»In diesem Fall ...?«
»Die Suite ist auf den Namen eines Eugene Gant gebucht worden.«
»Wer ist Eugene Gant?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Detective Reese verlor allmählich die Geduld. »Nun hören Sie mir mal gut zu. Wenn diese Suite gebucht worden ist, muß ja auch für sie gezahlt worden sein . mit Bargeld, Kreditkarte - meinetwegen auch mit Schafen -, egal, was. Und derjenige Hotelangestellte, der diesen Gant im Gästebuch registriert hat, muß doch wohl einen Blick auf ihn erhascht haben. Wer hat ihn ins Gästebuch eingetragen?«
»Unser Tagesempfangschef. Gorman.«
»Ich möchte ihn sprechen.«
»Das ist leider nicht möglich.«
»Ach ja? Und wieso nicht?«
»Er ist heute in die Ferien gefahren.«
»Dann rufen Sie ihn an.«
Robinson seufzte. »Er hat uns nicht mitgeteilt, wo er Urlaub macht.«
»Und wann kehrt er wieder zurück?«
»In zwei Wochen.«
»Da will ich Ihnen mal ein kleines Geheimnis verraten. Ich habe keineswegs die Absicht, zwei Wochen zu warten. Ich benötige hier und jetzt dringend ein paar Informationen. Es muß doch in diesem Hotel eine Person geben, die beobachtet hat, wie jemand diese Suite betreten oder verlassen hat.«
»Nicht unbedingt«, widersprach Robinson in einem entschuldigenden Ton. »Diese Suite besitzt nämlich neben dem gewöhnlichen Ausgang auch einen eigenen Fahrstuhl, der direkt zur Garage im Kellergeschoß fährt . Im übrigen kann ich die ganze Aufregung nicht verstehen. Hier . es handelt sich hier um einen Unfall. Wahrscheinlich war das Mädchen drogenabhängig. Es hat eine Überdosis genommen, ist gestolpert und hingefallen.«
Ein Kriminalbeamter trat auf Detective Reese zu. »Ich habe mir die Schränke angeschaut. Das Kleid des Mädchens kommt von Gap, die Schuhe sind von Wild Fair. Sonst keinerlei Hinweise.«
»Es gibt also gar keine Anhaltspunkte für eine Identifizierung?«
»Nein. Falls Sie eine Handtasche bei sich gehabt hat, so ist sie verschwunden.«
Detective Reese unterzog die Leiche einer neuerlichen Musterung. »Bringen Sie mir ein Stück Seife«, wies er den neben ihm stehenden Polizisten an. »Und feuchten Sie die Seife an.«
Der Polizist machte eine verdutzte Miene. »Entschuldigung?«
»Ein Stück nasse Seife.«
»Jawohl, Sir.« Er verließ eilends den Raum.
Detective Reese kniete neben der Leiche des Mädchens und betrachtete den Ring an ihrem Finger. »Sieht ganz nach einem Schulring aus.«
Eine Minute später kehrte der Polizist zurück und überreichte Reese ein Stück Seife.
Reese rieb den Finger des Mädchens behutsam mit der Seife ein und zog anschließend vorsichtig den Ring ab. Er drehte ihn nach allen Seiten. »Es handelt sich um einen Klassenring von der Denver High School«, erklärte er, nachdem er ihn untersucht hatte. »Und er trägt die Initialen P. Y.« Er schaute zu seinem Begleiter hoch. »Überprüfen Sie dies. Rufen Sie bei der Schule an. Finden Sie heraus, wer das Mädchen ist. Wir müssen sie so rasch wie möglich identifizieren.«
Detective Ed Nelson - ein Experte der Abteilung für Fingerabdrücke - trat auf Detective Reese zu. »Eine verdammt komische Sache, Nick. Wir finden hier überall Fingerabdrücke, und doch hat sich jemand die Mühe gemacht, von den Türgriffen sämtliche Fingerabdrücke zu entfernen.«
»Das heißt, daß sich zum Zeitpunkt des Todes noch eine weitere Person in dieser Suite aufgehalten hat. Warum hat er keinen Arzt geholt? Warum hat er es für nötig befunden, Fingerabdrücke zu beseitigen? Und was, Teufel noch mal, hat ein Mädchen überhaupt in so einer teueren Suite verloren?«
»In welcher Form ist die Bezahlung für die Suite entrichtet worden?« fragte er Robinson.
