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Ich kam aus meiner Hütte hervorgekrochen. Nebogipfel stand da und wartete, als ob er immer in ihrer Nähe gewesen wäre. Er wischte mit einer Hand über eine Konsole und veranlaßte, daß die leere Hütte wieder vom Boden aufgesogen wurde.

»Nebogipfel«, sagte ich energisch, »dir muß doch klar sein, daß ich hier so fehl am Platze bin wie ein Zootier, das in die Stadt ausgebrochen ist.«

Er antwortete nicht; sein Blick wirkte unbeteiligt.

»Wenn es nicht in eurer Absicht liegt, mich als Gefangenen zu halten oder als Probe in einem Laboratorium zu betrachten, dann verspüre ich nicht das Verlangen, hier zu bleiben. Ich wünsche, daß ihr mir Zugang zu meiner Zeitmaschine gewährt, damit ich in meine eigene Zeit zurückkehren kann.«

»Du bist kein Gefangener«, sagte er. »Für dieses Wort gibt es in unserer Sprache keine Entsprechung. Du bist ein denkendes und fühlendes Wesen, und als solches hast du Rechte. Die einzige Auflage für dich besteht darin, daß du mit deinen Aktionen niemandem mehr Schaden zufügen sollst…«

»Was ich akzeptiere«, meinte ich steif.

»…und«, fuhr er fort, »daß du nicht mit deiner Zeitmaschine abreist.«

»Soviel also zu meinen Rechten«, knurrte ich ihn an. »Ich bin hier ein Gefangener — und ein Gefangener in der Zeit!«

»Obwohl die Theorie der Zeitreise klar genug ist — und die mechanische Struktur deiner Maschine ist auch kein Geheimnis — fehlt uns bisher noch jedes Verständnis der zugrundeliegenden Prinzipien«, sagte der Morlock. Ich interpretierte das so, daß sie noch nicht hinter die Wirkungsweise des Plattnerits gekommen waren. »Aber«, fuhr Nebogipfel fort, »wir sind der Ansicht, daß diese Technologie von großem Nutzen für unsere Spezies sein könnte.«

»Da bin ich mir sicher!« Ich hatte eine plötzliche Vision von diesen Morlocks, wie sie mit ihren magischen Geräten und Wunderwaffen auf modifizierten Zeitmaschinen über das London von 1891 hereinbrachen. Wie würden die Menschen meines Jahrhunderts wohl auf eine solche Invasion affenartiger Untermenschen aus der Zukunft reagieren?

Die Antwort auf diese Frage war mir nur zu bekannt: mit Gewalt und Abscheu. Es würde ein Krieg ausbrechen, wie die Welt ihn noch nicht gesehen hatte — und mit einem unausweichlichen Sieg der Morlocks enden.

Und dann, unterworfen und gezähmt, würden Männer, Frauen und Kinder in großen Reservationen eingeschlossen werden, ihrer Maschinen und Waffen beraubt — ihrer Macht beraubt, Entscheidungen zu treffen —, während die Morlocks mit der langsamen Transformation der Erde in eine Welt der Dunkelheit begannen.

Die Morlocks würden für die Sicherheit und das leibliche Wohl der Menschheit sorgen. Aber, ihrer Seele beraubt und am Schluß vielleicht auch noch ihrer Kinder, konnte die Menschheit in meinen Augen höchstens noch ein paar Generationen überleben!

Der Horror, den ich bei dieser Vorstellung empfand, ließ das Blut durch die Adern pulsieren — und doch wies mich selbst in diesem Moment ein entfernter, rationaler Winkel meines Geistes auf gewisse Unstimmigkeiten dieses Bildes hin. »Schau mal«, sagte ich zu mir, »wenn die ganze moderne Menschheit wirklich auf diese Art ausgelöscht würde — denn der moderne Mensch ist eben der Vorfahre der Morlocks — dann könnten sich die Morlocks überhaupt nicht erst entwickeln und somit auch nicht meine Maschine beschlagnahmen und durch die Zeit zurückreisen… Es ist paradox, nicht wahr? Denn beide Möglichkeiten zusammen gehen nicht.« Es ist nämlich so, daß in einer entlegenen Ecke meines Hirns das ungelöste Problem meiner zweiten Zeitreise — mit den divergierenden Vergangenheiten, die ich beobachtet hatte — noch immer vor sich hingärte, und ich wußte im tiefsten Herzen, daß mein Verständnis der diesem Zeitreise-Paradigma zugrundeliegenden Philosophie im besten Falle nach wie vor begrenzt war.

