Aber so waren die Morlocks eben: Nach einer halben Million Jahren steter technologischer Weiterentwicklung verließen sich die Morlocks blind auf ihre Maschinen, denn die Maschinen ließen sie nie im Stich.
Ich hingegen war kein Morlock! Allmählich legte sich jedoch meine Angst. Abgesehen vom langsamen Taumeln der Kapsel, das meine Reise zur Erde ständig begleitete, verflossen die Stunden in einer Stille und Ruhe, die nur durch das an ein Flüstern erinnernde Atmen meines Morlock-Kameraden unterbrochen wurde. Es war angenehm warm im Boot, so daß es mir körperlich rundum gut ging. Die Wandung bestand aus diesem aus dem Boden gezogenen Zeug, und auf eine Berührung von Nebogipfel hin wurde ich mit Essen, Trinken und anderen Dingen versorgt, obwohl die Auswahl begrenzter war als in der Sphäre, die einen größeren Speicher hatte.
Mit absoluter Leichtigkeit flogen wir durch die große Kathedrale des interplanetarischen Raums. Ich begann mich allmählich richtig körperlos zu fühlen, und eine Stimmung völliger Losgelöstheit und Unabhängigkeit ergriff von mir Besitz. Es war nicht mehr eine Reise oder sogar — wie in diesen ersten Stunden — ein Alptraum; vielmehr bekam der Flug die Qualität eines Traumes.
Meine Erlebnisse in der Ersten Zukunft
Am zweiten Tag unseres Fluges befragte mich Nebogipfel erneut über meine erste Reise in die Zukunft.
»Es ist dir gelungen, deine Maschine von den Morlocks zurückzuholen«, stellte er fest. »Und dann bist du weitergereist, weiter in die Zukunft jener Historie…«
»Lange Zeit hatte ich mich nur auf der Maschine gehalten«, erinnerte ich mich, »genauso wie ich mich jetzt an diesen Stangen festhalte, ohne zu wissen, wohin die Reise ging. Und endlich konnte ich mich überwinden, auf meine Chronometer zu blicken, und ich sah, daß die Zeiger mit enormer Geschwindigkeit weiterrasten, weiter in die Zukunft.
Du mußt nämlich bedenken«, sagte ich zu ihm, »daß in dieser anderen Historie die Erdachse und ihre Rotation nicht korrigiert worden waren. Tag und Nacht flatterten wie Schwingen über der Erde, und der Pfad der Sonne verlief im Wechsel der Jahreszeiten zwischen seinen Wendepunkten. Aber allmählich bemerkte ich doch eine Veränderung: daß, trotz meiner gleichbleibenden Geschwindigkeit durch die Zeit, das Flackern von Tag und Nacht wiederkehrte und noch akzentuierter wurde.«
»Die Rotation der Erde verlangsamte sich«, kommentierte Nebogipfel.
»Ja. Schließlich schienen sich die Tage über Jahrhunderte zu erstrecken. Die Wanderung der Sonne über den Himmel kam ganz zum Erliegen. Der Tag hatte sich in eine Kuppel verwandelt — und riesig und zornig glühte sie in ihrer verminderten Hitze. Zuweilen verstärkte sich ihre Leuchtkraft wieder oder nahm ab — Zuckungen, die eine Reminiszenz an ihre frühere Helligkeit darstellten. Aber jedesmal fiel sie wieder in ihr düsteres Rot zurück.
Ich begann meinen Sturz durch die Zeit abzubremsen…«
Ich hielt auf einer Landschaft an, wie ich sie immer auf dem Mars vermutet hatte. Die riesige, reglose Sonne hing am Horizont; und an der anderen Hälfte des Himmels leuchteten noch die Sterne wie Knochen. Die über das Land verstreuten Felsen waren von einem virulenten Rot und wiesen auf ihrer Westseite intensive grüne Flecken auf, wie Flechtenbesatz.
Meine Maschine stand auf einem Strand, der zu einem Meer abfiel, das so unbewegt war, als ob man Öl auf die Wellen gegossen hätte. Die Luft war kalt und ziemlich dünn; ich glaubte auf dem Gipfel eines hohen Berges zu stehen. Wenig war von der vertrauten Topographie des Themsetales übriggeblieben; ich stellte mir vor, wie die Erosion der Eiszeiten und das langsame Ansteigen der Meere alle Spuren der mir bekannten Landschaft verwischt hatten — und jede Spur der Menschheit…
Nebogipfel und ich schwebten dort in der Enge unserer glitzernden Kiste, und ich erzählte ihm flüsternd die Geschichte meiner Ersten Zukunft; in dieser Ruhe durchstöberte ich meine Gedanken nach Details, die, wie ich glaube, ich meinen Freunden in Richmond noch nicht mitgeteilt hatte.
