»Wird höchste Zeit. Sagen wir dem Professor, daß er seine Maschine aufwärmen kann.«
Barney kletterte mühsam auf die Ladefläche des Armeelasters und ließ sich auf eine der Kisten fallen. Er hatte auf der Couch im Büro eine Stunde lang geschlafen, bis ihn L. M. wieder hochgeärgert hatte. Danach hatte ein erbittertes Ringen um das Budget stattgefunden. Die Überlastung machte sich bemerkbar.
»Ich habe alle meine Instrumente neu eingestellt«, sagte Professor Hewett und deutete glücklich auf ein Meßgerät, »so daß jetzt eine zeitlich und örtlich genaue Verschiebung garantiert ist.«
»Wunderbar. Stellen Sie die Dinger da so ein, daß wir zur gleichen Tageszeit wie das letzte Mal ankommen. Das Licht war gut …«
Die Tür wurde aufgerissen, und lauter, gutturaler Gesang erfüllte das Lagerhaus. Ottar wankte herein, gestützt von Jens Lyn und Dallas Levy. Er war offensichtlich sternhagelvoll. Tex Antonelli kam mit einem Handkarren hinterdrein. Alle drei Männer stemmten den Wikinger mit vereinten Kräften auf den Lastwagen. Dort schlief er sofort ein, und sie bauten rund um ihn Kisten auf.
»Was ist das?« fragte Barney und deutete auf die Kisten, die sich in dem Handkarren befunden hatten.
»Tauschwaren«, erklärte Jens Lyn und stemmte einen Karton mit der Aufschrift Jack Daniels auf den Laster. »Ottar hat den Vertrag unterzeichnet. Zu meiner Überraschung gibt es hier einen isländischen Notar …«
»In Hollywood kann man eben alles finden.«
»… und Ottar erklärte sich bereit, Englisch zu lernen, sobald er wieder in seinem eigenen Heim sei. Er hat einen Geschmack für alkoholische Getränke entwickelt, und wir kamen überein, daß er für jeden Studientag eine Flasche Whisky erhalten sollte.«
»Hätten Sie ihm nicht irgendeinen Fusel andrehen können?« fragte Barney, als die nächste Kiste mit Jack Daniels nach oben gehievt wurde. »Ich muß die Finanzen verantworten.«
»Wir haben es versucht«, erklärte Dallas und wuchtete den dritten Karton herein. »Wir gaben ihm einen fünfundneunzigprozentigen Kornschnaps, aber da machte er nicht mit. Wir haben ihn zu früh verwöhnt. Zwei Monate, fünf Kisten — so lautete der Handel.«
Jens Lyn kletterte herein, und Barney bewunderte seine kniehohen Feldstiefel, die Wickelgamaschen, die Jagdtasche und das Fahrtenmesser. »Weshalb die Dschungelausrüstung?« fragte er.
»Ich möchte am Leben bleiben und mich einigermaßen wohl fühlen«, sagte Lyn und ließ sich von Dallas einen Schlafsack und eine Kiste heraufreichen. »Ich habe DDT für die Läuse, die es sicher in rauhen Mengen gibt, Halazontabletten für das Trinkwasser und Konservennahrung. Das Essen damals war ziemlich einseitig und für den modernen Geschmack ziemlich ungesund. Deshalb habe ich ein paar Vorsichtsmaßnahmen getroffen.«
»Verständlich«, meinte Barney. »Machen Sie das Gatter hinter sich zu, dann können wir losfahren.«
Obwohl das Vremeatron immer noch summte und knisterte, herrschte längst nicht die gleiche Spannung wie bei der ersten Reise. Die Menschen des Maschinenzeitalters hatten sich schnell umgestellt, und die Reise durch die Zeit wurde etwas Alltägliches wie die Fahrt in einem Schnell-Lift, der Flug in einer Düsenmaschine oder der Start einer Rakete. Nur Gino, der Neuankömmling, war etwas nervös und sah die elektronischen Geräte und das verschlossene Lagerhaus mißtrauisch an. Aber als er die Ruhe der anderen sah — Barney schlief fast ein, während Dallas und der dänische Philologe stritten, ob man eine Flasche Whisky öffnen und dadurch einen Studientag verlieren könne —, entspannte er sich. Er erschrak noch einmal, als der Übergang geschafft war, aber er blieb brav sitzen, nachdem man ihm die Flasche gereicht hatte. Allerdings wurden seine Augen groß, als draußen der eisblaue Himmel erschien und ein feiner, salziger Sprühnebel den Wagen einhüllte.
