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Dana war in Gedanken mit dem aufregenden Abenteuer beschäftigt, das vor ihr lag. Sie mußten in Paris für den Flug nach Zagreb umsteigen und von dort nach Sarajevo weiterfliegen.

Während ihrer letzten Woche in Washington war Dana von Shelley McGuire, der Leiterin der Auslandsredaktion, auf ihre neue Arbeit vorbereitet worden. »In Sarajevo werden Sie zur Übertragung Ihrer Berichte auf den Nachrichtensatelliten einen Sendewagen benötigen«, erklärte ihr McGuire. »Da wir dort über keinen eigenen verfügen, werden wir uns also bei der jugoslawischen Behörde, der der Nachrichtensatellit gehört, einen Sendewagen mieten müssen. Wenn alles gutläuft, schaffen wir uns später einen eigenen an. Was Ihre Arbeit betrifft, Dana, so werden Sie zweigleisig arbeiten. Einige Berichte werden Sie live bringen, die meisten jedoch auf Band spielen. Benn Albertson wird Ihnen mitteilen, was er gerade braucht. Dann werden Sie das filmische Material aufnehmen und den Soundtrack anschließend in einem einheimischen Fernsehstudio herstellen. Ich habe Ihnen den besten Produzenten und Kameramann der Branche mitgegeben. Probleme dürften für Sie eigentlich keine entstehen.«

Den letzten Satz sollte Dana sich später noch oft in Erinnerung rufen.

Matt Baker hatte am Tag vor der Abreise angerufen. »Kommen Sie zu mir ins Büro.« Er klang schroff.

»Bin schon unterwegs.« Dana legte mit einer dunklen Vorahnung auf. Er hat seine Meinung wegen meiner Versetzung geändert. Er will mich nicht ziehen lassen. Wie kann er mir nur so etwas antun? Na schön, sagte sie sich entschlossen, dann werde ich meinen Willen eben gegen ihn durchsetzen müssen.

»Ich weiß schon, was Sie mir sagen wollen«, hob Dana an, als sie zehn Minuten später in Matt Bakers Büro marschierte, »aber das können Sie sich schenken. Ich gehe trotzdem! Von dieser Arbeit habe ich schon immer geträumt. Außerdem glaube ich, daß ich dort unten Gutes bewirken kann. Sie müssen mir eine Chance geben. Ich muß es versuchen.« Sie holte tief Luft. »In Ordnung«, sagte sie trotzig. »Was wollten Sie mir mitteilen?«

Matt Baker schaute sie an und sagte freundlich: »Bon voya-ge

Dana war völlig überrascht. »Was?«

»Bon voyage bedeutet: Gute Reise.«

»Ich weiß, was bon voyage heißt. Ich - haben Sie mich denn nicht zu sich bestellt, um ...?«

»Ich habe Sie rufen lassen, weil ich mich mit einigen unserer Auslandskorrespondenten unterhalten habe und Ihnen ein paar gute Empfehlungen nennen möchte.«

Dieser schroffe Brummbär von einem Mann hatte sich die Zeit genommen und die Mühe gemacht, mit einer ganzen Reihe von Auslandskorrespondenten zu konferieren, um ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können! »Ich ... ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen .«

»Dann lassen Sie's«, brummte er. »Sie begeben sich mitten in ein Gebiet, wo ein offener Krieg tobt. In solchen Situationen besteht keine Möglichkeit, daß man sich hundertprozentig schützt; den Kugeln ist es nämlich völlig egal, welchen Menschen sie töten. Es gibt da jedoch ein Phänomen, das Sie unbedingt beachten müssen. Wenn Sie sich inmitten von Kriegshandlungen befinden, schießt der Adrenalinspiegel in die Höhe, und die erhöhte Adrenalinzufuhr kann einen Menschen unvorsichtig machen, so daß er Dummheiten begeht, zu denen er sich normalerweise nie hinreißen lassen würde. Sie müssen also lernen, sich unter Kontrolle zu haben. Gehen Sie immer auf Nummer Sicher. Laufen Sie nicht allein auf den Straßen herum. Es gibt keine Nachricht und keinen Bericht, der es wert wäre, daß Sie Ihr Leben aufs Spiel setzen. Und noch etwas .«

Der Vortrag hatte fast eine Stunde gedauert, bis Matt Baker schloß: »Also, das war's. Passen Sie auf sich auf. Falls Sie es dazu kommen lassen sollten, daß Ihnen etwas zustößt, würde ich verdammt böse werden.«

Dana beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuß auf die Wange.