»Ich sah ein känguruhähnliches Wesen«, erinnerte ich mich. »Es war vielleicht drei Fuß groß… plump, mit schweren Gliedern und runden Schultern. Es hüpfte über den Strand — es wirkte irgendwie verloren auf mich — sein graues Fell war struppig, und es bearbeitete mit den Pfoten zaghaft die Felsen, wobei es offenbar versuchte, etwas von den Flechten abzukratzen, um sich ein karges Mahl zu verschaffen. Ich hielt es für ein ausgesprochen degeneriertes Tier. Dann stellte ich zu meiner Überraschung fest, daß das Geschöpf an allen Füßen fünf verschwommene Zehen hatte — seine Hände waren so menschlich wie die eines Frosches… Und es hatte einen rundlichen Kopf, mit vorspringender Stirn und nach vorne gerichteten Augen. Irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl bei diesem Wesen.
Aber dann berührte etwas mein Ohr — wie Haare, die mich streiften — und ich drehte mich im Sattel um.
Direkt hinter der Maschine war eine Kreatur. Sie wirkte auf mich wie ein Zehnfüßler, aber was für einer! — zwischen drei und viereinhalb Fuß breit, vielleicht zehn Yards lang, mit Segmenten wie große Autoreifen, und das Chitin seines Panzers — er war rötlich — knisterte bei jeder Bewegung. Fühler, jeder ein Fuß lang, wedelten feucht in der Luft herum; und einer von diesen Fühlern hatte mich berührt. Nun hob dieses Vieh seinen stumpfen Kopf, und sein Maul klaffte weit auf, wobei feuchte Mandibeln vor ihm herumschlackerten; die Entität hatte sechseckig konfigurierte Augen, die herumschwenkten und mich fixierten.
Ich berührte den Hebel und brachte einen Monat zwischen mich und dieses Monster…
Und landete wieder auf demselben öden Strand, aber jetzt erblickte ich gleich ein ganzes Rudel dieser Centipeden, die mit schabenden Panzern aufeinander herumkrabbelten. Sie hatten eine Vielzahl Füße, mit deren Hilfe sie sich bewegten, und sie krümmten ihre Körper beim Vormarsch wie Raupen. Und in der Mitte dieses Schwarms sah ich eine Erhöhung — niedrig und blutig — und ich mußte dabei an das arme Känguruh-Wesen denken, das ich zuvor beobachtet hatte.
Ich konnte diese Schlächterszene nicht mehr ertragen! Ich betätigte die Hebel und reiste eine Million Jahre weiter.
Dieser gräßliche Strand existierte immer noch. Aber jetzt, als ich mich landeinwärts wandte, sah ich weit oben auf dem öden Hang vor mir ein Ding wie einen riesigen weißen Schmetterling, das schimmernd über den Himmel flatterte. Sein Torso hatte vielleicht die Größe einer kleinen Frau gehabt, und es war mit großen blassen, transparenten Fühlern besetzt. Das Wesen gab dissonante Laute von sich — merkwürdig menschlich — und eine große Verzweiflung legte sich auf meine Seele.
Dann registrierte ich in meiner Nähe eine Bewegung in der Landschaft: ein Ding wie ein marsroter Felsbrocken, der sich durch den Sand auf mich zuschob. Es war eine Art Krabbe: ein tischgroßes Teil, dessen zahlreiche Beine über den Strand staksten und mit Augen — rötlichgrau, aber mit menschlicher Form — auf Stielen, die in meine Richtung wedelten. Das Maul der Krabbe war so komplex wie eine Werkzeugmaschine, und das Ding schien sich die nicht vorhandenen Lippen zu lecken, während es sich vorwärtsbewegte; seine metallische Hülle war mit grünen Flecken der geduldigen Flechte besetzt.
Als der Schmetterling, häßlich und fragil, über mich hinwegflatterte, griff das Krabbenwesen mit seinen großen Scheren nach ihm. Es verfehlte ihn zwar — aber ich glaubte trotzdem, einige Fasern weißlichen Fleisches in diesen großen Klauen gesehen zu haben.