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Ich stand auf und schaute mich um. In der Nähe stand ein Gebäude, das sich nur als Silhouette gegen den schwarzgrauen Himmel abzeichnete. Jetzt bemerkte ich ein schwaches grünes Glühen, das aus einer Phiole drang, einem vielleicht sechs Zoll hohen Glaszylinder: es war eine schlichte Acht-Unzen-Flasche für medizinische Präparate. Sie hatte offensichtlich in der Maschine gesteckt und war jetzt ins Gras gefallen.

Ich griff nach der Flasche und hob sie auf. Das grünliche Glühen kam von einem Pulver, das sich in dem Glas befand: es war Plattnerit.

Jemand rief meinen Namen.

Verblüfft wandte ich mich um. Die Stimme war leise gewesen und wurde fast von dem auf das Gras prasselnden Regen verschluckt.

Eine Gestalt stand keine neun Fuß von mir entfernt: klein, fast wie ein Kind, wobei Kopf und Rücken jedoch mit langem, glattem Haar bewachsen waren, das jetzt flach an bleichem Fleisch klebte. Große, graurote Augen waren auf mich gerichtet.

»Nebogipfel?«

Und dann schloß sich ein Stromkreis in meinem verwirrten Gehirn.

Ich drehte mich um und inspizierte die klotzigen Konturen dieses Gebäudes noch einmal genauer. Da war der eiserne Balkon, dort drüben das Eßzimmer und die Küche mit einem kleinen, offenstehenden Fenster, und da waren die großen Umrisse des Laboratoriums…

Es war mein Zuhause; meine Maschine hatte mich auf dem abfallenden Rasen hinter dem Gebäude, zwischen dem Haus und der Themse, abgesetzt. Ich war wieder — nach all diesen Abenteuern! — nach Richmond zurückgekehrt.

Ein Kreis schließt sich

Und erneut — wie wir es vor so vielen Zyklen der Geschichte schon einmal getan hatten — gingen Nebogipfel und ich die Petersham Road zu meinem Haus entlang. Der Regen klatschte auf das Kopfsteinpflaster. Es war fast völlig dunkel — das einzige Licht kam im Grunde nur von dem Plattnerit, das wie eine schwache Glühlampe glomm und ein trübes Glühen auf Nebogipfels Gesicht warf.

Ich ließ die Finger über die vertraute, feine Schmiedearbeit des Gartenzauns gleiten. Das war ein Anblick, mit dem ich schon nicht mehr gerechnet hätte: die antikem Stil nachempfundene, elegante Fassade, die Säulen der Veranda, die dunklen Rechtecke meiner Fenster.

»Du hast ja wieder beide Augen«, sagte ich flüsternd zu Nebogipfel.

Er schaute an seinem renovierten Körper hinunter und breitete die Hände aus, so daß das blasse Fleisch im Licht des Plattnerits leuchtete. »Ich brauche keine Prothesen mehr«, meinte er. »Nicht mehr. Jetzt, wo ich restauriert worden bin — genauso wie du.«

Ich legte die Hände auf die Brust. Das Gewebe des Hemdes fühlte sich rauh an unter der Hand, und das Schlüsselbein lag hart darunter. Mir kam es jedenfalls solide genug vor. Und nach wie vor fühlte ich mich wie ich — ich meine, ich spürte eine Kontinuität des Bewußtseins und blickte auf einen einzigen, hellen Pfad der Erinnerung, der durch dieses ganze Geflecht von Historien zu den überschaubareren Tagen meiner Kindheit führte. Aber dennoch konnte ich nicht mehr derselbe sein — denn ich war in jener Optimalen Historie zerlegt und hier wieder zusammengesetzt worden. Ich fragte mich, wieviel von diesem hellen Universum noch in mir steckte. »Nebogipfel, kannst du dich noch daran erinnern — als wir jene Grenze am Anfang der Zeit durchbrochen hatten — den glühenden Himmel und das alles?«

»Ich erinnere mich an alles.« Seine Augen waren schwarz. »Du etwa nicht?«

»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte ich. »Es kommt mir jetzt alles wie ein Traum vor — besonders hier, in diesem kalten englischen Regen.«

»Aber die Optimale Historie ist die Realität«, flüsterte er. »Das alles hier…« — er deutete auf dieses unschuldige Richmond —, »diese partiellen, sub-Optimalen Historien — das ist der Traum.«

