»He!« Tex kam über den Hang. »Sie werden unten gebraucht, Barney. Irgendein Palaver …«
»Sofort. Tex, du kannst gleich bei Gino bleiben und ein wenig auf ihn achten.«
»Wird gemacht. Va buona, eh cumpa!«
Gino warf ihm einen finsteren, mißtrauischen Blick zu. »Vui sareste italiano?«
Tex lachte. »Ich? Nein, ich bin Americano, aber ich habe Verwandte in der ganzen Bucht von Neapel.«
»Di Napoli! So’ napoletano pur’ io!« rief Gino verklärt.
Barney verließ sie, als sie sich begeistert die Hände schüttelten und gemeinsame Bekannte ausgruben. Er ging hinunter zum Haus. Dallas saß am Lastwagenanhänger und rauchte eine Zigarette. »Die anderen sind drinnen«, sagte er. »Ich passe auf, daß unser Transportmittel intakt bleibt. Lyn sagte, ich solle Sie hineinschicken, sobald Sie kämen.«
Barney sah die niedrige Hüttentür ohne jede Begeisterung an. Sie stand halb offen, und durch die Öffnung quoll mehr Rauch als durch den Kamin. »Paß wirklich gut auf«, sagte er.
»Es gibt schönere Orte, wenn wir Schiffbruch erleiden sollten.«
Er riß die Tür weit auf, bückte sich und trat ein. Der Rauch nebelte ihn ein, und Barney war fast froh darum, denn er überlagerte auch einige der anderen Gerüche, von denen es hier genug gab. Da er aus der Sonne kam, konnte er einen Moment lang nichts erkennen.
»Jæja, kunningi! Þu skalt drekka me∂ mér!«[7]
Ottars rauhe Stimme dröhnte durch den Raum, und als sich Barneys Augen an das Halbdunkel gewöhnten, konnte er sehen, daß die Männer um einen dicken Brettertisch saßen. Ottar hatte den Vorsitz, und er hämmerte mit den Fäusten auf die Bohlen.
»Sie sollen mit ihm trinken«, erklärte Lyn. »Das ist eine sehr wichtige Sache. Sie nehmen die Gastfreundschaft ernst.«
»Öl!«[8] donnerte Ottar und hob ein kleines Faß vom Boden auf.
»Was soll ich trinken?« fragte Barney ins Dunkel hinein.
»Ale. Sie stellen es aus Gerste her, ihrem Haupterzeugnis. Es ist eine Erfindung der nordgermanischen Stämme und sozusagen ein Vorläufer unseres modernen Biers.«
»Drekk!«[9] befahl Ottar, nachdem er die Flüssigkeit in ein Horn geschwappt hatte. Barney sah, daß es tatsächlich ein Kuh-Horn war, gesprungen und nicht übermäßig sauber. Jens Lyn, der Professor und Amory Blestead hatten ebenfalls Hörner in der Hand. Er hob es an die Lippen und kostete. Das Bier schmeckte fade, säuerlich, wässerig und abscheulich.
»Gut!« sagte er und hoffte, daß die Dunkelheit seinen Gesichtsausdruck verbarg.
»Já, gott ok vel«[10], erwiderte Ottar und goß noch mehr von der ekligen Brühe in Barneys Horn, so daß es überlief und ihm klebrig in den Ärmel rann.
»Wenn Sie das scheußlich finden, dann warten Sie erst das Essen ab«, verkündete Amory dumpf.
»Da kommt es schon.«
Der Professor deutete ans Ende des Raumes, wo einer der Knechte in einem hölzernen Verschlag herumstöberte. Als er sich streckte, hob er eines der dunklen, runden Gebilde hoch, die dort herumlagen. Die Männer hörten ein schmerzhaftes Quieken.
»Die Tiere …« begann Barney.
»Leben mit im Haus, jawohl«, sagte Amory. »Das gibt der Luft hier das gewisse Etwas.«
Der Knecht, der sich kaum von einem ungepflegten Schäferhund unterschied, kam mit zwei größeren Batzen unter jedem Arm wieder und knallte sie vor Barney auf den Tisch. Sie waren hart wie Felsbrocken.
»Was ist das?« fragte Barney und beäugte die Dinger mißtrauisch von der Seite. Er hatte das Horn in die Linke genommen und schüttelte aus dem rechten Ärmel das Bier.
