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»Leslie«, fiel er ihr protestierend ins Wort, »das kann ich nicht bezahlen.«

»Mach dir darüber mal keine Gedanken«, erwiderte sie leichthin. »Die Kosten wird die Agentur übernehmen.«

Ihr war völlig klar, daß dafür nicht die geringste Chance bestand. Sie würde die erforderliche Summe aus eigener Tasche hinlegen und Jim Bailey weismachen müssen, daß es sich um die Wahlkampfspende einer Anhängerin Russells handle - was im übrigen ja der Wahrheit entsprach. Ich bin bereit, alles zu tun, um ihn voranzubringen, dachte sie.

Olivers Rede auf dem Picknick beim Green River Lake, zu dem sich zweihundert Personen einfanden, war absolut brillant.

»Die Hälfte der Bevölkerung unseres Landes geht nie zur Wahl«, rief er. »Was die Wahlbeteiligung betrifft, so halten wir den Negativrekord unter den Industrienationen der Welt - sie liegt unter fünfzig Prozent. Wenn Sie politische Veränderungen wünschen, dann liegt es an Ihnen, daß sich wirklich etwas ändert; dafür tragen einzig und allein Sie die Verantwortung. Es ist jedoch keineswegs nur eine Verantwortung, es ist auch Ihr großes Vorrecht. Bald werden hier in Kentucky Wahlen stattfinden. Gehen Sie zur Wahl - ganz gleich, ob Sie Ihre Stimme für mich oder für meinen Gegner abgeben werden.

Aber kommen Sie zur Wahl.«

Die Leute jubelten ihm zu.

Leslie vereinbarte so viele Veranstaltungstermine für Oliver wie möglich. Er übernahm den Vorsitz bei der Eröffnung einer Kinderklinik, er weihte eine neue Brücke ein, sprach zu Frauenvereinen, Arbeitervereinen, Wohltätigkeitsorganisationen, in Altersheimen - und rutschte in den Umfragen trotzdem weiter nach unten. Wann immer Oliver keine Wahlkampfverpflichtungen wahrzunehmen hatte, versuchte er, mit Leslie zusam-menzusein. Sie fuhren in einer Kutsche gemeinsam durch den Triangle Park, sie verbrachten einen Sonnabendnachmittag auf dem Antiquitätenmarkt, sie aßen im Restaurant La Lucie zu Abend. Am 2. Februar, dem Groundhog Day und Jahrestag der Schlacht von Bull Run, schickte Oliver Leslie Blumen und hinterließ liebevolle Mitteilungen auf ihrem Anrufbeantworter: »Darling - wo bist Du? Du fehlst mir, du fehlst mir, du fehlst mir.«

»Ich bin bis über beide Ohren in deinen Anrufbeantworter verliebt. Weißt du eigentlich, wie sexy er klingt?«

»Ich fürchte, es ist verboten, so glücklich zu sein. Ich liebe dich.«

Es war Leslie völlig gleichgültig, wohin sie Oliver begleitete; ihr war einfach nur wichtig, bei ihm zu sein.

Auf einen Sonntag freuten sie sich besonders, an dem sie eine Kajakfahrt auf dem Russell Fork River machen wollten. Der Ausflug verlief zunächst ganz harmlos, bis der Fluß in einer riesigen Schleife um eine Bergsohle führte. Dort begannen Stromschnellen mit einer Folge von ohrenbetäubenden, atemberaubenden, senkrechten Wasserfällen, und in furchterregend geringen Abständen von einer Kajaklänge ging es anderthalb Meter ... zwei Meter ... drei Meter tief hinab. Dreieinhalb Stunden dauerte die Flußfahrt, und als die beiden aus dem Kajak ausstiegen, waren sie patschnaß und heilfroh, überhaupt noch am Leben zu sein; und sie konnten die Hände nicht voneinander lassen. Sie liebten sich in einer Holzhütte, im Fond seines Wagens, mitten im Wald.

An einem frühherbstlichen Tag bereitete Oliver zu Hause in seinem Haus in Versailles, einer Kleinstadt in der Nähe von Lexington, das Abendessen zu. Es gab gegrillte Steaks, die in Sojasauce mit Knoblauch und Kräutern mariniert worden waren und die mit gebackenen Kartoffeln, Salat und einem vollkommenen Rotwein serviert wurden.

»Du bist ein ausgezeichneter Koch«, lobte Leslie, die sich an ihn kuschelte. »Eigentlich bist du rundum wundervoll, mein Schatz.«

»Danke, Liebes.« Ihm fiel etwas ein. »Ich habe eine kleine Überraschung für dich. Etwas für uns beide zum Ausprobieren.« Er verschwand kurz im Schlafzimmer und kam mit einem Fläschchen einer klaren Flüssigkeit zurück.

