»Bis jetzt schon«, sagte Barney und zog die Linien mit dem Finger nach. »Reden Sie schnell weiter, solange ich den Faden noch nicht verloren habe.«
»Gewiß. Nun sehen Sie sich den Bogen DE an, unsere Rückreise in der Zeit zu einem Punkt, der hinter dem Startpunkt B liegt. Ich kann diesen Punkt E bis zu dem Bruchteil einer Sekunde hinter B setzen, aber niemals vor B. Die Reihenfolge muß immer BE sein.«
»Weshalb?«
»Ich bin froh, daß Sie diese Frage stellen, denn das ist das Kernproblem. Sehen Sie sich nun einmal Punkt K an. Das ist die Schnittstelle der beiden Bögen BC und DE. Dieser Punkt K muß existieren, sonst wäre eine Rückreise unmöglich, denn bei K erfolgt der Energieaustausch, der das Gleichgewicht der Zeit wieder herstellt. Wenn man Punkt E zwischen D und B setzt, kreuzen sich die Bögen nicht, ganz gleich, wie nahe sie aneinander kommen. Also gleicht sich auch die Energie nicht aus, und die Reise kommt nicht zustande.«
Barney glättete seine Stirn. »Kurz gesagt, wir können nicht zu einem Punkt zurück, der vor unserer Abreise liegt.«
»Richtig.«
»Dann ist also die Zeit, die wir für die Vorbereitungen verbraucht haben, endgültig vorbei?«
»Richtig.«
»Wenn wir also den Film am Montag um zehn Uhr vormittags fertig haben wollen, müssen wir jetzt in die Vergangenheit starten und dürfen nicht mehr zurückkommen, bis alles erledigt ist?«
»Ich hätte es selbst nicht deutlicher formulieren können.«
»Dann fangen wir schleunigst an. Schließlich haben wir schon Samstagvormittag. Die Zimmerleute sind fertig, es steht uns nichts mehr im Wege.«
Das erste Fahrzeug der Kolonne war ein Jeep. Tex lag schlafend auf den Vordersitzen und Dallas auf der Rückbank. Barney beugte sich in den Wagen und wollte auf die Hupe drücken, doch plötzlich starrte er in den Lauf eines Revolvers. Tex hielt ihn mit zitternder Hand.
»Ich habe Kopfschmerzen«, sagte er mit belegter Stimme. »Sie sollten das nicht tun.« Langsam ließ er die Waffe in das Halfter gleiten.
»Nervös heute morgen, was?« fragte Barney. »Du brauchst ein bißchen frische Meeresluft. Es geht los.«
Tex startete den Jeep, während Dallas auf die Plattform hinüberstolperte und zwei Metallrampen zurechtrückte. Sobald Tex über die Rampen gefahren war, zog er sie nach.
»Das ist alles für die erste Reise«, sagte Barney. »Wir suchen einen ebenen Platz und holen dann die anderen ab. Also, Professor, stellen Sie den gleichen Landeplatz wie beim ersten Mal ein, nur acht Wochen später.«
Hewett stellte murmelnd die Instrumente ein, und das Vremeatron trat in Aktion. Modell Zwei war eine Verbesserung, weil die Reise viel schneller vor sich ging als beim ersten Modell. Kaum war das Gelände der Filmgesellschaft verschwunden, als ihnen auch schon salziger Sprühnebel ins Gesicht wehte. Tex stöhnte leise und zog den Reißverschluß seiner Jacke hoch.
»Die Wiese da drüben scheint nicht schlecht zu sein«, sagte Barney. Er deutete auf ein verhältnismäßig flaches Feld, das sich bis zum Strand erstreckte. »Tex, du fährst mich hinüber. Dallas bleibt beim Professor.«
Der Jeep knatterte über den Boden, und Möwen flogen kreischend hoch.
»Sieht groß genug aus«, meinte Barney und stieß mit dem Fuß gegen ein Grasbüschel. »Du kannst zurückfahren und dem Professor ausrichten, daß er die Plattform hierherbringen soll.«
Barney setzte sich und holte ein Paket Zigaretten aus der Tasche, aber es war leer. Er knüllte es zusammen und warf es weg, während Tex den Jeep im Kreis wendete und zurück zur Plattform raste. Die Rampen waren immer noch unten, und der Jeep erklomm sie ruckend. Barney sah noch genau, wie der Professor sich ans Vremeatron wandte und Dallas die Rampen einzog.
