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Aber die Beobachtungen von Michelson und Morley hatten mit dem Phänomen korreliert, das mir schon vor einigen Jahren beim Plattnerit aufgefallen war — obwohl ich die Ergebnisse meiner Experimente nicht veröffentlicht hatte — und auf dessen Basis ich eine Hypothese erstellt hatte.

»Man muß nur seiner Phantasie freien Lauf lassen — insbesondere, was die Betrachtung der Dimensionen betrifft —, um eine mögliche Erklärung für das Michelson-Morley-Phänomen zu finden. Wie messen wir denn z. B. die Geschwindigkeit? Nur mit Vorrichtungen, die Intervalle in verschiedenen Dimensionen aufzeichnen. Die Berechnung der Geschwindigkeit erfolgt über eine im Raum zurückgelegte Strecke, die mit einem simplen Yardmaß gemessen wird, und einem Intervall in der Zeit, das mit einer Uhr erfaßt werden kann. Und die Zeit ist nur eine Abart des Raumes, auch wenn wir sie nicht so wahrnehmen.

Wenn wir also die Empirie von Michelson und Morley zum Nennwert nehmen, dann müssen wir die Geschwindigkeit des Lichts als eine feste Größe betrachten und die Dimensionen als Variablen. In anderen Worten, die Länge meines Yardmaßes und die Geschwindigkeit, mit der meine Uhr tickt, variieren in Abhängigkeit von meiner Geschwindigkeit durch die Zeit: das Universum justiert sich quasi selbst nach, um das Meßergebnis für die Lichtgeschwindigkeit konstant zu halten.

Dann erkannte ich, daß man diesen Sachverhalt geometrisch darstellen kann, als eine Verschiebung der Dimensionen.« Ich hielt eine Hand hoch, wobei der Daumen und zwei Finger im rechten Winkel abstanden. »Nehmen wir an, wir befinden uns in einem Gerüst aus den vier Dimensionen — und dann lassen wir den ganzen Kram rotieren, ungefähr so…« — ich verdrehte das Handgelenk —, »daß die Längsachse dort zu liegen kommt, wo sich vorher die Querachse befunden hat und die Querachse ihrerseits den Platz der Hochachse einnimmt — und, was am wichtigsten ist, Dauer und Dimension des Raumes vertauscht werden. Siehst du? Man bräuchte natürlich keine vollständige Transposition — eine ansatzweise Verschiebung würde schon ausreichen. Und dann wäre eine Reise in die Vergangenheit oder Zukunft nicht schwieriger als ein Gang durch einen Raum.

Ich habe diese Spekulationen bisher für mich behalten«, sagte ich. »Ich habe keinen besonderen Ruf als Theoretiker. Außerdem habe ich Bedenken, etwas ohne experimentelle Verifikation zu veröffentlichen. Aber es gibt — gab — andere Leute, die in der gleichen Richtung denken — z. B. Fitzgerald in Dublin, Lorentz in Leiden und Henri Poincare in Frankreich — und es kann nicht mehr lange dauern, bis die Theorie vervollständigt wird, die sich mit dieser Relativität der Bezugsgrößen befaßt…«

»Dein Kenntnisstand ist bemerkenswert«, sagte der Morlock. »Du bist ein Mensch des Jahres 1891 — vierzehn Jahre vor dem Erscheinen von Einsteins erster Arbeit in den Annalen der Physik — und doch ähnelt deine Terminologie Minkowskis Formalismus der Raumzeit-Geometrie…«

Diese Namen aus der Zukunft sagten mir natürlich nichts, aber ich kann bei dem angenehmen Gedanken, bis zu einem gewissen Grad meiner Zeit voraus gewesen zu sein, einen Anflug von Arroganz nicht leugnen! »Das ist dann also die Quintessenz meiner Zeitmaschine«, schloß ich. »Die Maschine verdreht Raum und Zeit in sich selbst und verwandelt so die Zeit in eine räumliche Dimension — und dann ist die Reise in die Vergangenheit oder Zukunft so leicht wie Fahrradfahren.«

Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück; in Anbetracht der ungemütlichen Bedingungen dieser Vorlesung hielt ich mir zugute, eine bemerkenswerte Leistung geboten zu haben.

Doch mein Morlock war kein dankbarer Zuhörer. Er stand da und sah mich durch seine blaue Brille an. Dann meinte er schließlich: »Ja. Aber wie verhält sich das jetzt genau?«

Die Befreiung aus dem Käfig

Diese Reaktion irritierte mich ungemein! Ich bin sonst ein dankbareres Publikum gewöhnt.

