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Er ging weiter die Berichte durch.

Nicht alle neuesten Verbrechen waren so einfallsreich gewesen. Es gab die übliche Anzahl von Erschlagenen, Erstochenen, von Laserstrahlen Erschossenen und anderen konventionell Umgebrachten. Aber die Bandbreite für Verbrechen war unendlich groß, ausgefallene Abscheulichkeiten waren das Merkmal der Zeit. Quellen schlug Seite für Seite um und notierte seine Beobachtungen und Empfehlungen. Dann schob er das ganze bedrückende Material beiseite.

Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich die Spule anzusehen, die Brogg im Rahmen der Springer-Ermittlungen als Beweisstück B bezeichnete. Brogg hatte erklärt, sie beträfe Beweismaterial am Rande für Zeitreisen außerhalb der registrierten Zone von 1979 bis 2106. Quellen schob die Spule ins Gerät und lehnte sich zurück.

Es handelte sich um Broggs gewissenhafte Ausschlachtung von Annalen des Okkulten. Der UnterSek hatte Hunderte von Berichten über rätselhafte Erscheinungen gesammelt, offenbar in der Annahme, sie könnten Zeitreisende aus einer Phase vor den Springern betreffen. »Ich möchte darauf hinweisen«, stellte Brogg fest, »daß der normale Bereich der Zeitreisen zwar die fünfhundert Jahre vor der Jetztzeit umfaßt, es aber Beispiele gegeben hat, wo es zu einem Überschießen in eine viel frühere Zeit kam.«

Mag sein, dachte Quellen. Er betrachtete das Material mit distanzierter Neugier.

Etwa: Die Angaben von Giraldus Cambrensis, Chronist, geboren ca. A. D. 1146 auf der Burg Manorbier in Pembrokeshire. Giraldus erzählte die Geschichte eines rothaarigen jungen Mannes, der unerwartet im Haus eines Ritters namens Eliodore de Stakepole im westlichen Haus aufgetaucht sei:

›Dieser fremde Mann sagte, er heiße Simon. Er nahm dem Seneschall die Schlüssel ab und auch den Posten, aber er war so klug und tüchtig, daß im Haus, das immer wohlhabender wurde, nie etwas verlorenging oder fehlte. Wenn sein Herr oder seine Herrin an etwas dachten, das sie gern gehabt hätten und es nicht einmal aussprachen, las er ihre Gedanken, und schon besorgte er es, auch ohne Befehl. Er wußte, wo sie ihr Gold und die Juwelen versteckten. Er sagte zu ihnen: »Warum dieses Knausern um Euer Gold und Silber? Ist das Leben nicht kurz? Dann genießt es, gebt Euer Gold aus, oder Ihr sterbt, ohne das Leben genossen zu haben, und das Geld, das Ihr so bedachtsam hortet, wird Euch nichts nützen.« Er legte Wert auf die gute Meinung von Dienern und Knechten und gab ihnen das Beste zu speisen und zu trinken… Dieser fremdartige, rothaarige Mann setzte keinen Fuß in eine Kirche, benützte kein Brevier und sprach kein katholisches Wort oder etwas Religiöses. Er schlief nicht im Herrenhaus, war aber stets zur Hand, um zu Diensten zu sein und zu bringen, was gewünscht war.‹

Der Chronist berichtete, daß die Kinder von Stakepole sehr neugierig bezüglich dieses geheimnisvollen Simon gewesen seien und ihm nachspioniert hätten:

›Und eines Nachts, als sie hinter einem Holunderstrauch kauerten, sahen sie den fremden Mann in das Wasser des Mühlbachs starren und die Lippen bewegen, als spräche er mit etwas Unsichtbarem.‹

Was sofort dem alten Stakepole hinterbracht wurde. Der tugendreiche Ritter ließ Simon in seine Privatgemächer kommen und feuerte ihn:

›Als sie ihm die Schlüssel abnahmen, fragte ihn die Burgherrin: »Wer bist du?«

Er antwortete: »Ich bin gezeugt von einem Dämon mit der Frau eines Bauern hier, der sie in Gestalt ihres eigenen Mannes beschlief.«

Er nannte den Mann beim Namen, der so gehörnt worden war. Er hatte vor kurzem den Tod gefunden. Die Mutter lebte noch, und als man sie streng befragte, wurde die Sache durch ihr öffentliches Geständnis als wahr bestätigt.‹

