»Da haben Sie sich auf ein verdammt riskantes Lotteriespiel eingelassen, aber es hat funktioniert«, räumte Craig McAllister widerwillig ein.
»Das war keineswegs ein Lotteriespiel«, korrigierte ihn Les-lie. »Die Leute können nicht widerstehen, wenn sie etwas umsonst kriegen können.«
Als Walt Meriwether die Aufstellung der neuesten Absatzzahlen in die Hand bekam, geriet er außer sich vor Wut. Es war seit vielen Jahren das erste Mal, daß die Sun mehr Exemplare verkaufte als der Chronicle.
»Na schön«, meinte Meriwether grimmig zu seinen Managern. »So ein blödes Spiel können wir schließlich auch. Dann reduzieren wir eben unsere Anzeigentarife. Und denken Sie sich irgendein Preisausschreiben aus.«
Da war es aber schon zu spät. Elf Monate nach Leslies Übernahme der Sun ersuchte Walt Meriwether sie um eine Unterredung.
Er war kurz angebunden. »Ich verkaufe«, sagte er. »Sind Sie an einem Kauf des Chronicle interessiert?«
»Ja.«
Am Tag der Unterzeichnung des Kaufvertrags für den Chronicle rief Leslie erneut eine Betriebsversammlung ein.
»Von Montag an«, gab sie bekannt, »erhöhen wir den Preis der Sun. »Wir setzen die Anzeigentarife aufs Doppelte fest und hören mit den Preisausschreiben auf.«
Einen Monat später teilte Leslie Craig McAllister mit: »Der Evening Standard in Detroit steht zum Verkauf. Zu diesem Zeitungsverlag gehört übrigens auch ein Fernsehsender. Ich denke, da sollten wir zuschlagen.
McAllister protestierte. »Aber Mrs. Chambers, wir verstehen nicht das mindeste vom Fernsehen und .«
»Dann werden wir es eben lernen müssen, nicht wahr?« Das Medienimperium, das Leslie für ihre Pläne benötigte, nahm langsam Gestalt an.
6
Olivers Tage waren randvoll mit Terminen gefüllt, und er genoß jedes Detail, jede Sekunde seiner Tätigkeit, ob es sich nun um Ernennungen zu politischen Ämtern, um das Einbringen von Gesetzesvorlagen, um die Bereitstellung von Mitteln für bestimmte Zwecke, um die Teilnahme an Sitzungen und Konferenzen, um Ansprachen oder Presseinterviews handelte. Das State Journal in Frankfort, der Herald Leader in Lexington und das Louisville Courier Journal äußerten sich in geradezu überschwenglichen Berichten und Kommentaren zu seiner Amtsführung. Er bekam den Ruf eines Gouverneurs, der die Dinge anpackte. Und er fand Zugang zum gesellschaftlichen Leben der Superreichen - in diesem Punkt war er sich allerdings völlig darüber im klaren, daß seine Akzeptanz in diesen Kreisen zum großen Teil darauf zurückzuführen war, daß er mit der Tochter von Senator Todd Davis verheiratet war.
Es gefiel Oliver gut in Frankfort, einer schönen historischen Stadt in einem malerischen Flußtal gelegen, inmitten der Hügellandschaften der legendären Bluegrass-Region Kentuckys. Es gefiel ihm so gut, daß er sich fragte, wie wohl ein Leben in Washington D.C. aussehen könnte.
Die gedrängt vollen Tage dehnten sich zu Wochen, und die Wochen zu Monaten, bis auf einmal das letzte Jahr seiner Amtszeit begonnen hatte.
Oliver hatte Peter Tager zu seinem Pressesekretär ernannt, und eine bessere Wahl hätte er gar nicht treffen können, denn Tager war der Presse gegenüber stets offen und direkt und wegen der anständigen altmodischen Werte, für die er stand und von denen er so gern sprach, verlieh er der Partei Substanz und Würde. Peter Tager und seine schwarze Augenklappe wurden der Öffentlichkeit ein beinah ebenso vertrautes Bild
wie Oliver.
Todd Davis ließ es sich nicht nehmen, mindestens einmal monatlich zu einer Unterredung mit Oliver nach Frankfort zu fliegen.