Aber ich schob das alles beiseite, als ich mich wieder Nebogipfel zuwandte. »Niemals. Ich werde euch niemals bei einem Zeitreiseprojekt unterstützen.«

Nebogipfel sah mich an. »Dann — im Rahmen der Vorbehalte, die ich dir genannt habe — steht es dir frei, jede beliebige deiner Welten aufzusuchen.«

»In diesem Fall«, sagte ich, »bitte ich euch, mich an einen Ort zu bringen — wo auch immer er sich in diesem künstlichen Sonnensystem befinden mag — an dem Menschen wie ich noch existieren können.«

Ich glaube, daß ich ihm diesen Köder nur hingeworfen hatte, um eine Ablehnung zu provozieren. Aber zu meiner Überraschung kam Nebogipfel auf mich zu. »Nicht exakt wie du«, meinte er. »Aber dennoch — komm!«

Dann schritt er ohne weiteren Kommentar wieder über diese immense, bevölkerte Ebene. Mir kamen seine letzten Worte mehr als ominös vor, aber ich konnte ihre Bedeutung nicht verstehen — und überhaupt hatte ich kaum eine andere Wahl, als ihm zu folgen.

Wir erreichten eine freie Fläche mit einem Durchmesser von vielleicht einer Viertelmeile. Ich hatte schon lange jeden Orientierungssinn in dieser großen Stadt-Kammer verloren. Nebogipfel setzte seine Brille auf, und ich tat es ihm nach.

Plötzlich stach ein Lichtbogen durch das Dach über uns und hüllte uns ein. Ich schaute nach oben, in ein warmes Gelb, und sah Staubflocken in der Luft herumtanzen; für einen Augenblick dachte ich, daß ich wieder zu jenem Lichtkäfig in der kleineren Kammer zurückgekehrt wäre, in der man mich gefangengehalten hatte.

Ich wartete — ich konnte nicht sehen, ob Nebogipfel der unsichtbaren Maschine, die diesen Ort versorgte, irgendwelche Befehle gegeben hatte — jedenfalls ging ein heftiges Rucken durch den Boden unter mir. Ich taumelte, denn es war wie ein leichtes Erdbeben und kam dazu noch unerwartet; aber ich fing mich schnell wieder.

»Was war das?«

Nebogipfel war ungerührt. »Vielleicht hätte ich dich warnen sollen. Unser Aszent ist gestartet.«

»Aszent?«

Jetzt sah ich, daß sich eine etwa eine Viertelmeile durchmessende Scheibe aus Glas vom Boden erhob und mich und Nebogipfel in die Höhe beförderte. Es war, als ob ich auf der Oberfläche eines immensen Pfeilers gestanden hätte, der sich aus dem Boden schob. Wir waren bereits etwa zehn Fuß hoch, und unsere Geschwindigkeit schien sich noch zu erhöhen; ich verspürte einen Lufthauch an der Stirn.

Ich ging ein Stück auf die Abbruchkante der Scheibe zu und beobachtete, wie sich diese immense, komplexe Stadt der Morlocks unter mir entfaltete. Die Stadt erstreckte sich über die Grenzen meines Blickfeldes hinaus, völlig eben und gleichmäßig bebaut. Sie wirkte wie eine präzise Kartographie, vielleicht eine Sternkarte, wo auf schwarzem Hintergrund silberne Linien aufgetragen waren — und die den wirklichen Sternenhimmel dahinter überlagerten. Ein paar silbrige Gesichter blickten mir bei meinem Aufstieg nach, aber die Masse der Morlocks wirkte völlig indifferent.

»Nebogipfel — wohin…?« »Ins Innere«, erklärte er ruhig.

Ich registrierte eine Veränderung des Lichts. Es wirkte jetzt viel heller und diffuser — nicht mehr nur zu einem einzigen Strahl gebündelt, wie es am Fuß der Quelle den Anschein hatte.

Ich legte den Kopf in den Nacken. Während ich hinsah, erweiterte sich die Lichtscheibe über mir, so daß ich nun um die zentrale Scheibe der Sonne einen ringförmigen Himmelsausschnitt ausmachen konnte. Der Himmel war blau und mit hohen, flockigen Wolken durchsetzt; aber er hatte eine merkwürdige Struktur, eine verwaschene Färbung, die ich zunächst auf die Brille zurückführte, die ich noch aufhatte.

Nebogipfel wandte sich von mir ab. Er tippte mit einem Fuß auf die Basis unserer Plattform, und ein Objekt kam zum Vorschein — zuerst konnte ich es nicht identifizieren —, das sich dann als eine flache Schüssel entpuppte, aus deren Mitte ein Stab herauswuchs. Erst als Nebogipfel das Teil aufhob und sich über den Kopf hielt, wußte ich, was es darstellen sollte: ein einfacher Sonnenschirm, um die Sonne von seiner bleichen Haut fernzuhalten.