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Dieses Buch ist dir gewidmet.

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Der erste Eintrag in Leslie Stewarts Tagebuch lautete: Liebes Tagebuch: Heute morgen bin ich dem Mann begegnet, den ich heiraten werde.

Es war eine schlichte, optimistische Feststellung, die nichts von den dramatischen Ereignissen ahnen ließ, die bald folgen sollten.

Es geschah an einem jener raren, glücklichen Tage, an denen nichts schiefgehen konnte. Leslie Stewart glaubte eigentlich nicht an Astrologie; so fiel ihr Blick an diesem Morgen beim Blättern im Lexington Herald Leader eher zufällig in Zoltaires Astrologischer Kolumne auf ihr Horoskop. Es lautete:

Löwe (23. Juli bis 22. August). Der Neumond erleuchtet ihr Liebesleben. Sie befinden sich auf dem Höhepunkt ihres Mondzyklusses und sollten einer aufregenden neuen Wende in Ihrem Leben grosse Beachtung schenken. Ihr kompatibles Sternzeichen ist Jungfrau. Der heutige Tag wird für Sie ein bedeutsamer Tag. Seien Sie bereit, ihn zu geniessen.

Bereit sein zu genießen? dachte Leslie spöttisch. Für sie würde der heutige Tag genauso verlaufen wie alle anderen Tage auch. Sterndeuterei war Unsinn - Zuckerwatte für geistig Minderbemittelte.

Leslie war PR-Agentin bei der Presse- und Werbeagentur Bailey & Tomkins in Lexington, Kentucky, und auf ihrem Terminkalender waren für den Nachmittag drei Sitzungen anberaumt: die erste mit Managern der Kentucky Fertilizer Company, die äußerst angetan waren von der neuen Werbekampagne, die Leslie soeben für sie entworfen hatte und bei der ihnen ganz besonders der Aufmacher gefieclass="underline" »Wenn Sie Rosen riechen möchten ...« Beim zweiten Termin würde sie es mit der Breeders Stud Farm, beim dritten mit der Lexington Coal Company zu tun haben. Ein bedeutsamer Tag?

Leslie Stewart - Ende Zwanzig, mit einer provozierend schlanken Figur - war eine aufregend exotische Erscheinung: dunkelgraue Augen, hohe Wangenknochen und honigblondes, seidiges Haar, das sie lang und auf eine sehr elegante Weise schlicht trug. »Wenn man ein schöner Mensch ist«, hatte ihr einmal eine Freundin erklärt, »und Verstand sowie eine Möse hat, dann gehört einem die ganze Welt.«

Leslie Stewart war ein schöner Mensch; sie besaß einen IQ von 170, und an weiblichen Reizen hatte die Natur bei ihr nicht gespart. Sie persönlich empfand ihr Aussehen allerdings eher als Handicap. Denn die Männer machten ihr zwar laufend unsittliche Angebote oder gar Heiratsanträge, aber nur selten einen ernsthaften Versuch, sie wirklich kennenzulernen.

Von zwei Sekretärinnen abgesehen, war Leslie in der Agentur Bailey & Tomkins die einzige Frau, während es fünfzehn männliche Angestellte gab, denen sie allen, wie ihr bereits nach einer Woche klargeworden war, an Intelligenz überlegen war -eine Entdeckung, die sie freilich für sich zu behalten beschloß.

Anfangs hatten beide Firmengesellschafter, der ruhige, übergewichtige Jim Bailey, der in seinen Vierzigern war, und der zehn Jahre jüngere, magersüchtige und überdrehte Al Tomkins - ohne gegenseitiges Wissen - versucht, sie ins Bett zu kriegen.

Sie hatte beiden mitgeteilt: »Wenn Sie davon noch einmal anfangen, kündige ich.«

Und damit hatte sich dieses Problem erledigt. Leslie war für die beiden eine zu wertvolle Mitarbeiterin, um das Risiko einzugehen, sie zu verlieren.

Den Kollegen hatte Leslie während ihrer ersten Arbeitswo-che in der Kaffeepause einen Witz erzählt.

»Drei Männer begegneten einer Fee, die jedem einen Wunsch zu erfüllen versprach. Daraufhin sagte der erste Mann: >Ich möchte gern fünfundzwanzig Prozent klüger sein.< Die Fee zwinkerte mit den Augen, und der Mann sagte: >He, ich fühle mich schon klüger. < Der zweite Mann sagte: >Ich wünsche mir, fünfzig Prozent klüger zu sein.< Die Fee zwinkerte, und der Mann rief: >Das ist wunderbar. Ich glaube, jetzt verstehe ich Dinge, die ich vorher nie verstehen konnte. < Der dritte Mann sagte: >Ich würde gern hundert Prozent klüger sein.<

Daraufhin hat die Fee gezwinkert, und der Mann verwandelte sich in eine Frau.«

Leslie schaute die drei Männer, die mit ihr zusammen am Tisch saßen, erwartungsvoll an. Alle drei machten ein langes Gesicht und schwiegen; sie fanden die Geschichte offenbar gar nicht lustig.

