Ich steckte den Kopf unter die Kuppel, beugte mich über den Rand und wurde von einem Schwall warmer, feuchter Luft begrüßt, die mir ins Gesicht wehte — es war, als ob ich die Tür zu einem türkischen Bad geöffnet hätte — völlig unerwartet in jener warmen, aber trockenen Nacht in der Zukunft. Ich hatte den unbestimmten Eindruck großer Tiefe und glaubte, daß meine jetzt an die Dunkelheit adaptierten Augen am Boden der Quelle ein warmes, rotes Glühen wahrnahmen. Trotz ihres Äußeren unterschied sich diese Quelle ganz entschieden von den Quellen der Morlocks vom letzten Mal. Es gab keine Anzeichen von vorstehenden Metallhaken an der Seite, die als Kletterhilfe gedacht waren, und nach wie vor waren die Maschinengeräusche, die ich beim erstenmal registriert hatte, nicht zu hören. Außerdem hatte ich das seltsame Gefühl, ohne indessen sagen zu können, weshalb, daß diese Quelle viel tiefer war als die Kavernenschächte der Morlocks, die ich kennengelernt hatte.
Aus einer Laune heraus ergriff ich meine Kodak und kramte das Blitzlicht hervor. Ich füllte die Platte der Lampe mit Blitzlichtpulver, hob die Kamera und überflutete die Quelle mit Magnesiumlicht. Die Reflexe blendeten mich, und die Helligkeit war so stark, wie man sie auf der Erde seit dem Erlöschen der Sonne, vor hunderttausend Jahren oder mehr, sicher nicht mehr gesehen hatte. Wenn schon nichts anderes, dann sollte wohl dies genügen, um die Morlocks zu verscheuchen! — und ich begann Schutzmechanismen zu ersinnen, durch die ich das Blitzlicht mit der unbeaufsichtigten Zeitmaschine koppeln konnte, so daß das Pulver bei einer Berührung der Maschine gezündet wurde.
Einer Eingebung folgend stand ich auf und investierte ein paar Minuten darin, das Blitzlicht wieder aufzufüllen und das Hügelareal um die Quelle mit meiner ungerichteten Lichtorgel zu bestreichen. Vielleicht hatte ich Glück, wünschte ich mir, und konnte zur Erbauung der Menschheit den Balg eines fliehenden, geschockten Morlock ablichten!
… Da ertönte ein Kratzen, leise und beharrlich, an einer anderen Stelle des Randes der Quelle, keine drei Fuß von meiner Position entfernt.
Mit einem Schrei fummelte ich den Schürhaken vom Gürtel los. Waren die Morlocks etwa über mich gekommen, während ich in Tagträumen versunken war?
Mit dem Schürhaken in der Hand ging ich vorsichtig weiter. Ich bemerkte, daß die schabenden Laute aus dem Flechtenbett kamen; es war eine Gestalt, die sich stetig durch diese winzigen, dunklen Pflanzen bewegte. Hier waren keine Morlocks; also ließ ich den Knüppel sinken und beugte mich über das Flechtenbett. Ich erspähte eine kleine, krabbenartige Kreatur, nicht größer als meine Hand; einsam und geduldig fräste sie sich mit einer einzigen, überdimensionierten Klaue einen Weg durch das Gewächs, und das Schaben, das ich gehört hatte, kam vom Reiben der Schere an den Flechten. Der Panzer der Krabbe schien pechschwarz zu sein, und das Wesen hatte keine Augen, wie eine blinde Tiefseekreatur.
So, dachte ich, während ich dieses kleine Drama beobachtete, der Kampf ums Überleben ging also weiter, sogar in dieser ewigen Dunkelheit. Es war mir schon aufgefallen, daß ich seit meinem Eintreffen hier — abgesehen von den Blicken der Morlocks — kein Zeichen von Leben im weiteren Umkreis der Quelle ausgemacht hatte. Die Existenz der Quelle war der Schlüssel hierzu. Ich bin zwar kein Biologe, aber es schien klar zu sein, daß die Präsenz dieses Föns mit seiner warmen, feuchten Luft Leben einfach anlocken mußte, hier, auf einer zur Wüste gewordenen Welt, genauso wie die Quelle diese blinde Krabbe und den Flechtenbewuchs angezogen hatte. Ich vermutete, daß die Wärme aus dem komprimierten Innern der Erde stammte — diese vulkanische Hitze, die schon in unserer Zeit spürbar war, würde in den darauffolgenden sechshunderttausend Jahren nicht merklich nachgelassen haben. Und vielleicht kam die Feuchtigkeit von artesischen Brunnen, die noch immer unterirdisch Wasser führten.
