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»Ich bin völlig gesund. Unser Pariser Büro hat mich bereits zu einem Arzt geschickt.«

Die Wohnung lag an der Calvert Street - es war eine sehr hübsch möblierte Wohnung mit Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Bad und einem kleinen Arbeitszimmer.

»Entspricht das Ihren Vorstellungen?«

»Genau richtig, danke, Matt.«

»Ich habe den Kühlschrank für Sie auffüllen lassen. Wenn Sie sich ausgeruht haben, werden Sie morgen wahrscheinlich Kleider kaufen wollen. Stellen Sie alles der Zeitung in Rechnung.«

»Danke, Matt, danke für alles.«

»Sie werden uns dann später Bericht erstatten. Ich werde den entsprechenden Termin für Sie arrangieren.«

Sie stand auf einer Brücke, hörte Schüsse, sah unten im Fluß aufgedunsene Leichen vorbeitreiben und wachte schluchzend auf. Es war ein Traum, gewiß, aber diese Ereignisse fanden in der Realität statt. In diesem Augenblick wurden unschuldige Männer, Frauen und Kinder sinnlos und brutal abgeschlachtet. Ihr kamen wieder die Worte von Professor Stakas ins Bewußt-sein. »Dieser Krieg in Bosnien-Herzegowina übersteigt den menschlichen Verstand.« Und völlig unbegreiflich war ihr das Desinteresse, mit dem die restliche Welt auf diese Geschehnisse reagierte. Dana fürchtete sich davor, wieder einzuschlafen, sie fürchtete sich vor den Alpträumen, die ihr Bewußtsein erfüllten. Sie stand auf, ging zum Fenster hinüber und blickte auf die Stadt hinunter. Es war alles so still - nirgends Gewehrschüsse, nirgends Menschen, die schreiend über die Straßen rannten. Es schien alles so unnatürlich. Sie fragte sich, wie es wohl Kemal ging und ob sie ihn einmal wiedersehen würde. Er hat mich wahrscheinlich inzwischen längst vergessen.

Einen Teil des Vormittags verbrachte Dana mit Einkäufen.

Wo immer sie auftauchte, blieben die Leute stehen, um sie anzustarren. Sie hörte Flüstern: »Das ist Dana Evans!« In den Geschäften wurde sie sofort von den Verkäuferinnen erkannt: Sie war berühmt. Das jedoch war ihr aus tiefster Seele zuwider.

Dana hatte nichts zum Frühstück und auch zu Mittag nichts gegessen. Sie war hungrig, doch außerstande, etwas zu sich zu nehmen. Sie war viel zu nervös. Es war so, als ob sie nur auf das Eintreten irgendeiner Katastrophe wartete. Auf der Straße mied sie den Blick der fremden Menschen. Sie war allen gegenüber mißtrauisch und horchte ständig nach dem Lärm von Gewehrschüssen und Geschützfeuer. So kann das nicht weitergehen, dachte Dana.

Um zwölf Uhr mittags marschierte sie ins Büro von Matt Baker.

»Was machen Sie denn hier? Sie sollten doch auf Urlaub sein.«

»Ich muß wieder arbeiten.«

Er schaute sie an und dachte an die junge Frau, die vor einigen Jahren zu ihm gekommen war. »Ich bin wegen einer Anstellung hier. Das heißt, ich bin hier natürlich bereits angestellt. Da würde man wohl eher von einer Versetzung sprechen, nicht wahr? ... Ich könnte sofort anfangen ...« Und sie hatte ihr Versprechen mehr als erfüllt: Wenn ich je eine Tochter haben würde .

»Die Chefin möchte Sie sehen«, sagte Matt zu Dana.

Sie begaben sich gemeinsam in das Büro von Leslie Stewart.

Die zwei Frauen standen sich abschätzend gegenüber. »Willkommen zu Hause, Dana.«

»Ich danke Ihnen.«

»Bitte setzen Sie sich.« Dana und Matt nahmen auf Stühlen vor Leslies Schreibtisch Platz.

»Ich möchte Ihnen dafür danken, daß Sie mich dort herausgeholt haben«, sagte Dana.

»Es muß die reine Hölle gewesen sein. Es tut mir leid, daß Sie so viel durchmachen mußten.« Leslie wandte sich Matt zu. »Und was machen wir nun mit ihr, Matt?«

Er musterte Dana. »Bei uns steht gerade die Neubesetzung der Position des Korrespondenten für das Weiße Haus an. Würde die Aufgabe Sie interessieren?« Es war einer der prestigeträchtigsten Fernsehjobs in den USA.