Ich wog das Plattneritglas in der Hand. Es war ein medizinisches Gefäß, mit einem Verschlußstopfen aus Gummi. Also ein ganz trivialer Gegenstand — von dem glühenden Plattnerit einmal abgesehen — und es erübrigte sich zu sagen, daß ich weder eine Ahnung hatte, wo es herkam, noch wie es zwischen die Verstrebungen meiner Maschine geraten war. »Nun, das ist real genug«, sagte ich. »Es hat sich wirklich alles fein gefügt, nicht wahr? Wie, wenn sich ein Kreis schließt.« Ich ging zur Tür. »Ich glaube, daß es besser ist, wenn du etwas zurücktrittst — außer Sichtweite — bevor ich klingle.«

Er zog sich in den Schatten der Veranda zurück, und bald war nichts mehr von ihm zu sehen.

Ich zog an der Klingelschnur.

Ich hörte, wie im Haus eine Tür aufging und ein leiser Ruf — »Komme schon!« — ertönte, und dann vernahm ich schwere, hastige Schritte auf der Treppe. Ein Schlüssel klapperte im Schloß, und die Tür öffnete sich knarrend.

Eine in einem Messinghalter steckende, flackernde Kerze stieß durch den Flur auf mich zu; das breite und runde Gesicht eines jungen Mannes mit verschlafenen Augen kam zum Vorschein. Er war vielleicht dreiundzwanzig oder vierundzwanzig, und er trug einen verschlissenen, fadenscheinigen Bademantel, der über ein verkrumpeltes Nachthemd geworfen war; sein braunes Haar stand strähnig von dem komischen, breiten Kopf ab. »Ja?« sagte er brüsk. »Vielleicht wissen Sie, daß es drei Uhr nachts ist…«

Ich hatte schon von vornherein nicht genau gewußt, was ich überhaupt sagen sollte, aber jetzt, wo er vor mir stand, fand ich gar keine Worte mehr. Erneut erlitt ich diesen merkwürdigen, unangenehmen Schock des Wiedersehens. Ich glaube nicht, daß sich ein Mensch meines Jahrhunderts jemals daran hätte gewöhnen können, sein eigenes Ich zu begrüßen, egal, wie oft er es schon praktiziert hatte — und jetzt wurde dieser ganze emotionale Komplex noch mit einem besonderen Aspekt angereichert. Denn hier handelte es sich nicht mehr bloß um eine jüngere Version von mir: sie war auch ein direkter Vorfahre von Moses. Es war, als ob ich einem jüngeren Bruder gegenüberstünde, den ich bereits verloren geglaubt hatte.

Wieder musterte er mein Gesicht, diesmal mit Mißtrauen. »Was, zum Teufel, wollen Sie? Ich weise Sie darauf hin, daß ich Hausierern grundsätzlich nichts abkaufe, wissen Sie — selbst wenn dies die hierfür in Frage kommende Tageszeit wäre.«

»Nein«, meinte ich sanft. »Nein, ich weiß, das Sie das nicht tun.«

»Aha, das wissen Sie also?« Er wollte schon die Tür zudrücken, aber er hatte etwas in meinem Gesicht gesehen — ich erkannte es an seinem Blick — eine Ahnung des Erkennens. »Sie sagen mir wohl besser, was Sie überhaupt wollen.«

Umständlich brachte ich die Medizinflasche mit dem Plattnerit zum Vorschein, die ich hinter dem Rücken versteckt gehalten hatte. »Ich habe das hier für Sie.«

Er runzelte die Stirn, als er das merkwürdige grüne Glühen der Flasche sah. »Was ist das?«

»Es ist…« Wie hätte ich es ihm erklären sollen? »Es ist eine Art Probe. Für Sie.«

»Eine Probe wovon?«

»Ich weiß nicht«, log ich. »Ich möchte, daß Sie es herausfinden.«

Er war nun neugierig, aber noch immer zurückhaltend; und jetzt ließ sein Gesichtsausdruck eine gewisse Sturheit erkennen. »Was herausfinden?«

Diese blöden Fragen regten mich langsam auf. »Verdammt, Mann — haben Sie denn gar keine Initiative? Führen Sie ein paar Versuche durch…«

»Ich glaube nicht, daß mir Ihr Ton gefällt«, meinte er pikiert. »Was für Versuche?«

»Oh!« Ich fuhr mit der Hand durch mein nasses Haar; ein derart affektiertes Gehabe paßte schlecht zu einem so jungen Mann, dachte ich. »Es ist ein neues Mineral — das müßten Sie doch sehen!«

Er runzelte die Stirn, und sein Mißtrauen wurde intensiver.