»Wenn man einen Vollblüter besitzt«, erklärte er Peter Tager eines Tages, »muß man ihn gut im Auge behalten, damit er nicht sein Gespür fürs Timing verliert.«
Es war an einem kalten Oktoberabend, als Oliver und Senator Davis nach einem Abendessen mit Jan im Restaurant Gabriel zur Executive Mansion zurückgekehrt waren und nun beisammensaßen. Jan hatte sich zurückgezogen, damit die beiden Männer in Ruhe miteinander reden konnten.
»Ich bin froh, daß Jan so glücklich ist, Oliver.«
»Mir liegt auch sehr viel daran, sie glücklich zu machen, Todd.«
Senator Davis schaute Oliver in die Augen und fragte sich im stillen, wie oft Oliver wohl sein Geheimapartment benutzte. »Sie hat dich sehr lieb, mein Sohn.«
»Ich liebe sie auch.« Es klang aufrichtig.
Senator Davis lächelte. »Freut mich, das zu hören. Sie ist bereits mit den Plänen zur Inneneinrichtung des Weißen Hauses beschäftigt.«
Olivers Herz setzte für einen Schlag aus. »Wie bitte?«
»Ach so. Habe ich dir noch nicht davon berichtet? Der Anfang ist gemacht. Dein Name wird in Washington langsam ein Begriff. Mit Neujahr setzt unser Wahlkampf ein.«
Oliver scheute sich fast, die nächste Frage zu stellen. »Und du glaubst wirklich, daß ich eine Chance habe, Todd?«
»Das Wort >Chance< kommt aus dem Glücksspiel, Sohn, und ich bin nun mal kein Spieler. Ich lasse mich nie auf etwas ein, wenn ich nicht überzeugt bin, daß es eine sichere Partie ist.«
Oliver atmete tief durch. Du kannst der wichtigste Mann der Welt werden. »Ich darf dir meinen innigsten Dank für alles aussprechen, was du für mich getan hast, Todd.«
Todd tätschelte Olivers Arm. »Man ist doch wohl dazu verpflichtet, den eigenen Schwiegersohn zu unterstützen, meinst du nicht?«
Die Betonung, die der Senator auf den »Schwiegersohn« legte, entging Oliver keineswegs.
»Übrigens«, sagte der Senator in einem beiläufigen Ton, »es hat mich doch sehr enttäuscht, daß deine Legislative das Gesetz zur Tabakbesteuerung verabschiedet hat.«
»Die zusätzlichen Steuereinnahmen dienen zum Ausgleich des Budgetdefizits ...«
»Du wirst dagegen natürlich dein Veto einlegen.«
Oliver starrte ihn fassungslos an. »Dagegen mein Veto einlegen?«
Der Senator würdigte ihn eines gequälten Lächelns. »Ich muß dich bitten, Oliver, mir zu glauben, daß ich in diesem Fall keine persönlichen Interessen verfolge. Ich habe jedoch viele Freunde, die ihr schwerverdientes Geld in Tabakplantagen investiert haben, und es wäre mir äußerst unangenehm, mitansehen zu müssen, wenn sie durch die neuen Steuerlasten zu Schaden kämen. Dir nicht?«
Schweigen.
»Dir etwa nicht?«
»Doch«, sagte Oliver schließlich. »Es wäre ungerecht.«
»Ich bin dir verbunden. Sehr verbunden, Oliver.«
»Es war nur«, sagte Oliver in einem fast entschuldigenden Ton, »daß ich hörte, du hättest deine Tabakplantagen verkauft, Todd.«
Diesmal war es Todd, der sein Erstaunen kaum zu verhehlen vermochte. »Und aus welchem Grund sollte ich wohl so etwas tun?«
»Nun ja, die Tabakindustrie erleidet momentan doch ziemlich starke, juristische Schlappen. Der Absatz ist drastisch zurückgegangen und .«
»Das gilt bloß für den amerikanischen Markt, mein Sohn, aber es gibt einen riesigen Weltmarkt. Warte nur, wenn unsere Werbekampagnen in China, Afrika und Indien anrollen.« Er warf einen Blick auf die Uhr und stand auf. »Ich muß wieder nach Washington. Zu einer Sitzung des Senatsausschusses.«
»Angenehmen Flug.«
Senator Davis lächelte zufrieden. »Nach dieser Unterredung gewiß, mein Sohn.«