Ich erhob mich vom Stuhl und begann im Käfig umherzugehen. Dabei näherte ich mich Nebogipfel und konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, in eine affenartige Drohgeste zu verfallen. Ich weigerte mich jetzt strikt, weitere Fragen zu beantworten, solange er mir nicht etwas von seiner Sphären-Welt zeigte.

»Schau mal«, sagte ich, »glaubst du nicht auch, daß du etwas unfair bist? Schließlich habe ich sechshunderttausend Jahre zurückgelegt, um etwas von deiner Welt zu sehen. Und alles, was ich bisher davon hatte, war eine dunkle Hügelkette in Richmond, und…« — ich machte eine Handbewegung in Richtung der mich umgebenden Dunkelheit — »…das hier und deine endlosen Fragen!

Betrachte es einmal von diesem Standpunkt aus, Nebogipfel. Ich weiß, daß ich dir einen umfassenden Bericht meiner Reise durch die Zeit geben soll und auch darüber, was ich in der Vergangenheit gesehen hatte, als sie sich zu eurer Gegenwart entwickelte. Wie kann ich aber einen solchen Bericht machen, wenn ich nicht weiß, wie er endet? — ganz zu schweigen von der anderen Vergangenheit, die ich erlebt habe.«

Hier brach ich meine Rede ab und hoffte, daß ich ihn damit überzeugt hätte.

Er führte die Hand zu seinem Gesicht; die dünnen, weißlichen Finger rückten die Brille gerade, so wie jeder Gentleman einen Zwicker zurechtgerückt hätte. »Ich werde diesbezüglich Rücksprache halten«, verkündete er schließlich. »Wir sprechen uns wieder.«

Damit ging er. Ich sah ihn verschwinden, wobei seine nackten Füße auf den weichen, sternenunterlegten Boden patschten.

Nach einer weiteren Schlafperiode kehrte Nebogipfel zurück. Er hob eine Hand und winkte; es war eine steife, unnatürliche Geste, als ob er sie sich erst vor kurzem angeeignet hätte.

»Komm mit«, forderte er mich auf.

Mit einem Anflug von Überschwang — durchsetzt von einer nicht unbeträchtlichen Furcht — hob ich meine Jacke vom Boden auf.

Ich ging neben Nebogipfel her, in die Dunkelheit, die mich so viele Tage umgeben hatte. Mein in der Säule aus Sonnenlicht liegendes Nest verschwand hinter mir. Ich blickte zurück auf den kleinen Fleck, der mein ungemütliches Heim gewesen war, mit den unordentlich herumstehenden Tabletts, dem Haufen Decken und dem Stuhl — vielleicht dem weltweit einzigen Stuhl! Ich kann nicht gerade behaupten, daß mich bei seinem Verschwinden nostalgische Anwandlungen überkamen, denn ich hatte mich während des ganzen Aufenthalts in diesem Lichtkäfig nur elend und verängstigt gefühlt, aber ich fragte mich doch, ob ich ihn noch mal sehen würde.

Unter unseren Füßen hingen die Fixsterne wie eine Million chinesischer Lampions, die am Ufer eines unsichtbaren Flusses aufgereiht waren.

Während unseres Marsches hielt mir Nebogipfel eine blaue Brille hin, die starke Ähnlichkeit mit der hatte, die er selbst trug. Ich nahm sie zwar, protestierte jedoch: »Was soll ich damit? Ich bin nicht geblendet wie du…«

»Du brauchst sie nicht wegen des Lichts, sondern wegen der Dunkelheit. Setz sie auf.«

Ich führte die Brille ans Gesicht. Das Teil hatte zwei Riemen aus einem biegsamen Material, die sich auch um die blauen Gläser der Brille selbst legten. Als ich die Brille aufsetzte, schmiegten sich die Riemen sanft um den Kopf und fixierten die Brille leicht.

Ich wandte den Kopf. Trotz der Tönung der Brille sah ich nicht ›blau‹. Diese Säule aus Sonnenlicht schien so hell wie immer, und die Erscheinung von Nebogipfel sowie die Konturen meiner Arme, als ich an ihnen hinabblickte, waren so scharf wie zuvor. Ich schaute zu Nebogipfel hinüber. »Sie scheint nicht zu funktionieren«, beanstandete ich.

Anstatt zu antworten, beugte er den Kopf vor.

Ich folgte seinem Blick — und mein Schritt stockte. Denn unter meinen Füßen, jenseits des weichen Bodens, flammten die Sterne. Ihr Leuchten wurde jetzt nicht mehr durch den Glanz des Bodens bzw. die schlechte Akkomodation meiner Augen gefiltert; es war, als ob ich in einer sternenklaren Nacht auf den Bergen von Wales oder Schottland stehen würde! Wie man sich vorstellen kann, verspürte ich manchmal heftige Schwindelanfälle.