Ottar, schweißgetränkt und von den vorhergegangenen Kämpfen bereits in Fahrt, steigerte sich in eine Berserkerwut. Er brüllte und biß in den Rand des Schildes, dann rannte er vorwärts, bis ihm die Wellen bis an die Hüften gingen. Der Anführer der Eindringlinge stand nur ein paar Meter entfernt, sah zornig unter seinem Helm hervor und schrie seinerseits Beleidigungen. Ottar schlug mit der flachen Klinge gegen den Schild — und dann griff er plötzlich an. Die Axt zielte nach dem Kopf des Gegners. Der parierte den Schlag mit dem Schild, aber die Wucht des Angriffs zwang ihn in die Knie.
Ottars Gebrüll verwandelte sich in ein Freudengeheul, während er wie ein Holzfäller immer wieder die Axt schwang. Der Gegner konnte seine Waffe nicht einsetzen, da er sie als Stütze gegen die wilden Schläge brauchte.
Eine Sekunde lang änderte sich der Rhythmus der Hiebe, als Ottar die Axt langsam über dem Kopf schwang und dann mit Wucht niedersausen ließ. Der Schild des Feindes kam hoch, konnte den Schlag aber nicht ganz abfangen, und die Waffe fuhr dem Mann in die Hüfte. Er schwankte. Ottar brüllte triumphierend. Er warf Axt und Schild weg, packte den Verletzten am Kopf und drückte ihn unter Wasser, bis er sich nicht mehr regte.
Die Männer am Strand und im Schiff jubelten.
Auf dem Hügel herrschte schockierendes Schweigen. Dann rannte Ruf Hawk weg und übergab sich. Barney bemerkte zum erstenmal, daß Gino wieder an der Kamera stand. »Haben Sie den Kampf gefilmt?« fragte er mit brüchiger Stimme.
»Alles im Kasten«, sagte Gino und klopfte gegen den Filmbehälter. »Aber ich weiß nicht, ob bei der Entfernung alle Einzelheiten scharf genug hervortreten.«
»Hoffen wir es nicht«, sagte Barney. »Für heute machen wir Schluß. Das Licht läßt ohnehin nach, und ich glaube nicht, daß die Leute noch arbeiten wollen.« Er deutete vielsagend auf die scheußliche Szenerie am Strand.
»Macht mir gar nichts aus«, sagte Slithey. »Erinnert mich an den Schlachthof, in dem mein Vater arbeitete, als wir in Chikago wohnten. Ich brachte ihm immer seine Brote.«
»Den Vorteil haben wir anderen nicht«, meinte Barney. »Morgen um halb acht treffen wir uns hier wieder.« Er ging den Hügel hinunter auf die lärmenden Wikinger zu. Man hatte die Toten und Verwundeten beider Gruppen an den Strand gelegt, und die Sieger plünderten bereits das Schiff. Sie begannen mit dem Bier. Die Überlebenden der Besiegten hatte man zu einer Gruppe zusammengetrieben, und Ottar ging vor ihnen auf und ab und hielt eine flammende Rede. Was er sagte, schien den Leuten einzuleuchten, denn noch bevor Barney den Strand erreicht hatte, drehten sich Sieger und Besiegte vereint um und gingen auf das Haus zu. Nur ein Mann blieb zurück, und Ottar streckte ihn mit einem mächtigen Faustschlag nieder. Seine Knechte schleiften ihn ebenfalls zum Haus. Ottar suchte im Wasser nach seiner Axt, als Barney herankam.
»Kannst du mir vielleicht verraten, was das alles sollte?« fragte er.
»Hast du gesehen, wie ich Bein traf?« entgegnete Ottar und schwang die Axt über dem Kopf. »Peng! Gesessen! Bein beinahe abgeschlagen.«
»Das hast du fein gemacht. Herzlichen Glückwunsch. Aber wer war der Mann — und was wollte er mit seinen Leuten hier?«
»Heißt Torfi. Whisky?« Ein Freudenschrei entrang sich seinen Lippen, als Tex das Ende des Kabels in den Sand warf und eine Flasche unter dem Sitz hervorzog.
»Whisky«, sagte Tex. »Zwar nicht deine Lieblingsmarke, aber er wird dir schon schmecken. Deine Rückhand mit dieser Axt ist Klasse.«
Ottar rollte genüßlich die Augen und kniff sie dann fest zu, als er die Flasche an die Lippen setzte und leertrank.
»Ich wollte, ich würde das schaffen«, sagte Tex neidisch.
