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Ich begann eine Problemlösung für das alles zu entwerfen und rief dann Nebogipfel.

»Beim Bau der Sphäre«, dozierte Nebogipfel, »ereignete sich eine Abspaltung. Diejenigen, die an der bisherigen Lebensweise der Menschheit festhalten wollten, ließen sich im Inneren nieder. Und diejenigen, welche die alte Dominanz der Gene eliminieren wollten…«

»…wurden Morlocks. Und so ziehen sich die Kriege — ohne Sinn und Ende — wie Wellen über die grenzenlose Oberfläche des Inneren.«

»Ja.«

»Nebogipfel, besteht der Zweck der Sphäre darin, diesen Quasi-Menschen — diesen neuen Eloi — Platz für ihre Kriegsführung zu geben, ohne die Menschheit zu vernichten?«

»Nein.« Er hielt seinen Sonnenschirm in einer würdevollen Haltung hoch, die ich nicht länger komisch fand. »Natürlich nicht. Die Sphäre ist für die Morlocks erschaffen worden: um die Energien eines Sterns für den Erwerb von Wissen nutzbar zu machen.« Er blinzelte mit seinen großen Augen. »Denn welche anderen Ziele könnten intelligente Wesen haben, wenn nicht die Gewinnung und Speicherung von Informationen?«

Das mechanische Gedächtnis der Sphäre, sagte er, war wie eine riesige Bibliothek, die das Wissen der Rasse speicherte, welches über eine halbe Million Jahre angehäuft worden war. Und ein großer Teil der geduldigen Arbeit der Morlocks, die ich gesehen hatte, war der weiteren Sammlung von Informationen gewidmet bzw. der Klassifikation und Neubewertung schon vorhandener Daten.

Sie waren ein Volk von Gelehrten! — und die ganze Energie der Sonne wurde dem geduldigen, korallenartigen Wachstum dieser großen Bibliothek zugeführt.

Ich nibbelte mir den Bart. »Ich verstehe das — zumindest das Motiv. Ich glaube, daß es sich nicht sonderlich von den Impulsen unterscheidet, die auch mein eigenes Leben bestimmen. Aber befürchtet ihr denn nicht, daß ihr eines Tages diese Suche mal beenden werdet? Was wollt ihr tun, wenn die Mathematik perfektioniert und der praktische Beweis der Weltformel erbracht worden ist?«

Er schüttelte den Kopf, eine weitere Geste, die er mir abgeschaut hatte. »Das ist nicht möglich. Ein Mann deiner Zeit — Kurt Gödel — hat das als erster gezeigt.«

»Wer?«

»Kurt Gödeclass="underline" Ein Mathematiker, der zehn Jahre nach deiner Abreise in die Zeit geboren wurde…«

Dieser Gödel — so erfuhr ich mit Erstaunen — würde in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts nachweisen, daß die Mathematik keine endliche Struktur ist; vielmehr müssen ihre logischen Systeme ständig durch die Integration wahrer oder falscher Axiome angereichert werden…

»Der Gedanke daran verursacht mir Kopfschmerzen! — ich kann mir vorstellen, wie man den armen Gödel empfangen hatte, als er der Welt diese Neuigkeit präsentierte. Mein alter Algebralehrer hätte ihn jedenfalls des Klassenzimmers verwiesen.«

Nebogipfel sagte: »Gödel hat gezeigt, daß unser Bestreben, Wissen und Verstehen zu mehren, nie beendet werden kann.«

Ich begriff. »Er hat euch einen unendlichen Sinn gestiftet.« Ich erkannte jetzt, daß die Morlocks wie eine Welt geduldiger Mönche waren, die unermüdlich daran arbeiteten, die Geheimnisse unseres großen Universums zu enträtseln. Und schließlich — am Ende der Zeiten — würde diese große Sphäre, mit ihrem maschinellen Verstand und seinen geduldigen Morlock-Dienern, eine Art Gott werden, der die Sonne umfaßte.

Ich stimmte mit Nebogipfel darin überein, daß eine intelligente Spezies sich kein höheres Ziel setzen konnte.

Ich hatte mir meine nächsten Worte schon zurechtgelegt und äußerte sie jetzt vorsichtig: »Nebogipfel, ich möchte zur Erde zurückkehren. Ich werde mit euch an meiner Zeitmaschine arbeiten.«

Er ließ den Kopf nach vorne sinken. »Ich bin erfreut. Der Beitrag zu unserem Verständnis wird immens sein.«

Wir diskutierten den Vorschlag weiter, aber es bedurfte keiner weiteren Überzeugung mehr! — denn Nebogipfel wirkte nicht mißtrauisch und stellte mir keine weiteren Fragen.