Vielleicht, spekulierte ich, war die ganze Oberfläche des Planeten mit solchen Quellen und Kuppeln übersät. Aber sie hatten nicht den Zweck, Zugang zur Welt der Morlocks zu gewähren — wie in jener anderen Historie —, sondern sie fungierten als Erdwärmeaustauscher, um mit der Hitze und dem Wasser diesen seiner Sonne beraubten Planeten zu wärmen und zu befeuchten; und das Leben, das diese monströsen Manipulationen, deren Zeuge ich gewesen war, überlebt hatte, drängte sich nun um diese Quellen der Wärme und Feuchtigkeit.
Meine Zuversicht stieg — einen Sinn in den Dingen zu erkennen verleiht meinem Mut immer einen enormen Schub, und nach diesem falschen Alarm mit der Krabbe fühlte ich mich nicht mehr bedroht — und ich setzte mich wieder auf den Rand der Quelle. Ich hatte die Pfeife und etwas Tabak in der Tasche, und ich stopfte die Pfeife und zündete sie an. Ich begann Spekulationen anzustellen, wie die Divergenz zwischen dieser Historie und der ersten zustandegekommen sein mochte, die ich erlebt hatte. Offensichtlich hatten einige Parallelen bestanden — auch hier gab es Morlocks und Eloi — aber ihre unheimliche Symbiose war schon seit Urzeiten aufgelöst worden.
Ich fragte mich, wie ein solcher Showdown zwischen zwei Völkern Zustandekommen konnte — denn die Morlocks waren auf ihre verrottete Art genauso abhängig von den Eloi wie die Eloi von den Morlocks, und das ganze Arrangement besaß mithin eine gewisse Stabilität.
Ich konnte mir vorstellen, wie es geschehen war. Bei den Morlocks handelte es sich schließlich um Untermenschen, und Logik ist nicht einmal unbedingt eine Stärke der Menschen. Die Morlocks mußten gewußt haben, daß ihre Existenz von den Eloi abhing; sie mußten sie bemitleidet und verachtet haben — ihre entfernten Cousins, und dennoch auf den Status von Nutztieren reduziert. Und doch…
Und doch, welch einen strahlenden Morgen stellte das kurze Leben der Eloi dar! Die kleinen Leute lachten und sangen und liebten sich auf der Oberfläche der Welt, die in einen Garten verwandelt worden war, während die Morlocks in den stinkenden Tiefen der Erde sich abplacken mußten, um den Eloi die Grundlage für ihr luxuriöses Leben zu liefern. Angenommen, die Morlocks waren für ein Leben in dieser Umgebung geschaffen und hätten sich ohne Zweifel mit Ekel vom Sonnenlicht der Eloi, von dem klaren Wasser und den Früchten abgewendet, selbst wenn sie es ihnen angeboten hätten — aber dennoch, hätten sie nicht in ihrer hinterhältigen und verschlagenen Art den Eloi ihre Unbeschwertheit neiden können?
Vielleicht wurde das Fleisch der Eloi faulig in den übelriechenden Mündern der Morlocks, während sie es in ihren versifften Kavernen verschlangen und über die gravierende Schieflage ihrer Schicksale nachdachten.
Dann stellte ich mir vor, wie die Morlocks — oder ein Teil von ihnen — eines Nachts aus ihren Tunnels unter der Erde emporstiegen und mit ihren Waffen und muskulösen Armen über die Eloi herfielen. Es wäre eine große Ernte — und diesmal ging es nicht darum, diszipliniert Fleisch zu machen, sondern um ein blutiges Gemetzel mit nur einem, unglaublichen Zweck: die letztendliche Auslöschung der Eloi.
Wie blutüberströmt mußten die Wiesen und Lebensmittelpaläste gewesen sein, während das kindliche Schreien der unglücklichen Eloi als Echo an diesen alten Steinen widerhallte!
In einem solchen Kampf konnte es natürlich nur einen Sieger geben. Die zarten Leute der Zukunft mit ihrer fragilen, schwindsüchtigen Schönheit hätten sich niemals gegen die organisierten und mörderischen Angriffe der Morlocks verteidigen können.