte ihm dankend zulächeln, dann erinnerte er sich seiner Stellung hier und unterließ es. Er fummelte in seinem Beutel und berührte die unsymmetrische Form eines Nuggets — eine Währung, wie sie auch im Mittelalter akzeptiert wurde, aber schnell wurde ihm bewußt, daß er sich nicht zu großzügig zeigen durfte und holte statt dessen einen winzigen Silberbarren heraus.

Der Wirt drehte ihn in der Hand. Seine Augen drohten aus den Höhlen zu quellen. Ein gurgelnder Laut entrang sich seiner Kehle, ehe er seinen tiefsten Dank stammelte und sich wieder einmal eilig zurückzog.

Rod biß sich verärgert auf die Lippe. Offenbar ge nügte ein so winziges bißchen Silber hier, um sich auffällig zu machen. Aber das Pfund oder zwei gute Beefsteaks im Magen sorgte dafür, daß sein Ärger nicht anhielt. Er streckte die Beine aus, lehnte sich zurück, stocherte mit dem Messer zwischen den Zähnen und schaute sich um. Ihm fiel auf, daß etwas sehr merkwürdig in dieser Schenkstube war. Die Fröhlichen waren ein wenig zu übertrieben fröhlich und ihr Gelächter hatte einen finsteren Nachklang. Die Niedergeschlagenen dagegen waren auch wirklich niederge schlagen. Rod betrachtete die zwei Männer drei Tische von ihm entfernt.

Sie redeten mit sehr ernsten Gesichtern aufeinander ein. Er drehte den Stein seines Ringes und richtete ihn auf die beiden.

„Aber solche Versammlungen nutzen doch absolut nichts, solange die Königin uns ständig Soldaten auf den Hals hetzt!“

„Stimmt, Adam, und wir kommen nicht an sie heran, um mit ihr zu sprechen.“

„Dann müssen wir ein Gespräch mit ihr eben mit Gewalt erzwingen!“

„Welchen Sinn hätte es? Ihre Edlen würden nicht zulassen, daß sie uns gewährt, was wir verlangen.“

Adam hieb die Faust auf den Tisch. „Aber wir haben ein Recht auf Freiheit, ohne zu Dieben und Bettlern werden zu müssen!

Die Schuldnerkerker darf es nicht länger geben, und die Steuernebenfalls.“

„Ja, und auch dem Ohrabschneiden muß ein Ende gesetzt werden. Es ist eine zu harte Strafe für den Diebstahl eines Brotlaibs.“ Er rieb finster seine ohrlose Kopfseite. „Aber immerhin bemüht sie sich bereits, etwas für uns zu tun…“

„Ja, sie hat ihre eigenen Richter eingesetzt. Die hohen Lords werden nicht mehr nach eigenem Ermessen Strafen verhängen dürfen.“