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»Ich kann das voll und ganz«, antwortete ich und hielt seinem Blick solange wie möglich stand, denn ich wollte, daß er überzeugt war.

Er war ein kleiner, vierschrötiger Mann mit vorspringender Unterlippe, breiter Stirn, gelockten Koteletten und ziemlich häßlichen Ohren. Er war jung — zirka fünfundzwanzig, glaube ich, und damit zwei Jahrzehnte jünger als ich — und doch fiel sein glattes Haar bereits aus. Sein Gang wirkte irgendwie sprunghaft, und er hatte etwas Energisches an sich — nervös, wie ein plumper Vogel —, aber er sah immer kränklich aus: wie ich weiß, litt er von Zeit zu Zeit an inneren Blutungen. Die hatte er sich während eines Fußballspiels durch einen Tritt in die Nieren zugezogen, als er noch Lehrer in irgendeiner gottvergessenen Privatschule in Wales gewesen war. Und heute stand in seinen blauen, obschon müden Augen wie immer Intelligenz und Sympathie für mich.

Mein Freund war Lehrer — zu dieser Zeit im Fernunterricht —, aber er war auch ein Träumer. Auf unseren geselligen Donnerstagabend-Dinnerparties in Richmond pflegte er immer mit Spekulationen über die Zukunft und die Vergangenheit aufzuwarten und uns seine neuesten Kommentare zur Bedeutung von Darwins nüchterner, gottloser Analytik und was sonst nicht noch allem zu präsentieren. Er träumte von der Perfektion der menschlichen Rasse — ich wußte, daß er genau der Typ war, der sich von ganzem Herzen wünschte, daß meine Geschichten über die Zeitreise der Wahrheit entsprachen!

Ich nenne ihn wohl aus altem Wohlwollen heraus ›Schriftsteller‹, denn soweit ich weiß, hatte er nur diverse unausgegorene Spekulationen in College-Journals und dergleichen veröffentlicht; aber ich hatte keine Zweifel, daß sein agiler Verstand ihm eine wie auch immer geartete Nische in der Welt des Wortes sichern würde — und, was noch wichtiger war, er hegte auch keine diesbezüglichen Zweifel.

Obwohl ich dringend weg wollte, blieb ich für einen Moment stehen. Vielleicht konnte der Schriftsteller auf dieser neuen Reise mein Zeuge sein — und tatsächlich, so überlegte ich, könnte er ja schon planen, meine früheren Abenteuer als Unterhaltungsroman zu veröffentlichen.

Na gut, meinen Segen hatte er!

»Ich brauche nur eine halbe Stunde«, sagte ich und machte mir dabei bewußt, daß ich durch eine bloße Bewegung der Hebel meiner Maschine exakt zu dieser Raumzeit zurückkehren konnte, egal, wie lange ich in der Zukunft oder Vergangenheit bleiben wollte. »Ich weiß, warum du gekommen bist, und du hast das absolut Richtige getan. Hier liegen ein paar Zeitschriften herum. Wenn du bis zum Mittagessen hierbleibst, werde ich dir den Nachweis der Zeitreise haarklein erbringen, mit Proben und so weiter. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest?«

Er akzeptierte. Ich nickte ihm zu und ging dann ohne weitere Worte den Korridor zu meinem Laboratorium entlang.

So nahm ich meinen Abschied von der Welt des Jahres 1891. Ich ließ keine Familie zurück und habe auch keinen Sinn für sentimentale Verabschiedungen; hätte ich jedoch gewußt, daß ich den Schriftsteller nie wiedersehen würde — zumindest nicht in körperlicher Gestalt — dann hätte ich meinen Abgang wohl doch etwas zeremonieller gestaltet!

Ich betrat mein Laboratorium. Es ähnelte irgendwie einer Mühle. An der Decke war eine Dampfmaschine angebracht, die über Lederriemen diverse Drehbänke antrieb; auf anderen Werkbänken waren kleinere Maschinen befestigt, eine Blechpresse, sonstige Pressen, Schweißgeräte, Schraubstöcke und dergleichen. Auf der Drehbank lagen Metallteile und Zeichnungen verstreut, und verworfene Ergebnisse meiner Bemühungen lagen im Staub des Fußbodens, denn im Grunde bin ich kein ordentlicher Mensch; so fand ich nun zum Beispiel zu meinen Füßen den Nickelbolzen, der mich vor meinem ersten Abstecher in die Zeit aufgehalten hatte — dieser Bolzen, von dem sich herausstellte, daß er eine Länge von genau einem Zoll aufwies und den ich daher nachfertigen mußte.