Und so traf ich kurze Vorbereitungen, diese bedeutungslose Prärie zu verlassen. Bei der Arbeit behielt ich meine Gedanken für mich. Ich hatte gewußt, daß Nebogipfel — begierig wie er war, die Technologie der Zeitreise zu erwerben — meinem Vorschlag zustimmen würde. Und es verursachte mir einigen Schmerz, daß ich in Anbetracht meines neuen Verständnisses der fundamentalen Würde der Morlocks gezwungen war, ihn zu belügen!

Ich würde wohl mit Nebogipfel auf die Erde zurückkehren — aber ich hatte nicht die Absicht, auch dort zu bleiben; denn sobald ich meine Maschine wieder in den Händen hatte, würde ich mit ihr in die Vergangenheit verschwinden.

Wie ich den interplanetarischen Raum durchquerte

Ich mußte geschlagene drei Tage warten, bis Nebogipfel geneigt war, die Abreise anzutreten. Er erklärte mir, daß es darum gegangen wäre, zu warten, bis die Erde und die Sphäre die richtige Konfiguration zueinander eingenommen hätten.

Ich blickte der anstehenden Reise mit gemischten Gefühlen entgegen — Angst würde ich nicht sagen, denn schließlich hatte ich bereits eine derartige Passage durch den interplanetarischen Raum überstanden, wenn auch im Zustand der Bewußtlosigkeit —, sondern eher mit steigendem Interesse. Ich stellte Spekulationen an hinsichtlich der Antriebsart von Nebogipfel Raumjacht. Ich dachte dabei an Verne, der seine streitsüchtigen Baltimore-Rabauken diese lächerliche Kanone abfeuern ließ, damit die Hülle, in welcher der Passagier steckte, die Distanz zwischen Erde und Mond überbrücken konnte. Aber es bedurfte nur einer geringen geistigen Anstrengung, um zu erkennen, daß die zur Überwindung der Erdgravitation erforderliche Beschleunigung eines Projektils so stark gewesen wäre, mich und Nebogipfel zu Erdbeermarmelade zu zerquetschen.

Was dann?

Es ist allgemein bekannt, daß der interplanetarische Raum luftleer ist. Deshalb konnten wir nicht wie die Vögel zur Erde fliegen, denn die Vögel brauchen Luft, um dann mit ihren Flügeln gegen den Luftwiderstand Schub zu erzeugen. Keine Luft — kein Schub! Vielleicht, so mutmaßte ich, würde meine Jacht von einer weiterentwickelten Form einer Feuerwerksrakete angetrieben — denn eine Rakete, die durch den rückwärtigen Ausstoß ihres eigenen verbrauchten Treibstoffes fliegt, könnte auch im Vakuum des Weltraums funktionieren, wenn sie Sauerstoff zur Aufrechterhaltung der Verbrennung mitführte…

Aber das waren müßige Spekulationen, die auf meiner durch das neunzehnte Jahrhundert geprägten Perspektive basierten. Wie hätte ich schon sagen können, welche Möglichkeiten das Jahr 657208 n. Chr. bereithielt? Ich stellte mir Schiffe vor, die sich gegen die Schwerkraft der Sonne stemmten wie gegen einen unsichtbaren Wind; außerdem hielt ich es für denkbar, daß mit manipulierten Magnet- oder sonstigen Feldern gearbeitet wurde.

Solcherart wucherten meine Spekulationen, bis Nebogipfel kam, um mich zum letztenmal aus dem Inneren zu holen.

Als wir wieder in die Dunkelheit der Morlocks zurückfielen, stand ich mit zurückgelegtem Kopf da und schaute zu dem schwächer werdenden Sonnenlicht hoch; und — kurz, bevor ich meine Brille aufsetzte — schwor ich mir, daß, wenn ich das nächste Mal die Wärme der Sonne auf dem Gesicht spürte, dies in meinem eigenen Jahrhundert der Fall sein würde!

Ich mußte wohl erwartet haben, zum Morlock-Äquivalent eines Hafens gebracht zu werden, wo sich große ebenholzfarbene Raumschiffe an die Sphäre drängten wie Ozeanschiffe an einem Dock.

Doch nichts in der Art; statt dessen eskortierte Nebogipfel mich — über eine Distanz von nur wenigen Meilen, wobei wir uns wie auf Laufbändern fortbewegten — zu einem Areal, in dem sich weder Artefakte, Trennwände noch Morlocks befanden und das auch sonst keine Besonderheiten aufwies. Und in der Mitte dieses Abschnitts war eine kleine Kammer, eine Box mit durchsichtigen Wänden, die kaum größer war als ich — wie eine Aufzugskabine — und die hier klobig auf dem sternenunterlegten Boden stand.