»Hier, bitte«, sagte er.

»Was ist das?«

»Hast du schon mal von Ecstasy gehört?«

»Ob ich schon mal von Ekstase gehört habe? Ich bin doch mittendrin.«

»Ich meine die Droge Ecstasy. Das hier ist flüssiges Ecstasy. Angeblich ein großartiges Aphrodisiakum.«

Leslie runzelte die Stirn. »Liebling - das hast du wirklich nicht nötig. Das brauchen wir beide nicht. Außerdem könnte es gefährlich sein.« Sie zögerte, bevor sie ihre Frage aussprach. »Nimmst du das Zeug oft?«

Oliver lachte. »Ehrlich gesagt, nein. Zieh nicht so ein Gesicht. Ich hab's von einem Freund geschenkt bekommen, der meinte, daß ich's mal ausprobieren sollte. Es wäre das erste Mal, wenn ich's heute einnehme.«

»Laß es gar nicht zu einem ersten Mal kommen«, bat Leslie. »Wirst du es bitte wegschütten?«

»Du hast ja völlig recht. Selbstverständlich.« Er ging ins Badezimmer. Gleich darauf hörte Leslie die Wasserspülung.

»Schon beseitigt.« Er kehrte mit strahlendem Gesicht zurück. »Wozu brauche ich Ecstasy? Da habe ich etwas viel Besseres.«

Er nahm Leslie in die Arme.

Leslie hatte Liebesromane gelesen und Liebeslieder gehört, auf die unglaubliche Realität der Liebe war sie jedoch durch nichts vorbereitet. Sie hatte die romantischen Texte immer für sentimentalen Schwachsinn, für Wunschträume gehalten, doch nun wurde sie eines Besseren belehrt. Sie vermochte es nicht in Worte zu fassen, doch die ganze Welt erschien ihr auf einmal heller und schöner, alles war von einem Zauber berührt, und der Zauber hieß Oliver Russell.

Auf einer Samstagwanderung im Breaks Interstate Park genossen die beiden die spektakuläre Landschaft in vollen Zügen.

»In dieser Gegend bin ich noch nie gewesen«, hatte ihm Leslie vorher gestanden.

»Sie wird dir bestimmt gefallen.«

An einer scharfen Wegbiegung blieb Leslie plötzlich wie angewurzelt stehen. Auf der Mitte des Weges sah sie ein handgemaltes Holzschild: Leslie, willst du meine Frau

werden?

Es verschlang Leslie den Atem. Ihr Herz begann zu rasen. Sie drehte sich nach Oliver um.

Er nahm sie in die Arme. »Wirst du meine Frau?«

Wie habe ich nur solch großes Glück finden können? dachte Leslie überwältigt. Sie drückte ihn an sich und flüsterte: »Ja, Darling. Natürlich möchte ich deine Frau werden.«

»Daß du einen Gouverneur zum Ehemann haben wirst, kann ich dir leider nicht versprechen. Aber ich bin immerhin ein recht guter Anwalt.«

Sie schmiegte sich an ihn und erwiderte: »Das genügt mir vollauf.«

Als Leslie sich ein paar Abende später zum Ausgehen mit Oliver umzog, klingelte das Telefon.

»Darling, es tut mir schrecklich leid, aber ich habe eine schlechte Nachricht. Ich muß heute abend an einer Sitzung teilnehmen und unser gemeinsames Abendessen absagen. Verzeihst du mir?«

Leslie lächelte und sagte sanft: »Dir ist verziehen.« Als Leslie sich am nächsten Tag ein Exemplar des State Journal kaufte, sprang ihr die Schlagzeile entgegen: Frauenleiche im Kentucky River gefunden. Der Bericht lautete. »Von der Polizei wurde heute am frühen Morgen 16 Kilometer östlich von Lexington im Kentucky River die Leiche einer nackten, ungefähr 20jährigen Frau gefunden. Zur Feststellung der Todesursache wird gegenwärtig eine Obduktion durchgeführt .«

Leslie schauderte beim Lesen des Berichts. So jung zu sterben. Hatte sie einen Geliebten? Einen Ehemann? Wie dankbar ich doch sein muß, weil ich am Leben und so glücklich bin und so sehr geliebt werde.

Ganz Lexington schien von der bevorstehenden Hochzeit zu reden. Kein Wunder: Lexington war eine kleine Stadt und Oliver Russell eine bekannte und beliebte Persönlichkeit. Die beiden waren ein aufsehenerregendes Paar: der dunkle, attraktive Oliver und die junge Leslie mit dem schönen Gesicht, der Traumfigur und dem honigblonden Haar. Wie ein Lauffeuer hatte die Nachricht sich ausgebreitet.

»Hoffentlich weiß er sein Glück zu schätzen«, sagte Jim Bailey.