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»Ich verstehe, Oliver. Adieu.«

Fünf Minuten später meldete sich Leslies Sekretärin auf der internen Sprechanlage. »Ein Anruf für Sie auf Leitung eins, Miss Stewart.«

»Ich habe nicht den Wunsch, mit .«

»Es ist Senator Davis.«

Der Vater der Braut. Was will denn der von mir? fragte sich Leslie. Sie nahm den Hörer ab.

»Miss Stewart?« sagte eine tiefe Südstaatenstimme.

»Am Apparat.«

»Hier spricht Todd Davis. Ich finde, daß wir beide uns einmal unterhalten sollten.«

Sie zögerte. »Senator, ich wüßte nicht, was wir zu be-«

»Ich hole Sie in einer Stunde ab.« Und schon war die Leitung tot.

Pünktlich auf die Minute hielt eine Limousine vor dem Bürogebäude. Der Chauffeur hielt Leslie die Tür auf. Im Fond saß Senator Davis - ein vornehm wirkender Herr mit weißem,

wallendem Haar, dünnem, gepflegtem Schnurrbart und Patriarchengesicht. Er trug sogar jetzt im Herbst einen weißen Anzug und einen breitkrempigen weißen Livorno-Hut. Er wirkte wie eine Erscheinung aus einem früheren Jahrhundert. Ein altmodischer Südstaatengentleman.

»Sie sind wirklich eine schöne junge Frau«, sagte Senator Davis, als Leslie neben ihm Platz nahm.

»Danke für das Kompliment«, erwiderte sie steif.

Der Wagen setzte sich in Bewegung.

»Ich meinte damit keineswegs nur Ihr Äußeres, Miss Stewart. Ich habe gehört, wie Sie mit der ekligen Geschichte umgegangen sind, die für Sie doch bedauernswert ist. Ich selbst habe es zuerst gar nicht glauben wollen, als ich die Neuigkeit erfuhr.« In seiner Stimme klang Zorn durch. »Was ist nur aus der guten alten menschlichen Anständigkeit geworden? Um die Wahrheit zu sagen: mich persönlich widert die schäbige Art und Weise an, wie Oliver Sie behandelt hat. Und auf Jan bin ich deshalb wütend, weil sie ihn geheiratet hat. Ich habe Ihnen gegenüber irgendwie ein schlechtes Gewissen, weil sie ja immerhin meine Tochter ist. Die beiden haben einander wirklich verdient.« Ihm versagte vor Erregung die Stimme.

Eine Weile fuhren sie schweigend dahin. Als Leslie dann schließlich das Wort ergriff, sagte sie: »Ich kenne Oliver. Ich bin überzeugt, daß er mir nicht weh tun wollte. Was geschehen ist . nun, es ist eben einfach geschehen. Ich wünsche ihm nur das Beste. Er hat es verdient, und ich würde nichts unternehmen, um ihm Steine in den Weg zu legen.«

»Das ist äußerst liebenswürdig von Ihnen.« Er musterte sie einen Augenblick lang mit forschendem Blick. »Sie sind wirklich eine bemerkenswerte junge Dame.«

Der Wagen hielt an. Leslie schaute zum Fenster hinaus. Sie hatten Paris Pike im Kentucky Horse Center erreicht. In Le-xington und Umgebung gab es über hundert Gestüte, und Senator Davis war Eigentümer des größten: weiße Bretterzäu-ne, weiße Koppeln mit roten Sattelplätzen und sanftes Kentu-cky-Wiesenrippengras, soweit das Auge reichte.

Leslie und Senator Davis stiegen aus dem Wagen, traten an den Zaun, der die Rennbahn einfaßte, und blieben eine Weile in stummer Bewunderung für die herrlichen, dort trainierenden Tiere stehen.

»Ich bin ein einfacher Mann«, sagte Senator Davis ruhig, als er sich Leslie zuwandte. »Es mag seltsam klingen, doch es ist die Wahrheit. Ich wurde hier geboren und wäre glücklich, den Rest meines Lebens hier zu verbringen. Es ist ein einmalig schöner Ort. Schauen Sie sich um, Miss Stewart, es ist der Himmel auf Erden. Können Sie mir einen Vorwurf daraus machen, daß ich all das nicht aufgeben möchte? Mark Twain hat einmal bemerkt: Wenn die Welt unterginge, dann wünsche er sich, in Kentucky zu sein, weil Kentucky immer gut zwanzig Jahre hinterherhinkt. Ich muß mein Leben leider zur Hälfte in Washington verbringen, und ich hasse Washington.«

»Warum bleiben Sie dann dort?«

»Aus Pflichtgefühl. Unser Volk hat mich in den Senat gewählt, und ich werde mich bemühen, dort mein Bestes zu geben, bis ich abgewählt werde.« Er wechselte abrupt das Thema. »Ich möchte Ihnen für Ihre Einstellung und für Ihr Verhalten meine Bewunderung aussprechen. Wenn Sie in der bewußten Angelegenheit böse reagiert hätten, wäre vermutlich ein ziemlicher Skandal daraus geworden. Aber so - nun ja, zum Zeichen meiner Dankbarkeit möchte ich mich Ihnen gegenüber gern erkenntlich zeigen.«

Leslie hielt seinem Blick stand.

