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Ich versuchte mich krampfhaft daran zu erinnern, was sich dann in jener schicksalsträchtigen Nacht ereignet hatte — die präzise Abfolge…

Das von mir gelegte Feuer war eine ganz neue und wundervolle Erfahrung für Weena gewesen, und sie wollte mit diesen rot flackernden Flammenzungen spielen; und ich mußte sie noch davon abhalten, sich in dieses flüssige Licht zu stürzen. Dann hatte ich sie aufgehoben — sie war hingefallen —, und ich lief durch den Wald, wobei der Schein des Feuers meinen Weg erleuchtete.

Bald hatten wir das Glühen der Flammen hinter uns gelassen, und wir liefen in der Dunkelheit weiter, die nur durch Flecken tiefblauen Himmels über den Baumkronen durchbrochen wurde. Es dauerte nicht lange, bis ich in dieser öligen Finsternis überall um mich herum das Patschen kleiner Füße und das leise Echo von Stimmen hörte; ich erinnerte mich, wie etwas an meinem Mantel und dann am Ärmel gezupft hatte.

Ich hatte Weena auf die Erde gelegt, so daß ich an meine Streichhölzer gelangen konnte, als diese Morlocks wie lästige Insekten über dieses arme Wesen herfielen. Ich konnte ein Streichholz anreißen — als es aufflammte, sah ich eine Reihe weißer Morlock-Gesichter, angestrahlt wie von einer Laterne, die mich alle mit ihren rotgrauen Augen fixierten — und dann, in Sekundenschnelle, waren sie verschwunden.

Ich beschloß, ein neues Feuer zu entfachen und den Morgen abzuwarten. Ich hatte Kampfer angezündet und auf dem Boden verteilt. Dann riß ich trockene Äste von den Bäumen und unterhielt ein Schwelfeuer aus grünem Holz…

Nun stellte ich mich auf die Zehenspitzen und ließ den Blick über den Wald schweifen. Sie müssen sich vorstellen, daß ich mich allein in dieser pechschwarzen Finsternis befand, unter einem mondlosen Himmel, und das einzige Licht kam von diesem sich ausbreitenden Feuer auf der anderen Seite des Waldes.

Dort — ich hatte es! — kräuselte sich ein Rauchfaden in die Luft und hob sich als schmale Silhouette vor dem intensiveren Leuchten dahinter ab. Das mußte die Stelle sein, an der ich mein Lager aufgeschlagen hatte. Es befand sich in einiger Entfernung von mir — vielleicht zwei Meilen weiter östlich in den Tiefen des Waldes — und ohne mich in weiteren Überlegungen zu verzetteln, rannte ich in den Wald.

Zunächst hörte ich nichts außer dem Knacken der Zweige unter meinen Füßen und einem entfernten, trägen Brüllen, das von dem größeren Feuer stammen mußte. Die Dunkelheit wurde nur von dem entfernten Glühen des Feuers und von Ausschnitten tiefblauen Himmels über mir aufgehellt; und ich konnte die Baumstämme und Wurzeln nur in ihren Konturen wahrnehmen und stolperte mehrmals. Dann hörte ich ein Patschen in meiner Nähe, so leise wie fallender Regen, und ich vernahm diesen seltsamen, gurgelnden Klang, der typisch ist für die Stimmen der Morlocks. Ich spürte ein Zupfen am Hemdsärmel, einen sanften Zug am Gürtel, Finger am Hals.

Ich ließ die Arme wirbeln. Ich traf auf Fleisch und Knochen, und meine Angreifer wurden zurückgeschleudert; aber ich wußte, daß diese Atempause nicht lange währen würde. Und wirklich näherte sich mir nach wenigen Sekunden wieder dieses Patschen, und ich mußte ein wahres Spießrutenlaufen durch einen Hagel von Schlägen, kalten Knüffen und heftigen Püffen vollführen, wobei mich von allen Seiten große rote Augen anstarrten.

Es war eine Rückkehr zu meinem schlimmsten Alptraum, zu dieser schrecklichen Dunkelheit, die ich mein ganzes Leben lang gefürchtet hatte!… Aber ich hielt durch, und sie griffen mich nicht an — jedenfalls nicht massiv. Ich registrierte bereits eine gewisse Unruhe unter ihnen — die Morlocks rannten mit zunehmender Hektik umher — während das Glühen dieses entfernten Feuers stärker wurde.

Und dann lag plötzlich ein neuer Geruch in der Luft: Er war nur schwach und wurde fast völlig vom Rauch überlagert…

Es waren Kampferdämpfe.

Es konnten mich nur noch wenige Yards von der Stelle trennen, an der die Morlocks im Schlaf über mich und Weena hergefallen waren — der Ort, an dem ich gekämpft und Weena verloren hatte!

