»Was zum Teufel, soll diese Frage?« monierte Matt Baker, als er sie zum erstenmal hörte. »Welche Bedeutung hat ein Golfscore für die Arbeit bei der Zeitung?«
»Ich will keine Leute im Haus haben, deren Herz am Golfspiel hängt. Wer bei uns tätig ist, soll sich gänzlich der Washington Tribune widmen.«
Leslie Stewarts Privatleben war ein Thema, das in der Belegschaft der Tribune endlose Diskussionen auslöste. Sie war eine ausgesprochen schöne, alleinstehende Frau, die nach allem, was man wußte, keine feste Beziehung mit einem Mann unterhielt und eigentlich überhaupt keine persönlichen Interessen hatte. Sie zählte zu den herausragenden Gastgeberinnen der Hauptstadt, und um eine Einladung zu ihren Dinnergesellschaften rissen sich selbst wichtige Persönlichkeiten. Aber was machte sie, wenn die Gäste gegangen waren und sie allein zurückblieb, fragten sich die Leute. Es gab Gerüchte, daß sie unter Schlaflosigkeit litt und die Nächte mit Arbeiten verbrachte, mit dem Planen neuer Projekte zur Vergrößerung des Stewart-Imperiums. Leslie nahm persönlich an allen Vorgängen im Verlag teil, mischte sich in alles ein; in die Leitartikel, die Nachrichtengestaltung, das Anzeigengeschäft. Eines Tages wollte sie vom Leiter ihrer Annoncenabteilung wissen: »Warum bekommen Sie eigentlich keine Anzeigen von Gleasons's« - einem Kaufhaus der oberen Klasse in Georgetown.
»Ich habe es versucht, aber .«
»Ich kenne den Besitzer persönlich. Ich werde ihn selbst anrufen.«
Sie rief ihn tatsächlich an. »Allan«, sagte sie, »warum macht Ihr Kaufhaus keine Werbung in der Tribune?«
Da hatte er lachend gemeint: »Aber Leslie, Ihre Leser und Leserinnen sind unsere Ladendiebe.«
Leslie informierte sich vor jeder Geschäftssitzung genauestens über alle Teilnehmer, so daß sie bei jedem über seine Schwächen und Stärken Bescheid wußte; und im Verhandeln war sie dann erbarmungslos.
»Sie können manchmal wirklich sehr hart sein«, warnte Matt Baker. »Sie dürfen den Leuten nicht alles nehmen, Leslie, man muß auch mal klein beigeben können.«
»Vergessen Sie es. Ich glaube an die Strategie der verbrannten Erde.«
Im Laufe des folgenden Jahres übernahmen die Washington Tribune Enterprises einen Zeitungsverlag und einen Rundfunksender in Australien, eine Fernsehanstalt in Denver und eine Zeitung in Hammond, Indiana. Und bei jeder neuen Transaktion fürchteten die alten Angestellten sich vor dem, was mit der Übernahme auf sie zukam, denn Leslie war wegen ihrer Rücksichtslosigkeit berüchtigt.
Auf Katherine Graham, die Verlegerin der Washington Post, war Leslie Stewart extrem eifersüchtig.
»Sie hat einfach Glück gehabt«, behauptete Leslie. »Im übrigen hat sie den Ruf, ein richtiges Miststück zu sein.«
Matt Baker war versucht, die Frage an Leslie zu richten, wie sie denn ihren eigenen Ruf einschätzte, ließ es dann jedoch wohlweislich bleiben.
Als Leslie eines Morgens ihr Büro betrat, fand sie - offenbar die heimliche Tat eines Mitarbeiters -, auf ihrem Schreibtisch einen kleinen Holzblock mit zwei aufgesetzten Messingeiern vor.
Matt Baker war schockiert. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte er. »Ich werde ihn gleich fort .«
»Nein. Lassen Sie ihn dort stehen.«
»Aber .«
»Lassen Sie ihn stehen.«
Matt Baker hatte in seinem Büro eine Mitarbeiterkonferenz anberaumt, als über die interne Sprechanlage plötzlich Leslies Stimme erscholl. »Matt - kommen Sie zu mir hoch.«
Kein »Bitte«; kein »Guten Morgen«. Das wird ein schlechter Tag, sagte sich Matt. Die Eisprinzessin hat wieder einmal ihre notorisch schlechte Laune.
»Das wär's dann wohl fürs erste«, sagte Matt.