Das hatte gesessen.

Der bedeutsame Tag, den der Astrologe verheißen hatte, begann morgens um elf Uhr, als Jim Bailey in Leslies kleines, enges Büro trat.

»Wir haben einen neuen Kunden«, verkündete er. »Ich möchte Sie bitten, ihn zu übernehmen.«

Sie betreute bereits mehr Kunden als jeder andere Kollege in der Agentur, hütete sich aber, zu protestieren.

»Gut«, sagte sie. »Um was für eine Sache handelt es sich?«

»Es handelt sich überhaupt nicht um eine Sache, sondern um eine Person. Einen Mann. Sie haben bestimmt schon von Oliver Russell gehört, oder?«

Oliver Russell kannte jeder. Er war ein heimischer Anwalt, der für das Amt des Gouverneurs kandidierte; sein Gesicht prangte in ganz Kentucky auf Plakattafeln. Aufgrund seiner brillanten Anwaltstätigkeit galt er mit seinen fünfunddreißig Jahren als der begehrteste Junggeselle im Bundesstaat. Er war

Gast bei allen Talkshows der wichtigen Fernsehsender in Lexington - WDKY, WTVO, WKYT - sowie der beliebten Lokalradiosender WKQQ und WLRO. Er war ein auffällig gutaussehender Mann, mit schwarzem, widerspenstigem Haar, dunklen Augen, sportlichem Körper und freundlichem Lächeln, und er stand in dem Ruf, mit den meisten Frauen Lexingtons geschlafen zu haben.

»Doch, ich habe von ihm gehört. Was werden wir für ihn tun?«

»Wir werden ihm helfen, Gouverneur von Kentucky zu werden. Er ist übrigens bereits unterwegs zu uns.«

Wenige Minuten später traf Oliver Russell ein und war sogar noch beeindruckender als auf den Fotos.

Er schenkte Leslie ein warmes Lächeln, als sie einander vorgestellt wurden. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört, und ich bin sehr froh, daß Sie meine Wahlkampagne in die Hand nehmen werden.«

Er war so ganz anders, als Leslie erwartet hatte. Der Mann strahlte eine geradezu entwaffnende Ehrlichkeit aus. Es verschlug Leslie im ersten Moment fast die Sprache.

»Ich ... danke für das Kompliment. Nehmen Sie doch bitte Platz.«

Oliver Russell ließ sich nieder.

»Gestatten Sie, daß wir einfach mit dem Anfang beginnen«, sagte Leslie. »Warum kandidieren Sie überhaupt für das Amt des Gouverneurs?«

»Aus einem ganz schlichten Grund. Kentucky ist ein wundervolles Land. Wir wissen das, weil wir hier leben und seinen Zauber erfahren können - der größte Teil der amerikanischen Bevölkerung hält uns Menschen aus Kentucky jedoch für eine Horde von Hinterwäldlern. Und das möchte ich ändern. Kentucky hat mehr zu bieten als ein Dutzend anderer Bundesstaaten zusammengenommen. Hier hat die Geschichte unseres Landes angefangen. Wir haben eine der ältesten Kapitolbauten von

Amerika. Kentucky hat Amerika zwei Präsidenten geschenkt. Es ist das Land von Daniel Boone, Kit Carson und von Richter Roy Bean. Wir haben die schönste Landschaft der Welt -überwältigende Schluchten, Flüsse, Rispengrasweiden -, einfach alles, und dafür will ich der übrigen Welt die Augen öffnen.«

Er sprach mit tiefer Überzeugung. Leslie spürte seine starke Anziehungskraft und mußte an ihr Horoskop denken. Der Neumond erleuchtet Ihr Liebesleben. Der heutige Tag wird für Sie ein bedeutsamer Tag sein. Seien Sie bereit, ihn zu genießen.

»Die Kampagne wird aber nur überzeugen können«, merkte Oliver an, »wenn Sie ebenso fest daran glauben wie ich.«

»Ich glaube fest dran«, erwiderte Leslie schnell. Allzuschnell? »Ich freue mich auf diese Arbeit.« Sie zögerte kurz, bevor sie es aussprach: »Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«

»Gewiß doch.«

»Welches Sternzeichen sind Sie?«

»Jungfrau.«

Als Oliver Russell gegangen war, begab Leslie sich ins Büro von Jim Bailey. »Der Mann gefällt mir«, sagte sie. »Er ist aufrichtig. Ihm geht es wirklich um die Sache. Ich glaube, er wird ein guter Gouverneur.«