Interessant, dachte Quellen. Woher hatte Brogg diese Dinge? Es mochte sehr wohl sein, daß der rothaarige ›Dämon‹ ein Springer war, den es zu weit durch die Zeit gerissen hatte. Ebenso die anderen Berichte von Mönchen. Das 12. und 13. Jahrhundert war laut Broggs Nachforschungen eine fruchtbare Zeit für die Ankunft unerklärlicher Fremder gewesen. Nicht alle waren auch in menschlicher Gestalt erschienen. Quellen las einen Auszug aus dem ›Eulogium Historiarum‹, das 1171 im Kloster Malmesbury geschrieben worden war:

›In der Nacht der Geburt des Herrn gab es ein Donnern und Blitzen, wie man es noch nie vorhergesehen hatte. Und in Andover wurde ein Priester um Mitternacht vor der ganzen Gemeinde vom Blitz niedergeworfen, ohne weitere Verletzungen… aber man sah, was nach einem Schwein aussah, zwischen seinen Füßen hinund herlaufen…‹

Brogg hatte einen vergleichbaren Fall in den ›Annales Fran corum Regium‹ des Mönchs Bertin gefunden, verfaßt um 1160. Der Eintrag für 856 lautete:

›lm August feierte Teotogaudus, Bischof von Trier, mit Geistlichen und Laien die Messe, als eine sehr furchtbare Wolke mit Gewitter und Blitz die ganze Gemeinde in der Kirche entsetzte und das Läuten der Kirchenglocken übertönte. Der ganze Bau war von solch dichter Dunkelheit erfüllt, daß einer den anderen kaum sehen oder seinen Nachbarn erkennen konnte. Auf einmal öffnete sich in Boden oder Erde ein Loch, und man sah einen Hund von ungeheurer Größe, der rund um den Altar hinund herlief.‹

Schweine? Hunde? Versuche, vielleicht, zu Beginn der Zeitreisen? Quellen machte sich Gedanken. Die Maschine war noch neu und unzuverlässig gewesen, stellte er sich vor. Man hatte wehrlose Tiere in das Feld gestellt und sie dann zur Verblüffung der frommen, teufelsfürchtigen Bürger des Mittelalters in die Vergangenheit gejagt. Ein bedauerlicher Weitschuß hatte die armen Geschöpfe weit hinter die industrielle Revolution zurückgetrieben, aber die Leute, die das Gerät bedienten, konnten das Ziel ihrer Passagiere nicht gekannt haben, wenn sie nicht von denselben Unterlagen wußten, die Brogg zutage gefördert hatte.

Nicht alle Fälle von Brogg befaßten sich mit Vorkommnissen im Mittelalter. Viele Abschnitte von Beweisstück B befaßten sich mit neueren Ereignissen, wenn auch immer noch weit vor der Grenze von 1979, die als äußerste für Reisen in die Vergangenheit galt. Quellen las von einem Mädchen, das am Abend des 3. April 1817 an der Tür eines Landhauses bei Bristol in England aufgetaucht war und in einer, wie es hieß, ›unbekannten Sprache‹ Essen erbettelte.

Woher wußte man dann, was sie gewollt hatte? fragte sich Quellen. Die Spule gab keine Antwort darauf. Sie teilte ihm statt dessen mit, daß das Mädchen, das sich nicht verständigen konnte, vor einen Magistratsrichter, einen Samuel Worral, gebracht worden war, der sie, statt sie als Landstreicherin einzusperren, mit nach Hause nahm. (Schon verdächtig, dachte Quellen.) Er befragte sie. Sie schrieb Antworten nieder in einer unbekannten Schrift, deren Buchstaben aussahen wie Kämme, Vogelkäfige und Bratpfannen. Sprachkundige kamen, um sich damit zu befassen. Schließlich tauchte einer auf, der sich als ein ›Gentleman aus Ostindien‹ bezeichnete. Er befragte sie auf Malaiisch und erhielt verständliche Antworten.

Sie sei, so erklärte er, die Prinzessin Karabu, von Piraten aus ihrem Heim auf Java entführt und auf See gebracht worden, wo sie viele Abenteuer erlebt habe, bevor es ihr endlich gelungen sei, an die englische Küste zu entfliehen. Mit Hilfe des ›Gentleman aus Ostindien‹ teilte Prinzessin Karabu viele Einzelheiten über das Leben auf Java mit. Dann trat eine Frau aus Devonshire auf, eine Mrs. Willcocks, und erklärte, die Prinzessin sei in Wahrheit ihre Tochter Mary, geboren 1791. Mary Willcocks gestand den Betrug ein und wanderte nach Amerika aus.