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Jim musterte sie nachdenklich. »Ich muß Sie aber darauf hinweisen, daß es nicht leicht werden wird.«

Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. »Ach ja? Und warum nicht?«

Bailey zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Da ist irgend etwas im Gange, das ich mir nicht zu erklären vermag. Sie haben Russell doch auch auf all den Plakaten und pausenlos im Fernsehen gesehen?«

»Selbstverständlich.«

»Na ja, damit ist es nun vorbei.«

»Ich versteh nicht. Wieso?«

»Genaues weiß keiner. Es gibt aber 'ne Menge komischer

Gerüchte. Ein Gerücht besagt, daß es da jemand gibt, der Russell so weit unterstützte, daß er ihm die Wahlkampagne komplett finanzierte - und ihn nun plötzlich aus irgendeinem unbekannten Grund fallenlassen hat.«

»Mitten in einem Wahlkampf, kurz vor dem Sieg? Das wäre doch unsinnig, Jim.«

»Ich weiß.«

»Und warum ist er dann zu uns gekommen?«

»Er will das Amt wirklich, das heißt, er hat persönlichen Ehrgeiz. Er ist aber auch fest davon überzeugt, daß er etwas bewegen könnte - daß gerade er der Gouverneur ist, den Kentucky braucht. Von uns erwartet er das Konzept für einen Wahlkampf, der nicht viel kostet, denn für weitere Wahlspots in Rundfunk und Fernsehen, für eine große Werbekampagne fehlen ihm die Mittel. Da bleibt uns also eigentlich nur eines: ihm möglichst viele Interviews zu beschaffen, in der Presse Meldungen und Berichte über ihn unterzubringen und so weiter.« Er schüttelte den Kopf. »Der amtierende Gouverneur Addison gibt ein Vermögen für seinen Wahlkampf aus. Laut Umfragen der letzten zwei Wochen sind Russells Aussichten beträchtlich gesunken. Es ist ein Jammer, denn er ist ein guter Anwalt, er übernimmt viele Fälle kostenlos, aus sozialem Engagement. Ich bin überzeugt, daß er auch ein guter Gouverneur sein würde.«

Es war am Abend dieses Tages, als Leslie den ersten Eintrag in ihr neues Tagebuch schrieb:

Liebes Tagebuch: Heute morgen bin ich dem Mann begegnet, den ich heiraten werde.

Leslie Stewart hatte eine glückliche Kindheit erlebt. Sie war ein außergewöhnlich intelligentes Kind; ihr Vater, Englischlehrer am Lexington Community College, ihre Mutter, eine Hausfrau, waren immer für sie da. Leslies Vater war ein ansehnlicher Mann, ein vornehmer Mensch, ein Intellektueller, ein liebevoller, treusorgender Ehemann und Vater, der nur gemeinsam mit der Familie Ferien machte und sie auf alle Reisen mitnahm. Leslie war sein ein und alles. »Du bist Dad-dys Mädchen«, versicherte er ihr immer wieder. Er machte ihr Komplimente wegen ihrer Schönheit, wegen ihrer Schulnoten, wegen ihres Betragens und ihrer Freundinnen. In seinen Augen war Leslie unfehlbar. Zum neunten Geburtstag kaufte der Vater ihr ein hübsches braunes Samtkleid mit Spitzenmanschetten, und er bat sie, das Kleid anzuziehen, und gab dann vor Freunden, die zum Abendessen kamen, richtig mit ihr an. »Ist sie nicht wunderschön!?« rief er.

Leslie hatte ihn abgöttisch verehrt.

Ein Jahr später war eines Morgens Leslies schönes Leben im Bruchteil einer Sekunde aus und vorbei, als die Mutter sie tränenüberströmt auf einen Stuhl drückte. »Darling, dein Vater ... Er hat uns verlassen.«

Leslie begriff zuerst überhaupt nichts. »Wann kommt er denn wieder zurück?« wollte sie wissen.

»Er kommt nie mehr zurück.«

Für Leslie war jedes dieser Worte wie ein Messerstich.

Meine Mutter hat ihn verjagt, dachte sie und empfand Mitleid mit der Mutter wegen des bevorstehenden Scheidungsprozesses und der Auseinandersetzungen um ihre Vormundschaft, weil sie absolut davon überzeugt war, daß der Vater nie auf sie verzichten würde. Niemals. Er wird mich zu sich holen, dachte Leslie.

Doch die Wochen gingen vorbei, und der Vater kam nicht. Man erlaubt ihm nicht, daß er mich besuchen kommt, sagte Leslie sich. Das ist Mutters Strafe für ihn.