Danas Miene hellte auf. »Ja, sehr sogar.«

Leslie nickte. »Die Stelle gehört Ihnen.«

Dana erhob sich. »Also ... da bin ich Ihnen schon wieder Dank schuldig.«

»Viel Glück.«

»Dann wollen wir mal dafür sorgen, daß Sie hier ein richtiges Büro bekommen«, meinte Matt, als sie Leslie Stewart verlassen hatten. Er begleitete sie zum Fernsehgebäude, wo Dana bereits vom versammelten Personal erwartet wurde. Es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis sie sich einen Weg durch die Menge der Menschen gebahnt hatte, die sie begrüßen und ihr alles Gute wünschen wollten.

»Darf ich Sie mit unserer neuen Berichterstatterin vom Weißen Haus bekanntmachen«, sagte Matt zu Philip Cole.

»Das ist ja eine hervorragende Neuigkeit. Ich werde Ihnen nachher Ihr Büro zeigen.«

»Haben Sie schon zu Mittag gegessen?« fragte Matt Dana.

»Nein. Ich -«

»Warum gehen wir dann nicht gemeinsam einen Happen essen?«

Das Speisezimmer der Geschäftsführung befand sich im vierten Stock; es war ein geräumiger, heller Raum mit zwei Dutzend Tischen. Matt führte Dana zu einem Ecktisch, und sie setzten sich.

»Miss Stewart scheint ja sehr nett zu sein«, sagte Dana.

Matt wollte eine Bemerkung machen, sagte aber nur: »Ja. Aber jetzt wollen wir mal bestellen.«

»Ich habe keinen Hunger.«

»Sie haben aber doch noch nicht zu Mittag gegessen, oder?«

»Nein.«

»Haben Sie denn gefrühstückt?«

»Nein.«

»Dana, wann haben Sie zum letzten Mal gegessen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern. Das ist doch nicht wichtig.«

»Irrtum. Ich kann es nicht dulden, daß sich unsere Korrespondentin für das Weiße Haus zu Tode hungert.«

Der Kellner kam zu ihrem Tisch. »Wünschen Sie zu bestellen, Mr. Baker?«

»Ja.« Er überflog die Speisekarte. »Sie sollten mit etwas Leichtem anfangen. Für Miss Evans ein Sandwich mit Bacon, Kopfsalat und Tomaten.« Er wandte sich an Dana. »Kuchen oder Eis?«

»Gar ni...«

»Tortelett a la Mode. Und für mich ein Roastbeefsandwich.«

»Jawohl, Sir.«

Dana schaute sich in dem Raum um. »Mir kommt hier alles so irreal vor. Leben und Wirklichkeit sind für mich das, was dort unten in Bosnien geschieht, Matt. Es ist furchtbar. Aber hier kümmert's niemand.«

»Sagen Sie das nicht. Natürlich kümmert's uns. Wir sind aber nicht in der Lage, dafür zu sorgen, daß die ganze Welt auf dem richtigen Weg bleibt. Wir haben sie nicht unter Kontrolle, aber wir tun, was wir können.«

»Das ist aber nicht genug«, rief Dana verbittert.

»Dana ...« Er brach ab. Sie war ganz weit weg und horchte auf Geräusche, die er nicht hörte, sah Bilder, die er nicht sehen konnte. Sie saßen schweigend da, bis der Kellner mit den Bestellungen kam.

»Auf geht's.«

»Matt, wirklich, ich habe keinen Hung...« »Sie werden jetzt essen«, befahl Matt.

Jeff Connors kam zu ihrem Tisch herüber. »Hallo, Matt.«

»Jeff.«

Jeff Connors sah Dana an. »Hallo.«

»Darf ich Sie mit Jeff Connors bekanntmachen, Dana?« sagte Matt. »Jeff ist der Ressortleiter für Sport bei der Tribune.«

Dana nahm es mit einem Kopfnicken zur Kenntnis.

»Ich bin ein großer Bewunderer von Ihnen, Miss Evans. Ich bin sehr froh, daß Sie heil zu uns zurückgekommen sind.«

Dana reagierte mit neuerlichem Kopfnicken.

»Warum setzen Sie sich nicht zu uns an den Tisch, Jeff?« meinte Matt.

»Mach ich gern.« Er nahm einen Stuhl. »Ich habe immer versucht«, sagte er zu Dana, »keine von Ihren Sendungen zu verpassen. Ich fand Ihre Berichte brillant.«

»Danke«, murmelte Dana.

»Jeff zählt zu unseren großen Sportathleten. Er war ein berühmter Baseball-Star.«

Wieder ein Kopfnicken, sehr knapp diesmal.

»Am Freitag spielen die Orioles in Baltimore gegen die Yankees«, sagte Jeff. »Wenn Sie nichts Besseres vorhaben - es ist .«