Ich stieß auf ein großes Morlock-Rudel — ein ganzer Haufen, der gerade so durch die nächste Baumreihe zu erkennen war. Sie wimmelten wie Maden durcheinander, begierig, an dem Kampf oder dem Festmahl teilzunehmen, und zwar in einer Zahl, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Ich sah, wie ein Mann versuchte, sich unter ihrem Ansturm zu erheben. Er wurde von einer Traube von Morlocks verdeckt, und sie packten ihn an Hals, Haaren und Armen und rissen ihn zu Boden. Aber dann sah ich, daß ein mit einer Eisenstange bewehrter Arm aus diesem Durcheinander hervorstach — ich erinnerte mich, daß sie von einer Maschine im Grünen Porzellanpalast abmontiert worden war — und er zog den Morlocks einen ordentlichen Scheitel. Für einen Augenblick ließen sie von ihm ab, und gleich darauf hatte er sich mit dem Rücken gegen einen Baum gestellt. Sein Haar stand wirr von dem breiten Kopf ab, und er hatte nur zerrissene und blutige Socken an. Die wildgewordenen Morlocks drangen erneut auf ihn ein, und er schwang die Eisenstange, woraufhin ich das weiche, knatschige Splittern von Morlock-Gesichtern hörte.

Für einen Moment dachte ich daran, ihm zu helfen; aber ich wußte, daß es nicht nötig war. Er würde überleben und aus dem Wald heraustaumeln — allein und in Trauer um Weena — und seine Zeitmaschine aus den Fängen der verschlagenen Morlocks befreien. Ich hielt mich im Schatten der Bäume, und ich bin überzeugt, daß er mich nicht gesehen hatte…

Aber Weena war nicht mehr da, realisierte ich: in dieser Phase des Konflikts hatte ich sie bereits an die Morlocks verloren!

Verzweifelt wirbelte ich herum. Wieder hatte ich mir eine Konzentrationsschwäche erlaubt. Hatte ich schon versagt? — hatte ich sie erneut verloren?

Inzwischen hatte sich die Panik der Morlocks vor dem Feuer verfestigt, und sie flohen in Scharen vor dem Brand, wobei ihre buckligen, haarigen Rücken rötlich leuchteten. Dann erkannte ich, daß eine Rotte Morlocks, vier an der Zahl, auf der Flucht vor dem Feuer durch den Wald stolperte. Und jetzt bemerkte ich, daß sie etwas trugen: etwas Stilles, Blasses, Schlaffes, mit einem Hauch von Weiß und Gold…

Ich schrie auf und brach durch das Unterholz. Die vier Morlockköpfe wirbelten herum, bis ihre großen, rotgrauen Augen auf mich einschwenkten; und dann kam ich mit erhobenen Fäusten über sie.

Es war überhaupt kein richtiger Kampf. Die Morlocks ließen ihr wertvolles Bündel fallen; sie gingen zwar gegen mich in Stellung, ließen sich aber die ganze Zeit von dem zunehmenden Glühen hinter mir ablenken. Einer der Wichte biß mir ins Handgelenk, aber ich gab ihm was ins Gesicht, daß die Knochen knirschten, und er ließ mich los; dann machten sich die vier davon.

Ich bückte mich und hob Weena vom Boden auf — das arme Mädchen war so leicht wie eine Feder —, und mir wollte schier das Herz brechen bei ihrem Anblick.

Ihr Kleid war zerrissen und schmutzig, ihr Gesicht und das goldene Haar waren mit Ruß und Rauch verschmiert, und ich vermutete, daß sie an einer Wange eine Verbrennung erlitten hatte. Außerdem registrierte ich die kleinen, nadelscharfen Eindrücke von Morlock-Zähnen in dem weichen Fleisch von Hals und Oberarmen.

Sie war bewußtlos, und ich konnte nicht einmal sagen, ob sie überhaupt noch atmete; ich befürchtete, daß sie vielleicht schon tot war.

Mit Weena auf dem Arm rannte ich durch den Wald.

Die rauchige Dunkelheit erschwerte mir die Sicht; das Feuer leuchtete zwar in gelbroter Glut, verwandelte den Wald jedoch in einen Ort wabernder Schatten, die das Auge täuschten. Einige Male rannte ich gegen Bäume oder stolperte über kleine Bodenunebenheiten; und ich befürchte, daß Weena im Verlauf dieser Aktion ziemlich durchgeschüttelt wurde.

Wir befanden uns inmitten eines Stroms aus Morlocks, die mit der gleichen Hast vor dem Feuer flohen wie ich. Ihre haarigen Rücken leuchteten rot im Schein der Flammen, und in ihren tellerförmigen Augen stand die Pein geschrieben. Sie stolperten durch den Wald, rumsten gegen Bäume und traktierten sich gegenseitig mit ihren kleinen Fäusten; andere krochen stöhnend über den Boden und suchten illusorischen Schutz vor der Hitze und dem Licht. Wenn sie mit mir zusammenstießen, schlug und trat ich sie, um sie mir vom Leibe zu halten; es war aber klar, daß sie, blind, wie sie waren, keine Bedrohung mehr für mich darstellten, und bald beschränkte ich mich darauf, sie einfach nur beiseite zu schubsen.