»Zwei Monate müssen genügen«, fauchte Lyn, »wenn Sie auch meinen Standpunkt in Betracht ziehen wollen.«
»Also einverstanden«, sagte Barney. »Lyn geht mit dem Wikinger zurück und bringt ihm Englisch bei, und wir kommen mit der Filmgesellschaft zwei Monate später an — Wikingerzeit natürlich — und beginnen mit der Produktion.«
»Ich habe noch nicht eingewilligt«, beharrte Lyn. »Die Gefahren …«
»Ich möchte doch wissen, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie die einzige Autorität der Welt auf dem Gebiet der altnordischen Sprache wären«, sagte Barney. Er kannte den akademischen Geist, und die großen Augen von Lyn zeigten ihm, daß der Pfeil getroffen hatte. »Schön. Wir können die Einzelheiten später ausarbeiten. Versuchen Sie doch jetzt einmal, Ottar den Plan nahezubringen. Erwähnen Sie Geld. Wir lassen ihn einen Vertrag unterschreiben, dann sind Sie in Sicherheit, solange er seine Bezahlung noch nicht hat.«
»Vielleicht«, sagte Lyn, und Barney wußte, daß er ihn an der Angel hatte.
»Also gut. Während Sie mit Ottar sprechen, lasse ich von der Vertragsabteilung einen Text entwerfen.« Er schaltete die Sprechanlage ein. »Das Vertragsbüro, Betty. Ist das Benzedrin schon da?«
»Ich habe vor einer Stunde in der Krankenstation angerufen.« Die Stimme im Lautsprecher klang quäkend.
»Rufen Sie nochmals an, wenn Sie wollen, daß ich mittags noch lebe.«
Als Jens Lyn hinausging, kam ein schmaler Orientale herein. Er trug rosa Hosen, ein kirschrotes Hemd, eine Tweedjacke und einen säuerlichen Ausdruck.
»Hallo, Charley Chang«, strahlte Barney und streckte die Hand aus. »Lange nicht gesehen.«
»Viel zu lange, Barney«, sagte Chang breit grinsend und schüttelte die ausgestreckte Hand. »Gut, daß wir wieder einmal zusammenarbeiten.«
Sie hatten eine gesunde Abneigung gegeneinander, und sobald das Händeschütteln vorbei war, zündete sich Barney eine Zigarette an, und Changs Lächeln verschwand in den Sorgenfalten seines normalen Gesichtsausdrucks. »Was braut sich zusammen, Barney?« fragte er.
»Ein Breitwandfilm — drei Stunden lang und sehr teuer veranschlagt. Und du bist der einzige, der ihn schreiben kann.«
»Allmählich wird der Stoff knapp, Barney, aber ich war schon immer der Meinung, daß sich aus den Gesängen Salomons etwas herausholen ließe. Sexy, aber nicht schweinisch …«
»Das Thema ist bereits gewählt. Eine vollkommen neue Version der Entdeckung Nordamerikas durch die Wikinger …«
Changs Falten vertieften sich. »Klingt gut, Barney, aber du weißt, ich bin Spezialist. Das hier liegt nicht in meinem Fachgebiet.«
»Du bist ein guter Autor, Charley, und das heißt, daß du alles schreiben kannst. Außerdem werden wir doch den Vertrag nicht vergessen, haha.«
»Nein, wir vergessen den Vertrag nicht, haha«, erwiderte Charley kühl. »Ich wollte schon immer brennend gern eine historische Sache schreiben.«
»Großartig«, sagte Barney und zog den Finanzplan wieder zu sich heran. Die Tür ging auf, und ein Bote schob einen mit Büchern beladenen Karren herein. Barney deutete auf den Reichtum. »Das haben wir aus der Bibliothek ausgegraben — Sachen, die du wissen mußt. Du kannst sie schnell mal durchblättern, dann kümmere ich mich wieder um dich.«
»Ganz schnell, ja, ja«, sagte Charley und beäugte böse die gut zwanzig Bände, die nicht gerade dünn waren.
»Fünftausendsiebenhundertdreiundsiebzig Komma zwei acht Kubikmeter mit einer Belastung von zwölftausendsiebenhundertsiebenundsiebzig Komma sechs zwei Kilogramm bei einer Energieverstärkung von siebenundzwanzig Komma zwei Prozent«, sagte Professor Hewett plötzlich.
»Wovon reden Sie eigentlich, verdammt noch mal?« fauchte Barney.