»Tun Sie das nie wieder!« fuhr er sie an und stand auf. »Dort unten auf dem Balkan wird es für Sie hart werden, Dana. Falls Sie sich's anders überlegen sollten, wenn Sie dort unten angekommen sind, und wieder heimkommen möchten, dann geben Sie mir Bescheid, und ich werd's regeln.«

»Ich werde es mir aber nicht anders überlegen«, erwiderte Dana im Brustton der Überzeugung.

Da irrte sie allerdings, wie sich noch herausstellen sollte.

Bis Paris verlief der Flug nach Plan. Als sie nach der Landung auf dem Flughafen Charles de Gaulle im Minibus zur Croatia Airlines gefahren wurden, erfuhren sie, daß der Anschlußflug drei Stunden Verspätung hatte.

Auf dem Butmir-Flughafen von Sarajevo kamen sie um zehn Uhr abends an. Die Passagiere wurden in einem Sicherheitstrakt zusammengepfercht, wo man sie nach der Paßkontrolle durch uniformierte Wachen weiterwinkte. Dana steuerte auf den Ausgang zu, als ihr ein auffällig unangenehmer Mann in Zivil in den Weg trat. »Ihren Paß.«

»Aber ich habe meinen Paß doch schon ...«

»Ich bin Oberst Gordan Divjak. Ihren Paß.«

Dana überreichte ihm ihren Paß mitsamt der Presseausweise.

Er blätterte den Paß durch. »Journalistin?« Er musterte sie mit einem stechenden Blick. »Auf wessen Seite stehen Sie?«

»Ich stehe auf niemandes Seite«, erwiderte Dana ruhig und kühl.

»Passen Sie auf, was Sie berichten«, warnte Oberst Divjak. »Spionage wird bei uns nicht als Kavaliersdelikt behandelt.«

Willkommen in Sarajevo.

Sie wurde von einem dunkelhäutigen Fahrer Anfang Zwanzig mit einem kugelsicheren Landrover am Flughafen abgeholt. »Ich bin Jovan Toli. Zu Ihrer Verfügung. Ich werde in Sarajevo Ihr Chauffeur sein.«

Jovan fuhr schnell. Er schnitt die Kurven und raste durch die verlassenen, menschenleeren Straßen, als ob ihnen Verfolger im Nacken säßen.

»Entschuldigung«, sagte Dana nervös, »aber gibt es einen Grund für diese Eile?«

»Ja, wenn Ihnen daran liegt, lebend anzukommen.«

»Aber .«

Aus der Ferne vernahm Dana ein Donnergrollen, das offensichtlich näher rückte. Was sie da hörte, war jedoch nicht Donner.

Dana machte in der Dunkelheit zerstörte Häuserfronten aus, Wohnblöcke ohne Dach, Geschäfte, die keine Schaufenster mehr besaßen. Ein Stück weiter vorn erspähte sie das Holiday Inn - das Hotel, in dem sie untergebracht war. Die Fassade des Hotels war übersät mit Einschüssen und in der Auffahrt gähnte ein tiefes Loch. Der Landrover ließ die Auffahrt rechts liegen und sauste weiter.

»Warten Sie! Das ist doch unser Hotel!« rief Dana. »Wo wollen Sie denn hin?«

»Die Benutzung des Haupteingangs ist viel zu gefährlich«, erklärte Jovan und jagte seitlich am Hotel vorbei, um dann in einen schmalen Nebenweg abzubiegen. »Hier benutzen alle nur den hinteren Eingang.«

»Ach so.« Dana bekam plötzlich einen trockenen Mund.

In der Hotellobby, wo die Menschen verloren herumlungerten oder in kleinen Gruppen beisammenstanden, kam ein junger Franzose auf Dana zu. »Ah - wir haben schon auf Sie gewartet. Sie sind doch Dana Evans, nicht wahr?«

»Ja.«

»Jean Paul Hubert, M6, Metropole Television.«

»Sehr erfreut, Sie kennenzulernen. Darf ich Sie mit meinen Kollegen Benn Albertson und Wally Newman bekanntmachen.« Man gab einander die Hand.

»Willkommen in der Stadt, von der täglich weniger übrigbleibt.«

Andere gesellten sich zu ihnen und stellten sich reihum vor.

»Stefan Mueller, Kabel Network.«

»Roderick Munn, BBC 2.«

»Marco Benelli, Italia I.«

»Juan Santos, Programm 6, Guadalajara.«

»Chun Qian, Shanghai Television.«