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»Das kann ich jetzt nicht erklären«, sagte Quellen. »Zufällig sind Sie das bedauerliche Opfer einer Situation, die außer Kontrolle gerät. Mortensen, ich werde Sie auf eine Reise schicken. Sie werden Urlaub nehmen. Ich kann nicht sagen, wie lange Sie fort sein werden, aber wenigstens werden Sie es dort schön haben. Sie finden ein vollständiges Essensprogramm; bedienen Sie sich. Und Sie können sich darauf verlassen, daß ich auf Ihr Wohlergehen achte. Ich bin in Wahrheit auf Ihrer Seite und habe tiefes Verständnis für Sie. Aber zuerst muß ich für mich sorgen.«

Mortensen, der sehr bedrückt wirkte, hob die Hand, als wolle er zuschlagen. Quellen trat rasch vor und betätigte die Narkosekralle. Sie durchstach Mortensens Haut. Die Sofortnarkose begann zu wirken. Mortensen sackte bewußtlos zusammen. Er würde ungefähr eine Stunde ohnmächtig sein. Zeit genug.

Quellen schaltete das Statfeld ein und schob Mortensen hindurch. Der blonde Mann verschwand. Er würde im afrikanischen Haus des KrimSek aufwachen. Zweifellos würde das seine Verwirrung noch steigern, aber Quellen hatte keine Erklärungen abgeben können.

Einen Augenblick später wurde das Stat in Quellens Wohnung abgeschaltet. Das würde Mortensen daran hindern, zurückzukommen, solange Quellen das wollte.

Wellenartig erfaßte Quellen Schwindel.

Den Köder hatte er. Nun mußte er den Fisch an Land ziehen. Es erschien unfaßbar, daß er Erfolg haben würde, aber er war zu weit gegangen, um jetzt noch umkehren zu können. Und wenn er scheiterte, so blieb noch ein anderer Ausweg, wie ihm aufging, eine weniger ehrenhafte, aber vielleicht vernünftigere Lösung als jene, die er im Sinn hatte.

Kann ich das schaffen? dachte er. Kann ich wirklich versuchen, die Hohe Regierung zu erpressen und damit durchzukommen? Oder habe ich jetzt völlig den Verstand verloren? Er würde es bald genug erfahren. Inzwischen hatte er eine Geisel — Mortensen. Eine Geisel gegen den Zorn der Hohen Regierung.

Nun blieb nur noch eine Kleinigkeit: ein Gespräch mit Peter Kloofman. Höchstpersönlich. Ließ sich das einrichten? Es war ein unfaßbarer Traum. Wie konnte ein Bürokrat Stufe Sieben zu Kloofman vordringen?

Er wird mit mir sprechen, dachte Quellen. Wenn er erfährt, daß ich Donald Mortensen gekidnappt habe.

15

David Giacomin, der im stillen den Fall Mortensen selbst überwacht hatte, entdeckte als erster, daß etwas nicht stimmte. Eine blinkende rote Lampe teilte ihm mit, daß Mortensen aus dem Bereich des Televektorfeldes Appalachia verschwunden war.

Giacomin fand sich nicht mehr zurecht. Der kritische Tag für Mortensen war der 4. Mai, und der 4. Mai kam erst in einigen Wochen. Er konnte doch nicht so früh Springer geworden sein, oder?

Doch, es war möglich, dachte Giacomin. Aber wenn es so war, weshalb wankt dann nicht das Gefüge von Zeit und Raum? Die Vergangenheit war verändert worden — oder die Aufzeichnungen stimmten nicht. Giacomin ordnete eine gründliche Untersuchung von Mortensens Verschwinden an und setzte alle Hilfsmittel der Hohen Regierung ein. Kloofman hatte Giacomin persönlich angewiesen, dafür zu sorgen, daß Mortensen nichts zustieß, und nun hatte es den Anschein, als sei ihm tatsächlich etwas zugestoßen. Giacomin sagte sich schwitzend, daß er Mortensen um jeden Preis zurückholen mußte, bevor Kloofman dahinterkam, daß er vermißt wurde.

Dann erfuhr Giacomin beinahe gleichzeitig, daß er Kloofman die Nachricht doch würde überbringen müssen.

Ein Anruf von Koll im Sekretariat Verbrechen kam, von dem kleinen Sechser mit dem Wieselgesicht, durch den Giacomin diesen Teil staatlichen Wirkens überwachte. Koll wirkte verstört, beinahe betäubt. Sein Gesicht war rot verfärbt, seine Augen sahen starr und glasig aus.

»Ich habe hier jemanden, der ein Gespräch mit Kloofman wünscht«, sagte Koll. »Stufe Sieben — nein, bald Sechs — in meiner Abteilung.«

»Er ist wahnsinnig. Kloofman würde ihn nicht empfangen, und das wissen Sie auch. Warum belästigen Sie mich damit?«

»Er sagt, er hat Mortensen entführt und möchte die Sache mit jemandem in Stufe Eins besprechen.«

Giacomin erstarrte. Seine Hände begannen hilflos zu zucken. Er bemühte sich um Beherrschung.