»Ich dachte, Sie würden vielleicht gerne eine Zeitlang von hier verschwinden, eine kleine Auslandsreise machen, einfach ein bißchen unterwegs sein. Selbstverständlich würde ich die .«

»Davon nehmen Sie bitte Abstand.«

»Ich wollte nur .«

»Ich weiß. Ich kenne Ihre Tochter nicht, Senator Davis. Ihre Tochter muß aber eine außergewöhnliche Frau sein, wenn Oliver sie liebt. Ich kann nur hoffen, daß die beiden miteinander glücklich werden.«

Er wurde plötzlich sehr verlegen. »Ich denke, Sie sollten erfahren, daß die beiden nach ihrer Rückkehr aus Paris hier noch einmal Hochzeit feiern werden. In Paris hat die standesamtliche Trauung stattgefunden. Jan wünscht sich aber eine kirchliche Trauung in Lexington.«

Es war ein Dolchstoß mitten ins Herz. »Verstehe. In Ordnung. Meinetwegen müssen Sie sich keine Sorgen machen.«

Die Trauung fand zwei Wochen später in der Calvary Chapel statt, in der gleichen Kirche, wo ursprünglich Leslie und Oliver hatten heiraten wollen. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt.

Vor dem Geistlichen am Altar standen Oliver Russell, Jan Todd - eine attraktive Brünette von überwältigender Größe und aristokratischem Gebaren - und Davis Todd.

Die Trauzeremonie näherte sich ihrem Ende. »Gott hat es so gewollt, daß Mann und Frau in den heiligen Stand der Ehe treten und gemeinsam durchs Leben gehen .«

Die Kirchentür öffnete sich. Leslie Stewart trat ein, horchte kurz und ging dann zur hintersten Kirchenbank hinüber, wo sie hochaufgerichtet stehen blieb.

». und so jemand einen Grund weiß, warum dieses Paar nicht in den heiligen Stand der Ehe treten sollte«, sprach der Pfarrer, »so möge er jetzt vortreten oder für immer .« Und als er den Kopf hob, fiel sein Blick auf Leslie. ». für immer schweigen.«

Fast automatisch drehten sich einige Leute nach Leslie um. Ein Flüstern ging durch die Gemeinde. Die Leute ahnten, daß eine dramatische Szene bevorstand, und in der Kirche herrschte plötzlich eine gespannte Stille.

Nichts geschah.

Der Pfarrer wartete einen Augenblick, bevor er nach einem nervösen Räuspern fortfuhr: »Und kraft des mir verliehenen Amtes erkläre ich Sie hiermit zu Mann und Frau.« In seiner Stimme schwang tiefe Erleichterung mit. »Sie dürfen die Braut küssen.«

Als der Priester erneut aufblickte, war Leslie verschwunden.

Der letzte Eintrag in Leslie Stewarts Tagebuch lautete: Liebes Tagebuch: Es war eine schöne Trauung. Olivers Braut ist sehr hübsch. Sie trug ein herrliches Hochzeitskleid aus Spitzen und Satin, dazu ein Top mit Nackenträger und einen Bolero. Oliver sah schöner aus denn je. Er machte einen sehr glücklichen Eindruck. Und das freut mich.

Denn ich werde dafür sorgen, daß er wünscht, er wäre nie geboren worden, bevor ich mit ihm fertig bin.

2

Es war Senator Todd Davis gewesen, der die Versöhnung zwischen seiner Tochter und Oliver Russell in die Wege geleitet hatte.

Todd Davis war Witwer. Ein Multimilliardär, dem Tabakplantagen, Kohlebergwerke, Ölfelder in Oklahoma und Alaska sowie ein Gestüt mit Rennpferden der Weltspitzenklasse gehörten. Und er war als Mehrheitsführer im Senat, dem er bereits in der fünften Legislaturperiode angehörte, einer der mächtigsten Männer in Washington. Seine Lebensphilosophie lautete: Nie einen Menschen vergessen, der dir einen Gefallen getan hat, und nie eine Kränkung verzeihen. Er rühmte sich, auf der Rennbahn wie in der Politik ein Auge für kommende Sieger und Gewinner zu haben, und hatte bereits sehr früh auf Oliver Russell gesetzt. Die Aussicht, daß Oliver sein Schwiegersohn werden könnte, war ein unerwarteter, zusätzlicher Pluspunkt, den seine Tochter Jan dann mit ihrem törichten Verhalten natürlich wieder zunichte gemacht hatte. Es war die Nachricht von Oliver Russells Heirat mit Leslie Stewart, die ihm zu denken gegeben hatte. Sehr zu denken.