»He …«, sagte Barney, als plötzlich alles verschwand und nur noch die Jeepspuren im Sand zu sehen waren. Er hatte angenommen, daß Tex zurückkommen würde.
Die Sonne verschwand hinter einer Wolke, und ihn fror. Die Möwen ließen sich wieder am Rand des Wassers nieder, und der einzige Laut war nun das ferne Rauschen der Brandung. Barney warf einen Blick auf das Zigarettenpaket, das einzige vertraute Ding in der Umgebung.
Er hatte nicht auf die Uhr gesehen, aber bestimmt war er nicht länger als eine oder zwei Minuten hier. Dennoch konnte er in dieser kurzen Zeit nachempfinden, was Charley Chang gefühlt hatte, als er plötzlich allein auf Santa Catalina mit den vielen fremden Tieren gewesen war. Er hoffte nur, daß Jens Lyn seinen zweimonatigen Aufenthalt gut überstanden hatte. Wenn er nicht im Laufe der vielen Jahre beim Film sein Gewissen abgeschafft hätte, so hätten die Männer ihm vielleicht leid getan. Aber so hatte er nur mit sich selbst Mitleid. Die Wolke verschwand, und die Sonne schien warm auf ihn herunter, aber er fror immer noch. In diesen wenigen Minuten kam er sich so allein und verlassen wie noch nie im Leben vor.
Die Plattform erschien und landete Zentimeter neben ihm auf der Wiese.
»Wird höchste Zeit«, sagte er, und sein Mut kehrte wieder. »Wo wart ihr denn so lange?«
»Im zwanzigsten Jahrhundert, wo sonst?« erwiderte der Professor. »Sie haben doch Punkt K nicht vergessen? Wie lange hat es übrigens von Ihrer Zeit aus gedauert?«
»Ich weiß nicht genau, schätzungsweise ein paar Minuten.«
»Gar nicht schlecht für eine Reise durch zweitausend Jahre. Sagen wir fünf Minuten — das ergäbe eine mikroskopisch kleine Abweichung von …«
»Schon gut, Professor, das können Sie in Ihrer Freizeit ausrechnen. Wir wollen die Leute endlich an die Arbeit bringen. Fahrt den Jeep auf die Seite. Ihr beide bleibt hier und bringt die ankommenden Fahrzeuge sofort weg, damit genug Platz für die nachfolgenden entsteht.«
Diesmal kehrte Barney mit der Plattform zurück, und ihm kam auch keinen Augenblick lang der Gedanke, wie den beiden Männern nun zumute sein mochte.
Der Transport ging schnell voran. Nach den ersten Verschiebungen klappte alles wie am Schnürchen. Ein Traktor mit Motorbootanhänger und der Tiefkühlwagen bildeten die letzte Ladung, und Barney kletterte auf die Plattform. Er nahm mit einem letzten Blick Abschied vom kalifornischen Sonnenschein und winkte dem Professor, die Maschine zu starten. Seine Uhr zeigte drei Minuten vor zwölf an, als das zwanzigste Jahrhundert verschwand und das elfte vor ihm auftauchte. Er atmete erleichtert auf. Jetzt würde die Zeit im zwanzigsten Jahrhundert stillstehen, wenigstens für ihn und seine Leute. Wenn sie mit dem Film zurückkehrten, war es immer nochSamstagnachmittag, und sie hatten zwei volle Tage bis zum Montag Zeit. Zum erstenmal war der Druck von ihm genommen.
Etwa vier Sekunden entspannte sich Barney. Dann fiel ihm ein, daß er noch einen ganzen Film zu drehen hatte, und seine Schultern sackten wieder nach vorn.
Das Dröhnen des Traktors schreckte ihn auf. Die Maschine erfüllte die klare Luft mit ihrem Gestank. Barney ging dem Bootsanhänger aus dem Weg und warf einen Blick über die Wiese. Die Lastwagen und Wohnwagen standen wild verstreut da, doch man fuhr bereits die ersten zu einer Wagenburg zusammen. Einige Leute waren zu sehen. Die meisten schienen allerdings noch zu schlafen. Barney war auch müde, aber er wußte, daß er kein Auge zutun konnte, auch wenn er es wollte. Also konnte er ebensogut mit der Arbeit beginnen.