»Der linke Brocken ist Käse, ein einheimisches Produkt, und der rechte knaekbrød, hartes Brot«, erklärte Jens Lyn. »Oder ist es genau umgekehrt?«
Barney versuchte die beiden Batzen anzuknabbern, aber er gab es auf, da er für seine Zähne fürchtete. »Wirklich vorzüglich«, sagte er und warf sie wieder auf den Tisch. Dann sah er auf die Leuchtziffern seiner Armbanduhr. »Das Licht wird schwächer, und wir müssen bald starten. Amory, kann ich Sie draußen sprechen, sobald Sie sich von der Party losgerissen haben?«
»Mit Vergnügen«, sagte Amory, trank schaudernd noch ein paar Schlucke und kippte den Rest unter den Tisch.
Die Sonne war hinter den Wolken verschwunden, und eine eisige Brise wehte vom Meer her. Barney fror und steckte die Hände in die Taschen.
»Ich brauche Ihre Hilfe, Amory«, sagte er. »Stellen Sie eine Liste aller Dinge zusammen, die wir benötigen, um hier den Film zu drehen. Es sieht nicht so aus, als könnten wir von den Einheimischen Sachen erstehen.«
»Ganz meine Meinung.«
»Also werden wir alles mitbringen müssen. Ich möchte auch hier schneiden, deshalb richten Sie in einem der Wohnwagen einen Cutter-Raum ein.«
»Barney, Sie fordern Ihr Glück heraus. Wir können froh sein, wenn wir hier in Ruhe unseren Film zu Ende drehen. Und was ist mit der Synchronisation? Und mit der Musik?«
»Wir werden tun, was wir können. Nehmen Sie einen Komponisten und ein paar Musiker unter Vertrag, vielleicht sogar ein hiesiges Orchester.«
»Mir platzt schon jetzt das Trommelfell.«
»Mister Hendrickson!« Jens Lyn trat ins Freie und zog etwas aus der Brusttasche seiner Buschjacke. »Ich erinnere mich eben — ich sollte Ihnen diese Nachricht geben.«
»Was ist das?«
»Keine Ahnung. Ich nehme an, sie war für Sie persönlich bestimmt. Ihre Sekretärin gab sie mir kurz vor dem Aufbruch.«
Barney nahm den verknitterten Umschlag und riß ihn auf. Er enthielt ein einzelnes gelbes Blatt mit der getippten Nachricht:
L. M. sagt eben am Telefon, daß Film nicht gedreht wird. Nennt keinen Grund. Arbeiten einstellen.
6
Barney warf die Zeitschrift wieder auf den Tisch, aber der Umschlag blieb an seiner Hand kleben und wurde eingerissen. Er schälte ungeduldig das Papier ab und ärgerte sich, daß er das Wikingerbier vor dem Herkommen nicht abgewaschen hatte. Die Arbeiten einstellen!
»Miß Zucker«, sagte er, »L. M. will mich sprechen. Das hat er gesagt. Er hat sogar eine Nachricht hinterlassen. Sicher wartet er ganz ungeduldig auf mich …«
»Tut mir leid, Mister Hendrickson, aber er hat ausdrücklich angeordnet, daß er bei seiner Konferenz nicht gestört werden darf.« Ihre Finger hingen einen Moment reglos über der Maschine, und ihr Kaugummi blieb in einer Backe. »Ich werde ihn verständigen, daß Sie hier sind, sobald es mir möglich ist.« Die Schreibmaschine klapperte wieder, und der Kaugummi bewegte sich im Rhythmus dazu.
»Sie könnten zumindest gleich anrufen und sagen, daß ich da bin.«
»Mister Hendrickson!« sagte sie. Ihr Tonfall hatte Ähnlichkeit mit dem einer Mutter Oberin, die man beschuldigte, ein unanständiges Haus zu führen.
Barney holte sich Wasser aus dem Automaten, trank einen Schluck und ließ den Rest über die klebrige Hand laufen. Er trocknete sie mit Schreibmaschinenpapier ab, als die Sprechanlage summte und Miß Zucker ihm zunickte. »Sie können jetzt hineingehen«, sagte sie kühl.
»Was heißt das, L. M.?« fragte er, sobald die Tür geschlossen war. »Was soll dieser alberne Zettel?« Sam saß in seinem Sessel wie ein Ölgötze, und Charley Chang hatte ihm gegenüber Platz genommen. Er schwitzte und sah elend aus.
»Was das heißt? Was soll es schon heißen? Es heißt, daß Sie mich hereingelegt haben, Barney Hendrickson. Sie haben sich meine Genehmigung zu dem Film erschwindelt und besaßen noch nicht einmal ein Drehbuch!«