»Laut unseren Unterlagen ist bar bezahlt worden, durch einen Boten, der ein Kuvert brachte. Die Buchung der Suite erfolgte übrigens per Telefon.«
»Nick«, meldete sich der Coroner zu Wort, »können wir die Leiche jetzt bewegen?«
»Noch eine Minute, bitte. Habt ihr irgendwelche Anzeichen von Gewaltanwendung entdeckt?«
»Nur die Verletzung auf der Stirn. Wir werden selbstverständlich eine Obduktion durchführen.«
»Irgendwelche Schleifspuren am Körper?«
»Nein. Die Arme und Beine sind sauber.«
»Ist sie eventuell vergewaltigt worden?«
»Das werden wir überprüfen.«
Detective Reese seufzte. »Da hätten wir also folgenden Tatbestand: Ein Schulmädchen aus Denver kommt nach Washington und wird in einem der teuersten Hotels der Stadt ermordet. Ein Unbekannter beseitigt seine Fingerabdrücke und verduftet. Die Geschichte ist faul. Ich will wissen, wer diese Suite gemietet hat.«
Er wandte sich an den Coroner. »Sie können die Leiche jetzt mitnehmen.« Er fixierte Detective Nelson. »Haben Sie den Privatlift nach Fingerabdrücken untersucht?«
»Jawohl. Der Lift fährt direkt ins Kellergeschoß hinunter, und er hat lediglich zwei Bedienungsknöpfe. Beide Knöpfe sind abgewischt worden.«
»Sie haben in der Garage nachgeschaut?«
»Ja. Dort unten hat sich nichts Ungewöhnliches ergeben.«
»Wer immer der Täter sein mag - er hat sich verdammt viel
Mühe gemacht, um seine Spuren zu verwischen. Da muß es sich entweder um eine Person mit Vorstrafenregister handeln oder um eine VIP, die sich damit amüsiert, über die Stränge zu schlagen.« Er musterte Robinson. »Welche Leute buchen diese Suite üblicherweise?«
»Sie ist -«, Robinson mußte sich sichtlich überwinden, »höchstbedeutenden Gästen vorbehalten: Königen, Premierministern ...« Er zögerte erneut. »... Staatspräsidenten.«
»Sind während der vergangenen vierundzwanzig Stunden von diesem Telefon Anrufe getätigt worden?«
»Das weiß ich nicht.«
Detective Reese zeigte sich zunehmend irritiert. »Falls ein Anruf stattgefunden hätte, wäre er aber dokumentiert worden?«
»Selbstverständlich.«
Detective Reese nahm den Hörer ab. »Hier Detective Nick Reese. Ich muß wissen, ob im Laufe der vergangenen vierundzwanzig Stunden von der Imperial Suite aus telefoniert worden ist. Ich werde warten.«
Er sah den Mitarbeitern des Coroner zu, als sie die nackte Mädchenleiche mit einem Laken zudeckten und auf eine Bahre hoben. Mein Gott, dachte Reese, sie hatte ja kaum angefangen zu leben.
Er hörte die Stimme des Telefonisten. »Detective Reese?«
»Am Apparat.«
»Es hat gestern einen Anruf von der Imperial Suite aus gegeben. Es war ein Ortsgespräch.«
Reese zückte Bleistift und Notizblock. »Wie lautete die Nummer? . Vier-fünf-sechs-sieben-null-vier-eins . « Reese begann mit dem Notieren der Nummer, brach dann aber abrupt ab und schaute entgeistert auf sein Notizbuch. »Scheiße!«
»Was ist los?« fragte Detective Nelson.
Reese hob den Kopf. »Es ist die Telefonnummer des Weißen Hauses.«
17
»Wo bist du in der vergangenen Nacht gewesen, Oliver?« fragte Jan am folgenden Morgen während des Frühstücks.
Olivers Herzschlag setzte für eine Sekunde aus. Aber sie konnte unmöglich wissen, was geschehen war, niemand konnte es wissen. Wirklich niemand. »Ich hatte eine Zusammenkunft mit .«
Jan fiel ihm ins Wort. »Die Sitzung ist abgesagt worden. Trotzdem bist du erst um drei Uhr nachts heimgekommen. Ich hatte versucht, dich zu erreichen. Wo bist du gewesen?«
»Na ja, da hat sich etwas ergeben. Aber warum? Bestand denn ein dringender Anlaß ...? War etwas nicht in Ordnung?«
»Das ist mittlerweile bedeutungslos«, antwortete Jan in einem müden Ton. »Du tust nicht einfach nur mir weh, Oliver, du schadest dir auch selbst. Du hast soviel erreicht. Ich will nicht mitansehen müssen, daß du das alles wieder verlierst, nur weil . weil du nicht fähig bist . « Ihr traten Tränen in die Augen.