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…Und doch, reflektierte ich jetzt, was war denn mein Patzer, gleich nach meiner Ankunft im Jahre 657208, sonst gewesen, wenn nicht der Handlung eines Kindes vergleichbar?

Jetzt führte Nebogipfel mich zu einer Ecke der Kinderstation. Dieser besondere Ort wurde von einer Struktur überdacht, die annähernd die Größe und Gestalt eines kleinen Wintergartens hatte und aus dem blassen, durchsichtigen Material des Bodens bestand — überhaupt war das einer der wenigen überdachten Stellen in dieser Stadt-Kammer. Der Unterstand verfügte weder über Möbel noch irgendwelche Geräte, außer ein paar Trennwänden mit ihren glühenden Bildschirmen, die ich schon vorher gesehen hatte. Und, im Zentrum des Bodens, befand sich etwas, das wie ein kleines Bündel aussah — Kleidungsstücke vielleicht —, die aus dem Glas gezogen worden waren.

Mir fiel auf, daß die hier versammelten Morlocks ernsthafter wirkten als jene, welche die Kinder beaufsichtigten. Auf ihren mit wasserstoffblondem Haar bewachsenen Körpern trugen sie lockere Kittel — westenähnliche Kutten mit vielen Taschen —, die mit Werkzeugen vollgestopft waren, deren Zweck mir überwiegend verborgen blieb. Einige dieser Werkzeuge glühten leicht. Diese neue Klasse von Morlocks hatte etwas an sich, das mich irgendwie an Ingenieure erinnerte: ein merkwürdiger Kontrapunkt in diesem Meer aus Babies; und, obwohl sie durch meine deplazierte Präsenz abgelenkt waren, beobachteten die Ingenieure das kleine Bündel auf dem Boden und sondierten es periodisch mit irgendwelchen Instrumenten.

Meine Neugier verstärkte sich, und ich ging auf dieses Bündel im Mittelpunkt zu. Nebogipfel blieb zurück und ließ mich allein weitergehen. Das Ding war nur wenige Zoll lang und noch halb ins Glas eingebettet, wie eine aus einer felsigen Oberfläche gehauene Skulptur. Tatsächlich sah es auch aus wie eine kleine Statue: hier waren die Ansätze zweier Arme, dachte ich, und da etwas, aus dem ein Gesicht werden mochte — eine mit Haaren bedeckte Scheibe, die von einem dünnen Mund geteilt wurde. Die Genese des Bündels schien nur langsam voranzugehen, und ich fragte mich, weshalb die verborgenen Maschinen sich mit der Herstellung dieses Artefaktes so schwer taten. War es vielleicht besonders komplex?

Und dann — es war ein Augenblick, der mich bis an mein Lebensende verfolgen wird — öffnete sich dieser winzige Mund. Die Lippen teilten sich mit einem leise schmatzenden Geräusch, und ein Wimmern, schwächer als das eines neugeborenen Kätzchens, durchdrang die Luft; und das Miniaturgesicht verzog sich, als ob es sich irgendwie echauffieren würde.

Ich stolperte zurück, so geschockt, als ob man mir einen Fausthieb versetzt hätte.

Nebogipfel schien meine Reaktion irgendwie vorausgesehen zu haben, denn er sagte: »Du mußt daran denken, daß du eine halbe Million Jahre in der Zeit versetzt bist: der Abstand zwischen uns ist zehnmal so groß wie das Alter deiner Spezies…«

»Nebogipfel — kann das denn wahr sein? Daß euer Nachwuchs — ihr selbst — aus diesem Boden gezogen werdet, hergestellt mit der gleichen Profanität wie eine Teetasse?« Die Morlocks hatten in der Tat ›ihr genetisches Erbe bewältigt‹ dachte ich — denn sie hatten die Geschlechter aufgehoben und die Geburten abgeschafft.

Auch die Toten — so erfuhr ich später — wurden von der Sphäre entsorgt, wobei die Leichen zwecks Zerlegung und Wiederverwendung ihres Materials vom Boden absorbiert wurden, ohne daß ihnen im feierlichen Rahmen die letzte Ehre erwiesen worden wäre.