Barney wartete, bis Ottar die Flasche ins Meer geworfen hatte, dann fuhr er fort: »Was war nun mit diesem Torfi?«
Die Nachwirkungen des Kampfes und des Whiskys überfielen Ottar zugleich, und er setzte sich in den Kies. »Torfi, Sohn des Valbrand«, sagte er, als er wieder atmen konnte. »Sohn des Valthjof, Sohn des Orlyg kam zu Sviney … Torfi brachte die Männer von Kropp um, zwölf auf einmal. Er tötete auch die Holsmänner, und er war mit Illugi dem Schwarzen und Sturli dem Godi zusammen, als in Hellisfitar achtzehn Höhlenbewohner starben. Sie verbrannten Audun, den Sohn von Smidkel in Bergen, in seinem eigenen Haus.« Er schwieg und nickte weise vor sich hin, als habe er bedeutsame Mitteilungen von sich gegeben.
»Und?« fragte Barney verwirrt. »Was bedeutet das alles?«
Ottar sah ihn stirnrunzelnd an. »Smidkel freite Thorodda, meine Schwester.«
»Natürlich«, sagte Barney. »Wie konnte ich das vergessen. Dieser Torfi hat also Streit mit deinem Schwager bekommen, und das heißt, daß er auch mit dir streiten mußte. Nette Lebensweise. Wer waren die Leute, die er mitbrachte?«
Ottar zuckte mit den Schultern und stand mühsam auf. »Wikinger, Piraten. Wollen England überfallen. Mögen Torfi nicht, weil er erst herkommt, um zu plündern, anstatt gleich nach England zu fahren. Begleiten mich in meinem neuen Langboot.« Er deutete auf das Drachenboot und lachte schallend.
»Und der Mann, der nicht mitkommen wollte?«
»Haki, Bruder von Torfi. Ich mache ihn zum Sklaven. Verkaufe ihn an seine Familie.«
»Eines muß man den Burschen lassen«, sagte Tex. »Sie fackeln nicht lange.«
»Allerdings«, erwiderte Barney und sah staunend zu dem Wikinger hoch, der ihm in jeder Hinsicht wie ein Gigant vorkam. »Komm in den Jeep, Ottar, wir fahren dich heim.«
»Ottar fährt selbst«, sagte er begeistert und kletterte hinter das Steuerrad.
»Laß mich das machen«, meinte Tex und drängte ihn ab. »Ich bringe dir später bei, wie man damit umgeht.«
Unter den Vorräten des Langbootes waren ein Dutzend Fässer mit Bier gewesen. Man hatte sie vor das Haus gerollt, wo jetzt eine Siegesfeier stattfand. Man schien den Angreifern nichts nachzutragen, denn sie feierten tüchtig mit. Haki, den man gefesselt hatte, war der einzige, der kein Vergnügen an der Sache empfand. Ottars Erscheinen wurde mit Willkommensrufen quittiert, und er ging ans nächste Faß, tauchte die Hände in das Bier und schlürfte die Flüssigkeit. Als die Begeisterungsschreie leiser wurden, hörte Barney das dumpfe Grollen eines Lastwagens. Er blieb mit knirschenden Reifen vor dem Haus stehen, und Dallas stieg aus.
»Wir versuchen schon seit mehr als zehn Minuten, Sie durch den Sender zu erreichen«, sagte er.
Barney sah, daß er den Empfänger versehentlich ausgeschaltet hatte. »Was gibt es denn so Wichtiges?«
»Es geht um Ruf Hawk. Er kam ganz aufgeregt zurück und achtete gar nicht auf den Weg. Er stolperte über ein Schaf — Sie wissen schon, diese schmutzigen, grauen Dinger, die wie Felsblöcke aussehen. Jedenfalls stürzte Ruf und brach sich das Bein.«
»Du willst doch nicht sagen, daß — daß mein Hauptdarsteller nach dem dritten Drehtag ausfällt?«
Dallas sah ihm in die Augen, nicht ohne Mitgefühl, und nickte langsam.
9
Es hatte sich eine Menschentraube vor der Tür zu Rufs Wohnwagen versammelt, und Barney mußte sich erst einen Weg bahnen. »Laßt mich durch! Das ist doch keine Zirkusnummer!« rief er.
Ruf lag auf dem Bett, mit graugelber Haut und Schweiß auf der Stirn. Er trug immer noch sein Wikingerkostüm. Sein rechtes Bein war unterhalb des Knies mit Bandagen umwickelt, die rote Blutflecken aufwiesen. Die Krankenschwester stand ruhig an seinem Bett.