»Das sind die Zahlen, die Sie wissen wollten — die zusätzliche Belastung, die das Vermeatron bei größerer Energie aufnimmt.«
»Sehr schön. Und könnten Sie das jetzt in Normalamerikanisch übersetzen?«
»Grob gesprochen —« Hewett sah zur Decke und murmelte vor sich hin — »würde sich eine Last von vierzehn Tonnen und den Ausmaßen vier mal vier mal dreizehn Metern in eine andere Zeit bewegen lassen.«
»Das klingt schon besser. Und es müßte reichen, um unseren Stab zu transportieren.«
»Der Vertrag«, sagte Betty und warf ein achtseitiges, zusammengefaltetes Dokument auf den Tisch.
»Gut«, erwiderte Barney und blätterte die Bogen rasch durch. »Holen Sie Dallas Levy.«
»Miß Tove wartet draußen auf Sie.«
»Doch nicht jetzt! Sagen Sie ihr, ich hätte Aussatz. Und überhaupt, wo bleiben meine Pillen?«
»Ich habe dreimal in der Krankenstation angerufen. Offenbar herrscht heute Personalmangel.«
»Diese seelenlosen Bastarde. Gehen Sie selbst nach unten.«
»Hallo, Barney Hendrickson. Es ist ja eine Ewigkeit her …«
Die mit rauchiger Stimme hineingeworfenen Worte wurden mit Schweigen aufgenommen. Böse Zungen behaupteten, Slithey hätte die Begabung einer ausrangierten Marionette, das Hirn eines Chihuahuas und die Moral einer Fanny Hill. Sie hatten recht. Dennoch erklärten diese Fähigkeiten — oder NichtFähigkeiten — keineswegs die Erfolge ihrer Filme. Slithey besaß eine Eigenschaft im Übermaß: Weiblichkeit. Und sie konnte sich mit anderen Leuten gewissermaßen auf Hormonebene verständigen. Sie strahlte nicht Sex selbst aus, sondern das Gefühl, daß ihr persönlicher Sex nicht unerreichbar war. Was durchaus stimmte. Und dieser Hauch wurde, kaum abgeschwächt, durch alle Barrieren des Films getragen und strahlte heiß und atemberaubend von der Leinwand, ihre Filme brachten volle Kassen. Die meisten Frauen mochten sie nicht. Ihre Aura, die im Moment weder durch Zeit, Raum oder Zelluloid abgedämpft wurde, suchte den Raum wie ein Sonargerät ab und zitterte vor unbändiger Leidenschaft.
Betty zog deutlich die Nase hoch und rauschte aus dem Zimmer, obwohl sie ihren Schritt einen Moment verlangsamen mußte, um an der Schauspielerin vorbeizukommen, die seitlich in der Tür stand. Der Ausspruch, daß Slithey den größten Busen Hollywoods hätte, war nicht übertrieben.
»Slithey …«, begann Barney, und seine Stimme wurde brüchig. Natürlich zu viele Zigaretten.
»Barney, Liebling …« Ihre schön geschwungenen Beine brachten sie langsam durch das Büro näher. »Es ist eine Ewigkeit her, seit ich dich gesehen habe.«
Die Hände auf dem Schreibtisch, beugte sie sich vor, und die Schwerkraft zerrte an dem dünnen Stoff ihrer Bluse, so daß achtundneunzig Prozent ihres Busens frei wurden. Barney hatte das Gefühl, als würde er kopfüber in einen Grand Canyon aus Fleisch stürzen.
»Slithey«, sagte er und stand mit einem Ruck auf; er wäre schon früher einmal beinahe in diese Falle geraten. »Ich wollte mit dir über diesen Film sprechen, den wir vorhaben, aber du siehst ja, wie beschäftigt ich im Augenblick bin …«
Unwillkürlich hatte er sie am Arm genommen — es klopfte unter seinen Fingern wie ein großes, heißes Herz, als sie sich näherbeugte. Er riß seine Hand los.
»Wenn du eine Weile warten könntest — ich kümmere mich so bald wie möglich um dich.«
»Ich setze mich da hinten hin«, sagte sie mit rauher Stimme. »Ich störe bestimmt niemand.«
»Sie brauchen mich?« Dallas Levy kam durch die offene Tür. Er sprach mit Barney, aber seine Blicke beschäftigten sich ausführlich mit der Schauspielerin. Hormone trafen auf Hormone, und Slithey atmete automatisch tief ein. Dallas lächelte interessiert.
»Ja«, sagte Barney und kramte den Vertrag aus dem Papierwust seines Schreibtisches. »Bring das da Lyn und sag ihm, er soll seinen Freund zur Unterschrift bewegen. Irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Nicht seit wir entdeckten, daß er angebranntes Beefsteak und Bier mag. Immer wenn er aufmuckt, stecken wir ihm ein Steak und einen halben Liter Bier zu, und er vergißt seinen Kummer. Bis jetzt acht Steaks und acht Halbe.«