»Ein toller Trick«, sagte er und deutete auf seinen Belichtungsmesser. »Wie macht ihr das?«
»Wenn Sie Einzelheiten wissen wollen, müssen Sie den Professor fragen«, sagte Barney und hustete, weil er einen zu großen Schluck genommen hatte. »Sehr kompliziert. Irgend etwas mit Zeitenverschiebung.«
»Ich verstehe«, sagte Gino und stellte die Blende auf 3,5 ein. »So etwas wie die Zeitzonen, wenn man von London nach New York fliegt. Die Sonne scheint sich nicht zu bewegen, und man kommt zur gleichen Zeit an, wie man startete.«
»So ungefähr.«
»Gutes Licht. Mit diesem Licht bekommt man schöne Farben.«
»Während des Fahrens wird nicht getrunken«, sagte Dallas und reichte Tex, der hinter dem Steuerrad saß, die Flasche. »Ein kräftiger Schluck, Partner, und dann geht es weiter.«
Der Anlasser surrte, und Barney sah, daß der Wagen Reifenspuren folgte. Durch die Müdigkeitsschichten zwängte sich schwach die Erinnerung, und er hämmerte auf das Metalldach über Tex. »Hupen!« schrie er.
Sie kamen an die felsige Landzunge, und Tex hupte, als sie um die Biegung fuhren. Barney stolperte über die Kisten und den schlafenden Wikinger, als er zum hinteren Ende des Lasters rannte. Man hörte den Motor eines zweiten Lasters, und dann kam die Maschine an ihnen vorbei. Barney sah einen Moment lang sein anderes Ich, blaß und mit großen Augen. Mit einem sadistischen und zugleich masochistischem Gefühl schnitt er seinem schockierten Selbst eine Grimasse. Dann schob sich die Landzunge zwischen die beiden Wagen.
»Viel Verkehr hier?« fragte Gino.
Ottar setzte sich auf, rieb sich die Seite und murmelte etwas Unfeines vor sich hin. Jens beruhigte ihn schnell mit einem langen Zug aus der Flasche, während Tex den Wagen auf dem Kies abbremste.
»Villa Alpenveilchen«, rief Tex nach hinten. »Endstation.«
Beißender Rauch quoll immer noch aus dem Kamin der niedrigen Hütte, aber es war niemand zu sehen. Waffen und plumpe Werkzeuge lagen auf dem Boden verstreut. Ottar fiel halb aus dem Laster und brüllte etwas, doch im nächsten Moment faßte er sich mit schmerzverzerrter Miene an den Kopf.
»Hvar erut per rakka? Komit út!«[6] Er hielt sich wieder den Kopf und sah sich nach der Flasche um, aber Jens Lyn hatte sie sicherheitshalber versteckt. Das Gesinde erschien zitternd.
»Los, fangen wir an«, sagte Barney. »Ladet die Kisten ab und fragt Dr. Lyn, wo er sie haben möchte. Nicht Sie, Gino, Sie begleiten mich!«
Sie erkletterten den niedrigen Hang hinter dem Haus. Er war mit hartem, stoppeligem Gras bewachsen, und sie stolperten beinahe über ein verfilztes und wild aussehendes Schaf, das bähend vor ihnen die Flucht ergriff. Von der Anhöhe aus hatten sie einen schönen Blick auf die hereinschwingende Bucht und den weiten, schiefergrauen Ozean. Ein hoher Wellenkamm brach sich am Ufer. Mitten in der Bucht befand sich eine düstere Insel aus Felsklippen, die von der Brandung umschäumt wurde.
»Nehmen Sie die ganze Umgebung auf, damit wir sie später genau studieren können. Von der Insel kann ich eine Nahaufnahme gebrauchen.«
»Sollen wir nicht landeinwärts gehen und uns die Gegend da drüben ansehen?« fragte Gino nach einem Blick durch den Sucher.
»Später, wenn wir noch Zeit haben. Aber es wird ein Meeresfilm, und ich bin froh, daß wir soviel Wasser zur Verfügung haben, ohne von Hafenanlagen und ähnlichem gestört zu werden.«
»Wenn ich am Ufer entlangginge, könnte ich sehen, was hinter der Landspitze liegt.«
»Meinetwegen — aber nehmen Sie Tex oder Dallas mit, damit Sie nicht in Schwierigkeiten geraten. Bleiben Sie nicht länger als eine Viertelstunde weg, ich möchte Sie vor der Abfahrt nicht suchen müssen.« Barney sah am Ufer ein Ruderboot. Er deutete hinunter. »Ich habe eine Idee. Holen Sie sich Lyn als Übersetzer und lassen Sie sich von ein paar Einheimischen ein Stück aufs Meer hinausrudern. Dann sehen wir gleich, wie sich die Szenen vom Wasser aus machen.«