Es war Leslies alte Tante, die das Kind aufklärte, daß es keine Auseinandersetzungen um die Vormundschaft geben würde. Leslies Vater hatte sich in eine verwitwete Universitätsdozentin verliebt und war zu ihr gezogen; er wohnte jetzt bei ihr in der Limestone Street.

Die Mutter zeigte Leslie das Haus während eines Einkaufsbummels. »Dort wohnen sie«, sagte sie verbittert.

Leslie nahm sich vor, ihren Vater zu besuchen. Wenn er mich sieht, dachte sie, wird er wieder zu uns nach Hause kommen wollen.

An einem Freitag lief Leslie nach Schulschluß zum Haus in der Limestone Street und klingelte. Ein Mädchen in Leslies Alter öffnete. Leslie starrte das Mädchen wortlos, fassungslos an - das Mädchen trug ein braunes Samtkleid mit Spitzenmanschetten.

Das Mädchen musterte sie neugierig. »Wer bist du?«

Leslie floh.

Leslie erlebte, wie ihre Mutter sich im Verlauf des folgenden Jahres völlig in sich selbst zurückzog und jegliches Interesse am Leben verlor. Leslie hatte es für eine leere Redewendung gehalten, wenn die Leute sagten, ein Mensch sei »an gebrochenem Herzen« gestorben, doch nun mußte sie ohnmächtig zuschauen, wie ihre Mutter schwächer und schwächer wurde und schließlich starb; und wenn sie gefragt wurde, woran ihre Mutter gestorben sei, antwortete sie: »Sie starb an gebrochenem Herzen.«

Und Leslie nahm sich fest vor, daß sie sich so etwas von keinem Mann antun lassen würde.

Nach dem Tod der Mutter wohnte Leslie bei ihrer Tante und besuchte die Bryan Station High School. Das Studium an der Universität von Kentucky schloß sie mit summa cum laude ab. Weil sie im letzten Studienjahr zur Schönheitskönigin gewählt worden war, erhielt sie mehrere Angebote, als Model zu arbeiten; doch sie lehnte ab.

Leslie hatte zwei kurze Affären, die erste mit einem Fußballidol von der Uni, die zweite mit einem Professor für Wirtschaftswissenschaften. Sie fand sie beide bald langweilig. Leslie war für die beiden einfach zu intelligent.

Kurz vor Studienende starb Leslies Tante. Nach dem Examen bewarb Leslie sich um eine Stelle bei der Werbe- und Public Relations-Agentur Baily & Tomkins. Die Büros lagen in der Vine Street, in einem U-förmigen Gebäude mit Kupferdach und einem Brunnen im Innenhof.

Jim Bailey, der ältere Gesellschafter, hatte sich Leslies Lebenslauf gründlich angeschaut und dann mit dem Kopf genickt. »Sehr beeindruckend. Sie haben Glück. Wir suchen gerade eine Sekretärin.«

»Eine Sekretärin? Ich hatte gehofft .«

»Ja?«

»Nichts.«

Als Sekretärin fiel Leslie die Aufgabe zu, den geschäftlichen Besprechungen als Protokollantin beizuwohnen, und im Laufe solcher Sitzungen begann sie, sich ein Urteil über die Vorschläge und Entwürfe für Werbekampagnen zu bilden und über Möglichkeiten zu ihrer Optimierung nachzudenken. An einem Morgen ergriff ein Agent der Agentur das Wort: »Ich habe die Idee für das ideale Logo für Rancho Beef Chili. Wir zeigen auf dem Dosenetikett einen Cowboy mit Lasso beim Einfangen eines Rindes. Dieses Bild suggeriert die Frische des Fleisches und .«

Aber das ist eine gräßliche Idee, dachte Leslie. Als sie die Augen aller im Raum Anwesenden auf sich gerichtet sah, begriff sie mit Entsetzen, daß sie laut gedacht hatte.

»Würden Sie uns das bitte einmal erläutern, junge Dame?«

»Ich .« Leslie wäre am liebsten im Boden versunken. Alle schauten sie wartend an. Sie holte tief Luft. »Man will doch beim Fleischessen nicht daran erinnert werden, daß man ein totes Tier verzehrt.«

Angespanntes Schweigen. Jim Bailey räusperte sich. »Vielleicht sollten wir uns die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen.«

Bei einer Beratung über das Werbekonzept für eine neue Kosmetikseife machte in der folgenden Woche ein anderer