Er verließ sein Zimmer und eilte durch die Gänge des Großraumbüros, wo Hunderte von Angestellten emsig ihrer Arbeit nachgingen. Er fuhr mit dem Lift zum Weißen Turm hinauf und betrat das luxuriös eingerichtete Büro der Verlegerin, wo bereits eine Handvoll Redakteure versammelt waren.
Leslie Stewart saß hinter ihrem gigantischen Schreibtisch. Beim Eintreten Matt Bakers hob sie den Kopf. »Fangen wir an.«
Sie hatte eine Redaktionskonferenz einberufen, und Matt Baker konnte sich an ihre Worte erinnern: »Für die Führung der Zeitung sind Sie verantwortlich. Da werde ich mich heraushalten.« Er hätte es wissen müssen. Es stand ihr nicht zu, solche Konferenzen anzuberaumen; dergleichen gehörte zu seinem Aufgabenbereich. Andererseits war sie die Herausgeberin, Verlegerin und Inhaberin der Washington Tribune; insofern konnte sie ohne weiteres tun und lassen, was sie wollte.
»Ich möchte Sie auf den Bericht über das Liebesnest Präsident Russells in Virginia ansprechen«, sagte Matt Baker.
»Darüber bedarf es keiner Diskussion«, wies ihn Leslie zurecht und hielt die neueste Ausgabe der Washington Post hoch - das Konkurrenzblatt. »Haben Sie das hier gesehen?«
Matt hatte es gesehen. »Durchaus, aber das ist doch bloß .«
»Früher hat man so etwas als einen >Knüller< bezeichnet, Matt. Wo waren Sie und Ihre Reporter, als die Post an diese Information kam?«
Die Schlagzeile der Washington Post lautete: Zweiter Lobbyist wegen illegaler Geschenke an
Verteidigungsminister überführt.
»Wieso haben wir diese Geschichte nicht in unserem Blatt?«
»Weil sie noch nicht amtlich ist. Ich habe die Sache überprüft. Es ist bloß ...«
»Ich mag es nicht, daß uns andere Zeitungen zuvorkommen.«
Matt Baker seufzte und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Es würde mit Sicherheit eine stürmische Sitzung werden.
»Wir sind die Nummer Eins oder gar nichts«, verkündete Leslie Stewart den Anwesenden. »Und wenn wir nichts sind, wird es hier auch für niemand Arbeit geben, nicht wahr?«
Leslie wandte sich an Arnie Cohn, den verantwortlichen Redakteur für das Sonntagsmagazin. »Wenn die Menschen am Sonntag morgen aufwachen, müssen Sie unser Magazin lesen wollen. Uns kann nichts daran liegen, daß sie beim Lesen wieder einschlafen. Die Geschichten, die wir am vergangenen Wochenende brachten, waren stinklangweilig.«
Wenn Sie ein Mann wären, würde ich Sie jetzt ... dachte Arnie Cohn. »Tut mir leid«, sagte er laut. »Ich werde mich anstrengen, es nächstes Mal besser zu machen.«
Leslie sprach Jeff Connors an, den leitenden Sportredakteur. Connors war ein ansehnlicher, sportlich gebauter Mann Mitte Dreißig, mit blondem Haar und klugen grauen Augen. Er hatte die lockere Art eines Menschen, der genau wußte, daß er gute Arbeit leistete. Matt hatte gehört, daß Leslie sich um ihn bemüht und einen Korb bekommen hatte.
»Sie haben geschrieben, daß Fielding an die Pirates verkauft werden soll.«
»So wurde ich unterrichtet ...«
»Dann hat man Sie falsch unterrichtet, und die Tribune hat sich schuldig gemacht, eine Nachricht zu drucken, die eine Ente ist.«
»Ich habe die Information von seinem Manager bekommen«, erwiderte Jeff Connors gelassen. »Er hat mir ausdrücklich erklärt, daß .«
»Das nächste Mal checken Sie Ihre Geschichten doppelt und dreifach!«
Leslie drehte sich um und deutete auf einen vergilbten, gerahmten Zeitungsartikel an der Wand. Es war die erste Seite der Chicago Tribune vom 3. November 1948. Die Balkenüberschrift lautete: Dewey schlägt Truman.
»Es gibt für eine Zeitung nichts Schlimmeres«, dozierte Leslie, »als die Meldung falscher Fakten. Wir arbeiten in einer Branche, wo man stets richtigliegen muß.«
Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Das wär's fürs erste. Ich erwarte von Ihnen allen eine wesentlich bessere Arbeit.« Als die anwesenden Redakteure sich erhoben, befahl Leslie Matt Baker. »Sie bleiben hier.«