»Wer ist dieser Geisteskranke?«

»Quellen. Der KrimSek. Er —«

»Ja, ich kenne ihn. Wann hat er die Bitte ausgesprochen?«

»Vor zehn Minuten. Zuerst versuchte er Kloofman direkt anzurufen, aber das ging nicht. Jetzt beschreitet er den Dienstweg. Er hat mich gefragt, und ich frage Sie. Was bleibt mir anderes übrig?«

»Wohl nichts«, sagte Giacomin hohl. Sein schneller Verstand ging die Dinge durch, die man mit dem lästigen Quellen tun konnte, angefangen mit dem langsamen Ausweiden und noch Schlimmeres. Aber Quellen hatte Mortensen oder behauptete es jedenfalls. Und Kloofman hatte, was Mortensen anging, geradezu eine Psychose. Er sprach kaum von etwas anderem.

Da verflog Giacomins sorgfältig erwogener Plan, zu verhindern, daß die Nachricht von Mortensens Verschwinden zur Spitze gelangte. Er sah keine Möglichkeit mehr, das zu verhindern. Er konnte Zeit herausholen, aber am Ende würde Quellen sich durchsetzen.

»Nun?« sagte Knoll. Seine Nasenspitze bebte. »Kann ich sein Ersuchen offiziell an Sie weitergeben?«

»Ja«, sagte Giacomin. »Ich nehme Ihnen das ab. Geben Sie mir Quellen.«

Kurz danach erschien Quellen auf dem Schirm. Äußerlich sieht er normal aus, dachte Giacomin. Ein wenig erschreckt von seiner eigenen Kühnheit, ohne Zweifel, aber sonst bei Verstand. Mindestens im selben Maß wie Koll.

Aber entschlossen. Er wollte Kloofman sprechen. Ja, er habe Mortensen entführt. Nein, den Verbleib des Entführten wolle er nicht mitteilen. Überdies werde jeder Versuch, seine, Quellens, Freiheit zu beschneiden, zum sofortigen Tod von Mortensen führen.

Ein Bluff? Giacomin wagte das Risiko nicht einzugehen. Er starrte Quellen in stiller Verwunderung an und sagte: »Also gut. Sie haben gewonnen, Sie Wahnsinniger. Ich gebe Ihre Bitte um eine Audienz an Kloofman weiter. Wir werden sehen, was er sagt.«

Es war so lange her, daß Kloofman sich bereit erklärt hatte, von Angesicht zu Angesicht mit einem Angehörigen der unteren Klassen zu sprechen, daß er beinahe vergessen hatte, wie das war. Zu seinem Gefolge gehörten natürlich ein paar Dreier, Vierer und sogar Fünfer, aber sie sprachen nicht mit ihm. Sie hätten ebensogut Roboter sein können. Kloofman duldete von solchen Leuten keine Ansprache. Hoch auf dem einsamen Gipfel von Stufe Eins, hatte der Weltführer sich von der Berührung mit den Massen abgetrennt.

Er wartete deshalb mit einiger Neugier auf das Erscheinen dieses Quellen. Ärger, natürlich; er war an Zwänge nicht gewöhnt. Zorn. Gereiztheit. Trotzdem war Kloofman aber auch belustigt. Das Vergnügen der Verwundbarkeit war ihm viele Jahre versagt geblieben. Er konnte dieser unerwarteten Krise im leichten Tonfall begegnen.

Außerdem hatte er Angst. Soviel die Televektor-Leute zu sagen vermochten, hatte Quellen Mortensen wirklich in den Händen. Das war unangenehm. Eine direkte Bedrohung von Kloofmans Macht. Über solche Dinge konnte er nicht lachen.

Die Schädelsonde murmelte Kloofman zu: »Quellen ist hier.«

»Herein mit ihm.«

Die Wand rollte zur Seite. Ein schlanker, hager aussehender Mann kam linkisch herein und blieb plattfüßig vor dem riesigen Pneumonetz stehen, in dem Kloofman lag. Zwischen Kloofman und Quellen stand ein dünner, fast unsichtbarer Nebel, eine Attentats-Abschirmung vom Boden bis zur Decke. Jedes Partikel fester Materie, das hindurch wollte, würde auf der Stelle verflüchtigt werden, gleichgültig von welcher Masse oder Beschleunigung es war. Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme war Kloofman von Robotwächtern flankiert. Kloofman wartete geduldig. Die künstlichen Systeme in seinem rekonstruierten Körper summten gleichmäßig, pumpten Blut durch die Gefäße, umspülten das innere Gewebe mit Lymphflüssigkeit. Er sah, daß Quellen sich in seiner Gegenwart unbehaglich fühlte. Das wunderte ihn nicht.