Ich überlegte, daß ich zwei Jahrzehnte meines Lebens fast nur in diesem Raum verbracht hatte. Der Ort war ein ehemaliges Observatorium und hatte Zugang zu einem Garten. Das Laboratorium saß auf einem Gerüst aus schlanken, weiß angestrichenen Eisenstreben und hatte früher Aussicht auf den Fluß geboten; aber ich hatte schon vor langer Zeit die Fenster mit Brettern zugenagelt, um konstante Lichtverhältnisse zu haben und die neugierigen Blicke meiner Nachbarn fernzuhalten. Meine diversen Werkzeuge und Aggregate stachen trübe aus dieser öligen Dunkelheit hervor, und nun erinnerten sie mich an die großen Maschinen in den Kavernen der Morlocks. Ich fragte mich, ob ich nicht vielleicht selbst eine morbide Ader der Morlocks in mir hatte! Wenn ich zurückkehrte, so schwor ich mir, würde ich die Bretter abreißen, die Fenster putzen und den Ort zu einer Stätte des Lichts der Eloi machen, statt eines Platzes der Düsternis der Morlock.

Ich ging zur Zeitmaschine hinüber.

Dieses klobige, windschiefe Gerät saß in der nordwestlichen Ecke des Laboratoriums — wo die Morlocks es bei ihren Bemühungen hingeschleppt hatten, mich im Podest der Weißen Sphinx einzuschließen. Ich zerrte die Maschine in die südwestliche Ecke des Laboratoriums zurück, wo ich sie gebaut hatte. Nach getaner Arbeit beugte ich mich nach vorn und machte im Zwielicht die vier chronometrischen Rundinstrumente aus, welche die Reisedauer der Zeitmaschine in Tagen zählten; jetzt standen die Zeiger natürlich alle auf Null, denn die Maschine befand sich ja wieder in ihrer Ausgangszeit. Neben dieser Uhrenreihe waren zwei Hebel, welche die Maschine aktivierten, einer für die Zukunft, der andere für die Vergangenheit.

Ich streckte eine Hand aus und berührte aus einem Impuls heraus den Hebel für die Option ›Zukunft‹. Die klobige, aus einem Metall- und Elfenbeinkonglomerat bestehende Kiste erzitterte wie ein lebendiges Wesen. Ich lächelte. Die Maschine erinnerte mich daran, daß sie nicht mehr von dieser Welt, von dieser Raumzeit war! Von allen Objekten des Universums, abgesehen von denen, die ich am Leib getragen hatte, war diese Maschine das einzige, die acht Tage älter war als ihre Herkunftswelt: ich hatte nämlich eine Woche in der Epoche der Morlocks verbracht, war dann aber wieder in meine Ausgangszeit zurückgekehrt.

Ich setzte den Rucksack und die Kamera auf dem Boden des Laboratoriums ab und hängte den Hut an den Haken an der Tür. Eingedenk der Tatsache, daß die Morlocks an der Zeitmaschine herummanipuliert hatten, begab ich mich an eine Inspektion. Ich machte mir dabei nicht die Mühe, diverse braune Flecken sowie Gras- und Moosreste zu entfernen, die immer noch an den Kufen der Maschine klebten; bei mir muß nicht immer alles blitzeblank sein. Aber eine Kufe war verbogen, und das richtete ich. Dann überprüfte ich die Schrauben und ölte die Quarzstangen ein.

Bei der Arbeit erinnerte ich mich an die peinliche Panik, mit der ich das Verschwinden der Zeitmaschine bemerkt hatte, und mich durchlief eine Woge immenser Zuneigung für das häßliche Gerät. Die Maschine war ein offener Käfig aus Nickel, Messing und Quarz, Ebenholz und Elfenbein; recht komplex — vergleichbar dem Werk einer Kirchturmuhr — und mit einem Fahrradsattel, der unmotiviert irgendwo in der Mitte der Anordnung saß. Der mit Plattnerit dotierte Rahmen aus Quarz und Felskristall glitzerte und verlieh dem Ganzen eine unwirkliche und verzerrte Aura.

Natürlich wäre die Konstruktion dieser Zeitmaschine nicht möglich gewesen ohne die Eigenschaften der seltsamen Materie, die ich ›Plattnerit‹ genannt habe. Ich erinnerte mich daran, wie ich durch Zufall in den Besitz einer Probe dieses Materials gelangt war: in jener Nacht vor zwei Jahrzehnten, als ein Fremder die Treppe zu meiner Haustür hochkam und mir ein Paket mit dem Zeug überreichte. Er hatte sich selbst als ›Plattner‹ vorgestellt — ein massiger Kerl, einige Jahre älter als ich, mit einem komischen, breiten grauhaarigen Kopf, der in einem Tarnanzug steckte. Er wies mich an, das Wundermittel, das er mir gegeben hatte, in einem Reagenzglas zu untersuchen. Nun, das Zeug hatte dann über ein Jahr unbeachtet im Laboratorium auf einem Regal gestanden, während ich mit wichtigeren Arbeiten befaßt war. Doch dann, an einem trüben Sonntagnachmittag, hatte ich das Glas vom Regal genommen…