»Nebogipfel«, sagte ich schaudernd, »das ist — unmenschlich.«

Er neigte den Kopf; offensichtlich bedeutete ihm das Wort nichts. »Unsere Politik gilt der Optimierung des Potentials der menschlichen Gestalt — denn wir sind auch menschlich«, beteuerte er. »Diese Gestalt wird von einer Sequenz aus einer Million Genen definiert, und deshalb ist die Anzahl der potentiellen menschlichen Individuen — wenn auch groß — endlich. Und all diese Individuen können…« — er zögerte — »…von der Intelligenz der Sphäre projiziert werden. Die Sphäre synthetisiert die Materialien, die benötigt werden, um das selektierte Individuum zum Leben zu erwecken, und…«

›»Selektiert‹?« Ich wandte mich dem Morlock zu, und der Zorn und die Gewalttätigkeit, die ich so lange aus meinen Gedanken verdrängt hatte, fluteten in meine Seele zurück. »Wirklich sehr rational. Aber was hast du sonst noch alles wegrationalisiert, Morlock? Was ist mit Zärtlichkeit? Was mit Liebe?«

Entscheidung und Abschied

Ich taumelte aus dieser schrecklichen Gebärhütte und schaute mich in der großen Stadt-Kammer um, mit ihren Kohorten geduldiger Morlocks, die ihren unverständlichen Verrichtungen nachgingen. Ich hätte sie anbrüllen, die Fäuste in ihr weiches Fleisch stoßen und ihre selbstgefällige Perfektion zerschlagen mögen; aber selbst in diesem dunklen Moment wußte ich, daß ich es mir nicht leisten konnte, ihnen ein noch schlechteres Bild von mir zu vermitteln.

Am liebsten wäre ich sogar vor Nebogipfel geflohen. Ich wußte wohl, daß er mir Höflichkeit und Verständnis entgegengebracht hatte: vielleicht mehr, als ich eigentlich verdient hatte, und vielleicht auch mehr, als meine Zeitgenossen einem wütenden Wilden des Jahres 500000 v. Chr. zugestanden hätten. Aber dennoch hatte ich den Eindruck, daß ihn meine Reaktion auf den Gebärvorgang fasziniert und amüsiert hatte. Vielleicht hatte er ja auch nur eine Show arrangiert, um ebendiese extreme Reaktion bei mir zu provozieren! Nun, wenn das seine Absicht gewesen sein sollte, hatte Nebogipfel wohl Erfolg gehabt. Aber jetzt waren meine Erniedrigung und der diffuse Zorn so groß, daß ich den Anblick seiner würdevoll frisierten Gestalt kaum ertragen konnte.

Aber wohin hätte ich denn gehen sollen? Ob es mir nun gefiel oder nicht, Nebogipfel war mein einziger Bezugspunkt in dieser fremden Welt der Morlocks: das einzige lebende Individuum, dessen Namen ich kannte, und — nach allem, was ich bisher wußte — mein einziger Beschützer.

Vielleicht spürte Nebogipfel diesen Konflikt in mir. Auf jeden Fall drängte er mir nicht seine Gesellschaft auf; vielmehr wandte er mir den Rücken zu und ließ wieder die kleine Schlafhütte aus dem Boden wachsen. Ich kletterte hinein und hockte mich in die dunkelste Ecke, wobei ich die Arme um den Körper schlang — ich verkroch mich wie ein wildes Tier, das man nach New York gebracht hatte!

Dort blieb ich für einige Stunden — vielleicht schlief ich sogar ein. Schließlich spürte ich, wie sich wieder etwas Zuversicht einstellte, und ich aß eine Kleinigkeit und machte eine Katzenwäsche.

Ich glaube, daß — jedenfalls vor dem Zwischenfall auf der Gebärfarm — die Einblicke in diese Welt der Morlocks mich in ihren Bann zogen. Ich habe mich immer als einen rationalen Menschen verstanden, und ich war fasziniert von dieser Vision, wie eine Welt Rationaler Wesen ihre Belange regeln konnte — wie Naturwissenschaften und Maschinenbau zur Erschaffung einer besseren Welt beitragen konnten. Es hatte mich beeindruckt, welche Toleranz sie z. B. für unterschiedliche Meinungen zu Politik und Regierungsform aufbrachten. Aber der Anblick dieses halbfertigen Homunkulus hatte mir den Rest gegeben. Vielleicht demonstriert meine Reaktion auch nur, wie tief die grundsätzlichen Werte und Instinkte unserer Spezies verwurzelt sind.

Wenn es denn stimmte, daß die Morlocks ihr genetisches Erbe bezwungen hatten, den Makel der Urmeere, dann beneidete ich sie in diesem Moment um ihren Gleichmut!

Ich wußte, daß ich mich von der Gesellschaft der Morlocks lösen mußte — ich wurde zwar geduldet, aber es gab hier genauso wenig Platz für mich wie für einen Gorilla im Mayfair Hotel — und ich begann eine neue Entschlossenheit zu entwickeln.